Individuelle Lehren

Vorgestern kam ich darauf, dass es wohl meistens Individuen waren, die ihre spirituellen Erfahrungen und ihren Werdegang nach ihrer Selbst-Verwirklichung als Lehre aufgestellt haben. Sie erlebten in bestimmten Situationen ihres Lebens irgendwelche spirituellen Erfahrungen und darauf aufbauend entwickelte sich ihr persönlicher Weg.

Wie will man das so verallgemeinern, dass es für viele Menschen passt? Daher war es wohl meistens so, dass sie sich einen bestimmten Menschen als Schüler aussuchten, von dem sie glaubten, dass er ihren Werdegang nachvollziehen kann. Unterstützt wurde das durch die Fähigkeit der Energietransmission. Das heißt, dass der Meister einen Teil seines Zustandes oder seinen gesamten Zustand auf den Schüler übertrug und dieser dann die Aufgabe hatte, ihn in sich zu entfalten. So dürfte es auch bei Maharaj gewesen sein, denn dessen Meister starb kurz nach seiner Initiation. Daher gab er auch an, „dass es nichts zu tun gibt„, dass man einfach „sein“ soll.

Das ist natürlich nur dann der Fall, wenn der Entsprechende schon präpariert wurde und nur noch langsam in seinen schon bestehenden Zustand hinein wachsen muss, was bedeutet, dass sein Körper sich langsam an diese Dimension gewöhnt und der Zustand sich nach und nach entfaltet.

Ein anderes Beispiel ist Douglas Harding. Er kam darauf, dass er eigentlich keinen Kopf hat, sondern dass statt des Kopfes einfach die Welt da ist – dass quasi die Welt auf seinen Schultern sitzt. Das hat bei ihm funktioniert – aber wie soll das bei einem anderen Menschen funktionieren, der nicht in der exakt gleichen Situation ist, wie Harding damals war?

Wieder ein anderes Beispiel ist Ramana Maharshi. Der erlebte als Siebzehnjähriger einen Durchbruch zur geistigen Ebene, ohne jemals irgend etwas mit Spititualität zu tun gehabt zu haben. Die zugrundeliegenden Fähigkeiten und Kenntnisse können nur aus vorherigen Lebensperioden stammen – die sich in dem Leben des Ramana fortsetzten. Irgend etwas in ihm erinnerte sich daran und ließ das Wissen daran teilweise durchbrechen – gerade soviel, wie sein Körper verkraften konnte.

Nach diesem Erlebnis begann seine „Nachbehandlung„: Er meditierte in heimischen Tempeln und einige Monate später begab er sich nach Tiruvannamalai und lebte dort zuerst im Tempel, dann in Gärten und Höhlen. Er meditierte dort teilweise so lange und so tief, dass er von Insekten gebissen wurde, und seine Beine sich entzündeten, ohne dass er das bemerkte.

Ramanas spätere „Lehre“ bestand einfach aus der Frage „Wer bin ich?“ Das war die Frage, die er sich nach seinem Durchbruch stellte, als sein Körper wie tot dalag. Wie soll diese Frage bei einem anderen Menschen funktionieren, der keinen Durchbruch erlebte? Was machen die Menschen aber? Sie vertrauen der Weisheit von Maharshi und stellen sich diese Frage viele Jahre oder gar Jahrzehnte – und nichts passiert!

Ich bin mir sicher, dass es noch weitaus mehr Beispiele gibt – diese drei Beispiele sollten aber zeigen, dass das so nicht funktionieren kann. Das, was die meisten „Meister“ lehren, sind einfach nur Beschreibungen eines universellen Vorganges, der jedoch für jedes Individuum anders verläuft. Dieser universelle Vorgang ist ein innerer Prozess, der von der inneren Intelligenz gesteuert wird und für jeden Menschen individuell abläuft. Der wirkliche Meister ist immer der innere Meister. Daher sollte man sich an diese innere Intelligenz wenden – also an das geistige Wesen, das einer ist – und um Hilfe, Beistand und Führung bitten.

Aus meiner eigenen und lebendigen Erfahrung heraus kann ich sagen, dass das funktioniert – wenn der Mensch tatsächlich bereits an der Schwelle zur Selbsterkenntnis steht oder schon Selbsterkenntnis betreibt! Vorher kann das nicht funktionieren, weil die innere Intelligenz das dann einfach noch nicht will, vielleicht, weil sie erst noch andere Erfahrungen machen muss oder will. Es wird also nicht funktionieren, wenn ein Ego-Mensch „das“ auch gerne hätte und sich „bemüht„.

So einer wird dann wahrscheinlich bei irgendwelchen pseudeo-spirituellen „Podium-Hockern“ landen, die ihm das Geld aus der Tasche ziehen und ihm auswendig gelernte Phrasen um die Ohren hauen: „Du bist doch bereits DA, musst es nur noch erkennen„, „Du musst nur regelmäßig zum Satsang kommen„, „Sitze mir zu Füßen„, „Tu einfach nur, was ich sage„, „Lasse los„, „Entspanne Dich“ etc. –  „und irgendwann wird DAS auch bei dir geschehen…

Es gibt sehr viele Menschen, die auf so einen Unsinn hereinfallen – das sind diejenigen, die den Erfolg der Esoterik-Industrie möglich machen. Im Qualm von Räucherstäbchen zu hocken, „zu meditieren“ (bei den meisten identisch mit denken), „Om“ anzustimmen, dem „Guru“ zuzuhören – das mag ein netter Zeitvertreib sein, mehr aber auch nicht. Das eignet sich perfekt zum Dummenfang – aber mit echter, persönlicher und authentischer Spiritualität, die sich von innen heraus entfaltet, hat das absolut nichts zu tun!