Jesus und die Welt-Simulation

Ich habe gestern eine Mail zum Beitrag „Illusionen“ bekommen, die ich hier ungekürzt einstelle.

Hallo Dieter,

das ist interessant; ich habe deinen Beitrag gelesen und dabei fiel mir das Wort ein:

Man kann die Wahrheit (Wirklichkeit) nicht wissen, man kann sie nur leben.
William Butler Yeats

Im Evangelium nach Johannes steht im 18. Kapitel die Frage des Pilatus:

Quid est veritas. Was ist Wahrheit? Joh. 18; Vers 38

Jesus hatte zuvor die Frage des Pilatus, „Bist du ein König?“ So beantwortet:

„Ja, ich bin ein König, aber mein Königreich ist nicht von dieser Welt. Ich bin gekommen, dass ich die Wahrheit bezeugen soll.“

33 Da ging Pilatus wieder hinein ins Prätorium und rief Jesus und sprach zu ihm: Bist du der Juden König?

34 Jesus antwortete: Sagst du das von dir aus, oder haben dir’s andere über mich gesagt?

35 Pilatus antwortete: Bin ich ein Jude? Dein Volk und die Hohenpriester haben dich mir überantwortet. Was hast du getan?

36 Jesus antwortete: Mein Reich ist nicht von dieser Welt. Wäre mein Reich von dieser Welt, meine Diener würden darum kämpfen, dass ich den Juden nicht überantwortet würde; aber nun ist mein Reich nicht von hier.

37 Da sprach Pilatus zu ihm: So bist du dennoch ein König? Jesus antwortete: Du sagst es: Ich bin ein König. Ich bin dazu geboren und in die Welt gekommen, dass ich die Wahrheit bezeuge. Wer aus der Wahrheit ist, der hört meine Stimme.

38 Spricht Pilatus zu ihm: Was ist Wahrheit?

Auch Jesus spricht die Wahrheit nicht aus, sondern er verkörpert sie. Er lebt sie.

Mail-Ende


Das Problem besteht daraus, dass Jesus sagt: „Mein Reich ist nicht von dieser Welt„. Richtiger wäre, wenn er gesagt hätte: „Mein Reich ist die unsichtbare Grundlage dieser Welt.“ Denn, wenn man sagt, dass „dieses Reich nicht von dieser Welt ist„, dann entsteht im Kopf jedes Menschen, der das hört, automatisch die Vorstellung, dass es dann irgendwo anders ist.

Genau das ist vollkommen falsch. Es ist schlicht und einfach nirgendwo – es existiert aus relativer Sicht gar nicht. Die Grundlage, auf der diese Welt erscheint, ist nie davon getrennt – sie wird nur deswegen nicht gewahrt, weil sie vom Gewahrsein nicht gewahrt werden kann – denn Brahman ist der „Geburtsort“ des Selbst-Bewusstseins bzw. Selbst-Gewahrseins.

Es ist so, als ob in einem nicht wahrnehmbaren, grenzenlosen Raum Bewusstsein ist, wie Luft – und in diesem Bewusstsein erscheinen Bewegungen. Aufgrund der inhärenten Intelligenz des Bewusstseins beginnen die darin erscheinenden „Wesen“ oder besser „Schemen“ Intelligenz zu entwickeln und zu erkennen, dass sie in einer „Welt“ leben. Familien entstehen, Stämme, Gesellschaften, Hochkulturen, Kriege, Frieden, Wissenschaft, Technik – das volle Programm.

Aber keines der erscheinenden Schemen glaubt, dass „sein Leben“ schemenhaft und flüchtig ist, ähnlich wie in einer Computer-Simulation. Alle glauben, dass es fest und sicher ist. Wenn es den Tod nicht gäbe – also das endgültige Verschwinden eines Schemens aus dem sichtbaren Bereich – glaubte wahrscheinlich sogar jeder, dass er unvergänglich wäre.

Wie kann der Lichtfleck aus einer Taschenlampe auf einer Wand unvergänglich sein? Wenn der Schalter auf aus gestellt wird oder wenn die Batterie leer ist, verlöscht der Lichtfleck. Genauso ist es mit der Lebens-Simulation: keines der simulierten Wesen weiß, wie es dahin gekommen ist, wo es scheinbar ist und wann der Simulationsprozess das Bit für „sichtbar“ in seinen Objekt-Daten auf „0“ setzt. Das wird dann von den „Hinterbliebenen“ „Tod“ genannt und betrauert.

Das Reich, von dem Jesus sprach, ist die Grundlage des geistigen Prozesses, der „Leben“ und „Welt“ genannt wird. Die Inder nennen den „Raum“ oder die „Weite“ in dem dieser Prozess vonstatten geht: Brahman (Simulations-Programm, Raum, in dem simulierte Subjekte und Objekte er-scheinen) und seine Grundlage ParaBrahman („Gott„,  „Göttlichkeit„, geistiger Computer). Das Bewusstsein wird Shiva genannt und seine inhärente Kraft, illusionäre Bewegungen (Schwingungen, Vibrationen) zu erzeugen, Shakti.

Brahman kann nicht aus relativer Sicht erkannt werden – sondern nur, indem man das jeweilige Stadium vollkommen verkörpert – das bedeutet, man muss es vollkommen SEIN – dann wird es aus sich selbst heraus erkannt.

Man kann es so sagen: wenn man von „unten“ kommt und glaubt, ein Körper zu sein oder ein Ego, das den Körper besitzt, gibt es keine Chance, DAS zu erkennen. Man muss sich zuerst von allen Eindrücken befreien (neti-neti). Und wenn dann da nichts mehr ist, weil man alles als sichtbar, fühlbar, beschreibbar und daher vergänglich und unwahr erkannt hat – erkennt dieses „nichts-mehr„, dass es trotzdem noch da ist, also muss es gleichbedeutend mit „nichts-mehr„, „kein-Etwas“ bzw „no-Thing“ sein.

Ab da kann, wenn es passiert, immer mehr erkannt werden. Hier geschah das über das Hören des inneren Tones, der Urschwingung, genannt „Nada“ – und nach den Ereignissen, die darauf folgten, war „ich“ weg und dafür die Stille da. Seitdem entfaltet sich das unaufhaltsam. Das kann auf verschiedenen Wegen erkannt werden, zB mit stiller Meditation oder mit Mantra-Meditation (zB Herzgebet). Wichtig ist nur, dass man sich als losgelöst von Physis und Psyche erfährt – und dann kann etwas geschehen.

Das Grund-Problem besteht darin, dass der Ego-Verstand glauben will, dass er tatsächlich existiert und alles mögliche unternimmt, um den Erzeuger, Träger, und Erhalter des Verstandes nicht erkennen zu lassen, dass der Verstand nur ein Parasit ist, der von der Energie des Trägers lebt und ohne diese im Bruchteil einer Mikrosekunde verschwunden ist.

Ohne Verstand ist da nur noch die Realität – Gedankenchaos ist der beinahe undurchdringliche Vorhang VOR der Realität. Der nächste Vorhang ist dann der andauernde Versuch, die Wirklichkeit zu greifen, was automatisch dazu führt, dass sie als „Leere“ bzw „Nichts“ erscheint. Tatsächlich ist sie keineswegs „Nichts“ (nothing), sondern „kein-Etwas“ (no-Thing) – also überhaupt nicht objekthaft, sondern reine Subjektivität.

Der Glaube, ein festes Wesen in einer festen Welt zu sein, ist so übermächtig, dass es schon sehr selten ist, wenn sich einer aufmacht, diesen Glauben absichtlich zu hinterfragen und damit zu zerstören. Es ist viel angenehmer, einfach gar nichts in dieser Richtung zu unternehmen – oder nur so zu tun, als ob „ich Selbsterkenntnis betreibe“ – und trotzdem weiter zu glauben, „dass ich der Herr dieses Lebens bin„.

Das ist zwar nicht so – aber der Licht-Fleck auf der Wand bildet sich das so ein, lullt sich damit in Dauerschlaf und hält sich damit ab von der Erkenntnis der eigenen Nicht-Existenz. „Ach wie ist das Leben schön„, denkt er sich dann, „ich bin der X, sehr intelligent, hochbegabt, habe einen anspruchsvollen Beruf, bin sportlich, liebe meine Frau und meine Kinder und bin ein patriotischer Bürger, der sich in die Gesellschaft einbringt und sozial aktiv ist„.

Was ist das? Eine Ansammlung von Buchstaben, die nur aus relativer Sicht scheinbar einen Sinn ergeben, eine konstruierte Geschichte, Gedankenkarussell, Gehirnfürze, geistiges Aufstoßen, Blubb-Blubb.

Die Wahrheit ist, dass „ich“ nur ein Lichtfleck auf der Wand ist oder im Spiegel, ergänzt um Datensätze und kontraktive Körpergefühle, die es so aussehen lassen, als ob dieser virtuelle Lichtfleck „ein realer Jemand“ ist und dass dieser Lichtfleck jeden Morgen wieder neu erscheint, nachdem er am Abend vorher verloschen ist und seine innere Welt mit ihm.

Die „Wiedergeburt“ ist in Wirklichkeit, das immer wieder erscheinende „Ich„, das von sich selbst sagt: „ich bin da„. Aber das, was wirklich da ist, auch, wenn „ich“ schläft, kann nicht reden, es ist dauerhaft stumm. Es spricht nur durch die Schemen – aber nie so, dass diese merken, wer es wirklich ist, der da scheinbar spricht und tut.

Eine Figur in einer Simulation kann auch scheinbar handeln und sprechen – aber nur deshalb, weil es ein Simulations-Programm gibt, das die Grundlage des Erscheinens, Sprechens und Handelns des scheinbar unabhängigen Figur-Programmes ist. Ohne Computer läuft kein Betriebssystem – und ohne Betriebssystem läuft kein Programm. Erst muss das Handy hochfahren, bevor telefoniert werden kann oder die Mails gecheckt werden können. Aber das Telefon-Programm und das Mail-Programm wissen nur das über das Betriebssystem, was dieses sie wissen lassen will.

DAS ist so etwas, wie eine hierarchische Struktur, die in sich selbst existiert und man kann nur dann wissen, was der jeweilige Strukturteil IST, wenn man ihn tatsächlich verkörpert. Ganz unten bzw. an letzter Stelle steht der Glaube, ein handlungsfähiges Wesen zu sein. Ganz oben, bzw. an erster Stelle steht das absolute Wissen ZU SEIN (Being) – aber keinerlei Wissen, etwas Bestimmtes zu sein (No-Thing).

Wichtig zu wissen ist, dass niemand davon überzeugt werden kann, ein No-Thing, ein nicht-Etwas zu sein, weil die täglichen Erfahrungen scheinbar exakt das Gegenteil bestätigen. Und es gibt sehr wenige Menschen, die diesen Konflikt überwinden können. Die weitaus meisten glauben dem, was sie sehen und fühlen und nicht dem, was sie nicht sehen und fühlen können.

Das ist ein inhärenter Bestandteil der Lebens-Simulation – denn ohne dieses zwanghafte Glauben-müssen und das zwanghafte Denken-müssen und ohne die Unsichtbarkeit der Realität – wäre die Simulation unmöglich aufrecht zu erhalten, weil jedes simulierte Wesen sofort die Unwahrheit der Simulation erkennen würde. So einfach ist es aber nicht. Um das anerkennen zu können, muss man zuerst die Nicht-Dinghaftigkeit der eigenen Existenz erfahren. Das aber bedeutet, alles, was irgendwie gewusst wird, über Bord zu werfen und nur das nackte SEIN übrig zu lassen. Erkannt werden muss: Kein Datensatz=Wort ist wahr.

Wer will das schon? Gerade Akademiker und sehr intelligente Leute bilden sich oft extrem viel auf ihre Intelligenz ein – die ihnen aber gar nicht gehört – sondern dem Bewusstsein, IN dem sie erscheinen. Stattdessen glauben sie, dass „ich Bewusstsein habe“ oder dass „ich bewusst bin„. Die Wahrheit ist, dass das Bewusstsein sich mit seinem, von seiner inhärenten Kraft erzeugten, Inhalt verwechselt, der IN ihm erscheint.

Mensch und Welt sind im Bewusstsein.
Bewusstsein ist in Brahman.
Brahman ist in ParaBrahman.
ParaBrahman ist?

Analogie:

Simulierte Figur und Umwelt sind im Simulations-Programm.
Simulationsprogramm ist im Betriebssystem.
Betriebssystem ist im Computer=Be-Rechner=Be-Denker.
Computer ist?