Das Gefühl „ich bin“ ist die Ursache der Bindung

Nisargadatta Maharaj drückt es folgendermaßen aus:

Überzeugung! Das ist die einzige Technik für „Sadhana“! Wichtig ist einzig und alleine, immer zu wissen, nicht der Körper zu sein. Was ist der Glaube? Das wortlose Gefühl „Ich bin“. Was auch immer Sie sind, das ist der Glaube. Jetzt haben Sie ein einfaches Mittel, um sich bis auf den Zustand von „Brahman“ zu erhöhen.

Was genau ist geboren? Was geboren ist, sind drei Zustände: der Wachzustand, der Schlafzustand und das Wissen „Ich bin“ – das Ich-Bewusstsein. Der Körper und der Lebensatem würden nicht funktionieren, wenn dieses Ich-Bewusstsein nicht vorhanden wäre. Diese drei Zustände arbeiten durch die drei Attribute („Gunas“). Ich kann sehr deutlich sehen, dass sie geboren wurden. Ich weiß auch, dass ich nicht das bin, was geboren wird und deshalb bin ich total furchtlos. Also diese Erkenntnis „Ich bin“, dieses Ich-Bewusstsein, dieses Gefühl des Seins, ist die Quintessenz des Körpers. Und wenn diese Körper-Essenz weg ist, dann ist auch das Gefühl des Seins gegangen.

Sobald das Körpergefühl und das Gefühl „Ich bin“ verschwindet, bleibt das Ursprüngliche übrig, das Unbedingte, ohne Attribute und ohne Identität. Das, auf dem dieser temporäre Zustand des Bewusstseins, der drei Zustände und der drei „Gunas“, die kommen und gehen, erscheint. Es ist das „Parabrahman“, das Absolute!

In diesem „Parabrahman“, dem Unbedingten, ohne Attribute, ohne Identität – in dem kommt die Identität nur dann zum Vorschein, wenn da ein Gefühl ist „Ich bin“. Wenn dieses (projizierte) Ich-Bewusst-Sein nicht da ist – wer wäre dann da, um zu fragen? Dies kann nicht von „Jemandem“ (mit einer Körper-Geist-Identität) verstanden werden, sondern es muss erlebt werden, und zwar in einer solchen Weise, dass Erfahrender und Erfahrung eins sind! Ende des Zitates. [Quelle]

Was bedeuten diese Sätze von Nisargadatta Maharaj?

Zum Einen muss klar unterschieden werden, zwischen dem projizierten und wahrgenommenen Körper-Gefühl „ich bin“ und dem Sich-Seiner-Selbst-Gewahr-Sein des Gewahr-Seins. Das erste ist eine Objekt-Wahrnehmung und das zweite ist dem Gewahr-Sein inhärent – es ist ein subtiles Pulsieren, ein ständiges Sich-Selbst-Gewahren. Das Problem, das ich sehe, ist nicht das reine Gefühl „Ich-bin“, das ein notwendiger Anker ist, um gedankenfrei in sich selbst ruhen zu können. Ich sehe vielmehr das Problem darin, dass die Objekt-Wahrnehmung „Ich-bin“ automatisch mit den nachfolgenden Objekt-Wahrnehmungen kombiniert wird. So, wie ich es erlebt habe, folgt beim Aufwachen auf das Gefühl „ich-bin“ der Körper, Name und Welt. Diese Kombination ergibt die psycho-physische Person, die in der Welt agiert, mit der praktisch jeder identifiziert ist. Ruht man aber als das reine Gewahr-Sein, dann gibt es keinerlei Problem, da das Ego dort ganz klar als Objekt gewahrt wird – siehe auch hier.

Zum Anderen wird klar gemacht, dass der endgültige Zustand einer ist, in dem es keinerlei Identität gibt und in dem alles, was erscheint eine völlige Einheit ist. Mit anderen Worten: Für das Gewahr-Sein gibt es keinen Unterschied zwischen sich selbst als dem Subjekt und dem Universum als Objekt. Denn wenn es einen Unterschied gäbe, dann wären da zwei – das wäre dann aber Dualität und die ist eine Illusion! Dann würde auch dieser Satz nicht stimmen: Nichts ist Alles und Alles ist Nichts.

Somit ist das Gewahr-Sein identisch mit dem Universum und umgekehrt. Und da Gewahr-Sein vollkommen nicht-materiell und nicht-wahrnehmbar ist, kann für das Universum nur das gleiche gelten. Daraus ergibt sich, dass die Natur des Universums geistiger Natur ist – es ist reines Gewahr-Sein. Genau das ist meine Erfahrung.

Die praktische Konsequenz daraus ist, dass man die zugrunde liegende Natur der Wirklichkeit aus der Natur der Dinge um uns herum und aus unserer eigenen Wirklichkeit als Mensch erkennen kann und umgekehrt. Man darf nur keine voreiligen Schlüsse ziehen, nach dem Motto: „‚Ich‘ habe eine Beule, nachdem ich mich am Baum gestoßen habe, also sind beide fest.“ Denn hier liegen gleich zwei Denkfehler vor, erstens: „‚Ich‘ bin der Körper“ und zweitens: „Was mir die Sinne sagen ist wahr“. Sondern man muss die Natur der Wirklichkeit in sich selbst solange erforschen, bis man „nichts“ mehr findet. Dieses „Nichts“ (reines, absolutes Gewahr-Sein) muss man dann festhalten und darf es nicht wieder loslassen – dann ist man am Ziel. Dieser endgültige Zustand wird „Turiyatita“ genannt.

Wie kommt man dahin? Indem man einfach IST – ohne zu denken! Denn genau das ist das Problem – die meisten Leute denken nur, dass sie sind – in Wirklichkeit sind sie nicht! Nur der, welcher nicht denkt, dass er ist, sondern gedankenfrei PRÄSENT IST – wie ein unverrückbarer Berg – nur der existiert wahrlich! Ramana Maharshi sagt folgendes dazu: Der vierte Zustand (turya) herrscht vor, wenn man im Wachen das Herz nicht aufgibt, wenn die geistigen Aktivitäten zur Ruhe kommen und man nur über Brahman meditiert (divo: in sich selbst ruht und weiß, dass man Brahman ist). Geht das individuelle Wesen im Höchsten auf, nennt man das turyatita (jenseits des vierten Zustandes).

Zwar können wir unser wahres Selbst, das reines, absolutes Gewahr-Sein ist, nicht wahrnehmen. Wir können aber seine Tätigkeit erkennen und zwar im Erleben des Ich-Bewusst-Seins, das von der Natur des absoluten Gewahr-Seins ist. Die Erfahrung des Erlebens selbst ist Gewahr-Sein. Das hört sich etwas umständlich an – aber was man nicht direkt erkennen kann, muss man an seinen Wirkungen detektieren!

Weiterführende Informationen: