Mehrere gültige Arten zu Sein

Es gibt mehrere Arten, wie man sich selbst und die Welt erleben kann. Heute Morgen, beim Spaziergang mit dem Hund, vergaß ich ganz bewusst die vorderen Zentren, verschob die ganze Energie an den Hinterkopf und dehnte MICH maximal nach hinten und in alle Richtungen aus. Plötzlich hatte ich nicht mehr das Gefühl, dass ICH die Welt anschaue, sondern, dass die Welt sich selbst anschaut. Das hielt jedoch nicht lange an und pendelte dann immer wieder von einem Pol zum andern: ICH sehe die Welt – die Welt sieht sich selbst.

Danach probierte ich aus, die Welt gleichzeitig in mir und außerhalb zu sehen. Dabei erlebte ICH mich als Bewusstseins-Feld, in dem die Welt enthalten ist und die, während ich ging, durch mich hindurch „strömte„. Es fühlte sich an, als wären da nur die Referenzpunkte im Bewusstsein (bewusstes ICH, reines ICH …), die mehr oder weniger transparent waren und durch sie hindurch wurden die sich bewegenden „Welt-Bilder“ wie ein beweglicher Hintergrund wahrgenommen. So einen Effekt gibt es beim Windows-Betriebs-System, wo es möglich ist, das oberste Fenster transparent zu machen, so dass die darunter liegenden durchschimmern.

Eine andere Möglichkeit ist, sich selbst als ungeheuer große, schwere und massive Masse Bewusst-Sein zu erleben, wie ein ungeheurer Berg – und außer diesem Berg von Bewusstsein existiert nichts anderes. Das habe ich bisher nur einmal erlebt, im November 2014.

Es gibt aber noch eine weitere Möglichkeit, die so dezentralisiert ist, dass man sich nicht mehr als zentralisiertes ICH wahrnimmt, sondern als die dynamisch-intelligente Aufmerksamkeit, die alles durchdringt und daher in allem enthalten und überall gleichzeitig ist. Auch dies erlebte ich bisher nur einmal, ebenfalls im November 2014. Nachtrag: Als ich das jetzt noch einmal las, hatte ich das unmittelbare Gefühl, ein monströser, überdimensionaler und fetter Buddha zu sein.

In all diesen Modi ist immer das Gefühl der Individualität enthalten, des „ICH BIN“. Ich habe bisher nur einmal das Gefühl des reinen Seins erlebt, das war ein zeitloser Moment der reinen Existenz, ohne, dass ich dabei das Gefühl hatte ICH zu sein. Da war einfach nur Sein aber das erkannte ich erst nachher. Während des Erlebnisses war ICH nicht da, obwohl ICH es erlebte – aber eben nicht als ICH, sondern „nur“ als SEIN.

Das hört sich paradox an und ist es auch – aber nur dann, wenn man das von „außerhalb“ betrachtet. Man kann das aber auch nicht von „innerhalb“ betrachten, man kann es nur SEIN, denn „dort“ gibt es keine Dualität und daher kein Zweites und deswegen auch nicht das „Erkennen des Einen„. Die Leere des reinen Seins ist statisch, nicht dynamisch – sie ist vor Bewusst-Sein, Wissen und Existenz und daher das absolute und unbewegliche Fundament jeglicher Existenz. Alles, was sich bewegt und erkenntnisfähig ist, kann das nicht sein, sondern baut darauf auf.

Selbstverständlich spreche ICH hier nicht vom Ego – sondern von dem, was das Ego erzeugt und enthält. Solange in MIR kein Denken ist und der Schwerpunkt des Seins nicht im Beobachter an der Stirn ist, sondern am Hinterkopf – ist das Ego deaktiviert und daher existiert auch nicht das Gefühl der Körper oder gar die Person zu sein. Der Körper ist dann nur ein Referenzpunkt – ein relativer Blickpunkt auf die Welt.

Mit anderen Worten: Der Körper ist ein Teil der Welt, innerhalb der Welt und schaut von dort aus auf die Welt – und alles zusammen ist in MIR. Das ist, wie wenn mehrere Behälter ineinander gestapelt sind und ICH SELBST bin der äußerste Behälter und gleichzeitig die darin enthaltenen.

ICH BIN SELBST-umfassend, SELBST-enthaltend, SELBST-erkennend, SELBST-durchdringend – eine dynamische Einheit von SEIN und WISSEN.

Ich habe diese Seins- und Sichtweisen bisher immer nur für meine subjektive Welt erlebt – aber niemals so, dass ich auch die subjektiven Welten der relativ zu mir existierenden Wesen so sehen und erleben konnte. Ich weiß nicht, ob das für MICH überhaupt möglich ist. Möglicherweise kann nur das Absolute sich selbst so erleben. Aber ICH bin NICHT das Absolute, ich bin relativ zum Absoluten. Um zum Absoluten zu werden, muss ICH aufhören zu existieren. Und wenn dann etwas sagt: „ICH bin alles und jede Einzelheit und durchdringe alles, was existiert, in allen existierenden, relativen Universen“ – dann sagt das nicht das relative ICH-BIN, sondern das ABSOLUTE ICH-BIN.

Ich weiß nicht, ob das jemand versteht oder nacherleben kann – aber ich kann es momentan nicht klarer darstellen.