Der Wahrnehmungs-Strom

Was existiert, ist lediglich ein individualisierter Wahrnehmungs-Strom. In diesem sind alle Informationen enthalten, die wahrgenommen werden können, inklusive Gedanken, Ideen und Vorstellungen – und auch das Gefühl, „dieser Körper zu sein„. Daraus leitet sich die gedankliche Idee von „das bin ich“ ab. Aber das ist ein Trugschluss, der durch die hauptsächliche Benutztung von Substantiven in unserer Sprache entsteht.

Da ist kein Ding, kein Mensch – sondern ein Prozess, der „menschelt. Und durch die Benutztung eines Hauptwortes für diesen ewigen Prozess, entsteht daraus ein „Mensch“ und auf diesen ideellen Menschen wird das Gefühl von „Ich Bin“ und der Gedanke „Ich“ projiziert. Hinzu kommen noch die persönlichen Datensätze, wie Name, Adresse, Beruf, Werdegang – und schon haben wir einen „gesellschaftlichen Menschen“ da stehen – wo eigentlich nur ein Wahrnehmungs-Strom existiert.

Der Wahrnehmungs-Strom erhebt sich aus der Stille und jedes Wahrnehmungs-Objekt, dessen Lebensdauer mit erfolgter Wahrnehmung erschöpft ist, landet wieder darin. Mit anderen Worten: Die Quelle der Wahrnehmung ist die ungeformte Stille, das absolute Potential und die Wahrnehmung ist sozusagen geformte Stille oder als Form erscheinendes Potenzial.

Der Ich-Gedanke ist ebenfalls geformte Stille – aber er ist abzulegen, weil er falsch ist. Zur Stille kann man nicht „ich“ sagen, denn die ist unpersönlich, genauso wie der Wahrnehmungs-Strom als Ganzes und jedes einzelne Wahrnehmungs-Objekt.

In diesem ganzen Gemenge ist nirgends eine Person oder etwas unabhängiges und getrenntes. Das Gemenge ist ein Ganzes, das ständig erzeugt wird und wieder verschwindet.

Das Gefühl, „dass ich das bin“ bedeutet weder, dass es ein „Ich“ gibt, noch dass das, „als was ich mich ansehe“ tatsächlich in der Form vorhanden ist, wie es erscheint. Die Welt ist vorhanden, die Wesen sind vorhanden – aber keinesfalls so, wie sie erscheinen – also fest und als Sammelsurium von getrennten Einzelheiten.

Das ALLES ist ganz einfach die Gesamtheit eines individualisierten Wahrnehmungs-Stromes, der erscheint und offenbar automatisch den Eindruck erweckt, dass da etwas ist, was als „Ich“ bezeichnet wird und durch die Benutzung von Substantiven und Personalpronomen, wie „ich“ und „du“ und durch die Vorbilder „der Anderen, die das genauso machen„, immer mehr verfestigt wird.

Das hat absolut nichts mit Dummheit zu tun, denn der Wahrnehmungs-Strom ist so konstruiert, dass dieser Eindruck zwangsläufig entstehen muss. Die Aufgabe der scheinbar vorhandenen Ignoranten besteht darin, diese falschen Vorstellungen zu durchschauen und diese Erkenntnis beizubehalten – und immer tiefer in die Wahrheit dessen einzutauchen, was wirklich da ist.

Da ist ein Mensch, der wahrnimmt ist falsch.

Da ist Bewusstsein, das getrennte Objekte wahnimmt – ist falsch.

Da ist Gewahrsein, das Objekte wahrnimmt, ist falsch.

Die Wahrheit ist: Da ist ein Wahrnehmungs-Strom, dessen einzelne Bestandteile in einer jeweils eigenen Bewusstseinsblase residieren. Sie präsentieren sich und erzeugen dadurch Präsenz. Der Wahrnehmungs-Strom ändert sich ständig, neues kommt hinzu, altes verschwindet – daraus ergibt sich Diskontinuität. Aber aufgrund bestimmter Körperspannungen und der benutzten Sprache, glauben Teile dieses Stromes irrtümlich, getrennte, feste und dauerhafte Wesen zu sein. Ob das auch in der Tierwelt so ist oder auf der planetaren Ebene, ist unbekannt. Aber bei den „menschlichen“ Anteilen des Stromes scheint das generell der Fall zu sein. 

Das kann jeder für sich selbst nachvollziehen, wenn er es schafft, in einen expansiven Bewusstseins-Zustand zu gelangen, in dem das Körpergefühl verschwindet und damit die Lokalisierung. Dann wird eindeutig erlebt, dass da nur ein Strom von Erscheinungen ist, die wie Blasen (Bewusstseinsblasen) aussehen. An anderer Stelle wurde das auch Bewusstseins-Ozean genannt.


Substantive sind Bezeichnungen von Gruppen-Identitäten:
Mensch, Hund, Katze, Baum, Strauch, Blume, Stein, Erde, Staub, Wasser…

Personal-Pronomen und Namen sind Bezeichnungen für Einzel-Identitäten:
ich„, „du„, „der„, „die„, „das„, „Adam„, „Eva„…

Faktisch sind da aber weder statische Substantive, noch statische Personal-Pronomen, sondern ein ständiger Fluss geformter Potenzialität, die sich ständig ändert.

Wenn man das, was hier steht, betrachtet, erkennt man, dass es genau das Gegenteil ist, von dem, was alle denken: „ich nehme wahr„. Wahr ist, dass der Wahrnehmungs-Strom sich selbst gewahrt. Lokalisierung und „Ich“ sind ein zwangsläufiger Irrtum, der durchschaut werden muss.

Solange die Lokalisierung beim Aufwachen entsteht, besteht immer die Gefahr, eines erneuten Rückfalls in alte Ich-Denkweisen. Es ist aber für die nicht vorhandene „Ich-heit“ unmöglich, den Datenstrom zu ändern. Das kann nur der Urheber des Datenstromes.

Etwas, das nicht existiert, kann nichts ändern. Auch etwas, das nur als abhängig erzeugter Datenstrom-Anteil existiert, kann nichts ändern. Beispiel: Kann eine Glühbirne sich selbst ein- oder ausschalten?

Das alles bedeutet nicht, dass die gemachten Erfahrungen falsch sind oder nicht existieren. Es bedeutet vielmehr, dass es kein getrenntes „Ich“ gibt, das diese Erfahrungen macht – sondern die Erfahrungen erfahren sich selbst.

Durchgehende Nicht-Dualität bedeutet: Da sind flüchtige Erscheinungen, die in der Lage sind, sich selbst wahrzunehmen – und die Quelle der Erscheinungen ist nicht von ihnen getrennt – die formhaften Erscheinungen sind die Umkehrung der formlosen Quelle.

Wie Wasser, das ununterbrochen zu Eiskristallen wird und wieder schmilzt –
oder wie eine Null, die in einer Sinuswelle wechselweise zu +1 und -1 wird: 0 +1 0 -1 0 +1 0 -1