Das Gasthaus

„Das Gasthaus“ von Rumi

Das menschliche Dasein ist ein Gasthaus.

Jeden Morgen ein neuer Gast.

Freude, Depression und Niedertracht –

auch ein kurzer Moment von Achtsamkeit

kommt als unverhoffter Besucher.

Begrüße und bewirte sie alle!

Selbst wenn es eine Schar von Sorgen ist,

die gewaltsam Dein Haus

seiner Möbel entledigt,

selbst dann behandle jeden Gast ehrenvoll.

Vielleicht bereitet er dich vor

auf ganz neue Freuden.

Dem dunklen Gedanken, der Scham, der Bosheit –

begegne ihnen lachend an der Tür

und lade sie zu Dir ein.

Sei dankbar für jeden, der kommt,

denn alle sind zu Deiner Führung

geschickt worden aus einer anderen Welt.


Das, was Rumi als „Gäste“ bezeichnet – mit dem ist normalerweise das personale Ich identifiziert. Das bedeutet, es fühlt sich traurig oder böse – nur weil da gerade  Gedanken sind, welche diese Gefühle auslösen. Klar kommt man nicht einfach so aus dem Ich heraus! Aber wenn ich wach bin, wenn ich voll im Moment präsent bin und bemerke, dass da Trauer ist, kann ich sie anschauen und würdigen.

Dann entsteht eine Trennung zwischen dem Gefühl und mir selbst und ich spüre, dass ich da bin und dort dieses Gefühl ist, das daher nicht identisch mit mir selbst sein kann. Es ist in mir – es ist eine Erscheinung, ein Gast. Natürlich ist das Bewusstsein und sein Inhalt eins – aber das ewige Bewusstsein ist der Gastgeber der temporären Erscheinungen – warum soll sich die Ewige Ursache mit dem Temporär Verursachten identifizieren und sich schlecht fühlen?

Mich würde nur interessieren, warum Rumi von einem „kurzen Moment von Achtsamkeit“ spricht – möglicherweise spricht er aus der Sicht des Lesers.

Individuum

Ich komme immer mehr dahin, zu erkennen, dass das Advaita, wie es heute verstanden wird, einen massiven Fehler in sich trägt. Entweder ist das Ganze nur eine reine Gehirnakrobatik – also Philosophie – oder es basiert tatsächlich auf Erfahrung aber dann muss der ursprünglich Erfahrende total an sich selbst vorbei geschaut haben! Fakt ist, dass etwas existiert, was wahrnimmt – seine eigene Existenz und die Existenz und Ausgestaltung diverser Objekte. Daran kommt kein lebendes Wesen vorbei.

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Reine Gnade

Das zwanghafte Denken, das ununterbrochen um das Ich kreist, ist die eigentliche Trennung. Ohne zu denken gibt es kein Ich, keine Persona, da kann der Gedanke „das habe ich getan“ gar nicht erst aufkommen. Denken und Ich treten nur miteinander auf. Aber dieses Denken kann nicht von sich aus überstiegen werden. Etwas anderes muss dazukommen, etwas, das man nicht selbst machen kann, obwohl man auch das ist. Die Transzendenz des Ich und des Denkens, egal ob gleichzeitig oder nacheinander, ist reine Gnade.

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Die Seele

Meister Eckhart sagte über die Seele: „Das Seelenfünklein ist die Kraft, die mit Gott vereint„. Statt Gott kann man auch den Begriff SEIN oder Transzendenz benutzen.

Was Eckhart sagte ist richtig – zeigt aber den wirklichen Nutzen der Seele oder des individuellen Bewusstseins für den normalen Menschen nicht richtig auf. Ich würde sagen: Die Seele oder die Essenz des individuellen Bewusstseins ist der einzig Halt, der einen davor bewahrt, zurück ins Ich zu stürzen und damit ins Chaos. Egal, wie man es nennt, solange da noch egoische Anwandlungen sind, sein eigenes Süpplein zu kochen – und die sind solange da, bis das Ich total überschritten und dekonstruiert wurde – solange muss man sich am Bewusstsein selbst festhalten – also an sich selbst.

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Relative Wahrheit

Jede relative Wahrheit ist immer nur eine Annäherung an die absolute Wahrheit – und die Bewegung, hin zur absoluten Wahrheit, ist eine unendliche Reise, die nie ans Ziel kommt. Mein Schreiben ist ein sekundärer Ausdruck dieser relativen Bewegung und kann daher nie den Anspruch erheben, absolut wahr zu sein. Würde ich das behaupten, wäre ich ein Lügner. Darum kann ich auch nicht lehren, denn was ich heute lehren würde, könnte sich morgen als überholt herausstellen. Einmal ganz davon abgesehen, dass in mir nicht das geringste Bestreben ist, zu lehren…

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Dekonstruktion

Am Freitag gab es einen Moment absoluter Wahrnehmung, anschließend wurde mir in einem Telefongespräch erzählt, dass viele sogenannte „Erleuchtete“ immer noch an ihrem Körper hängen und gestern sah ich ein Video, indem es ebenfalls um das SEIN geht und dass die Dinge aus sich selbst heraus ablaufen. Das wusste ich zwar alles schon vorher – aber etwas grundlegendes, das nicht direkt eine Erkenntnis ist, hatte noch gefehlt.

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SEIN schaut auf SEIN

…oder die Welt ist in mir. Ich war gerade mit unserer Hündin spazieren, wie ich es annähernd jeden Tag tue. Und während wir so liefen und es in mir absolut still und friedlich war, wie immer, drehte ich mich nach ihr um, weil sie zurück geblieben war. Als sie dann auf Zuruf auf mich zukam, schaute sie plötzlich auf und in meine Augen. Das schlug bei mir ein, wie eine Bombe und das Herz öffnete sich sofort, weit, wie ein Scheunentor – und es war eine unmittelbare VERBINDUNG da. Aus ihren Augen hatte nicht Emma geschaut – aus ihren Augen schaute Gott oder das SEIN direkt in meine Augen. Das dauerte vielleicht eine Zehntel-Sekunde, dann änderte sich das Gefühl fast unmerklich und plötzlich schaute nicht mehr das SEIN auf das SEIN, sondern ICH schaute auf MICH.

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Entmutigen

Gestern kam ein Mail mit der Ansage, dass meine Beiträge oft „entmutigend“ wären. Sind sie das wirklich? Sie sind weder ermutigend, noch entmutigend, denn sie richten sich gar nicht an andere Menschen. Ich schreibe öffentlich, weil das so sein soll aber nicht, um andere zu lehren – sondern um mich selbst zu lehren. Wie ich gestern schon hier schrieb, kotzt sich die Wahrnehmung der Wahrheit selbst aus und ich schreibe nur das hin, was hoch kommt.

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