Was sind unsere Vorurteile?

Gestern schrieb ich schon einmal über John Thornton. Ich habe etwas in seinen Lehr-Materialien gestöbert und eine Präsentation gefunden, die über Descartes Methode des Zweifels handelt. Darin geht es darum, wie man sicher sein kann, dass das, was man wahrnimmt, tatsächlich vorhanden ist, weil man immer unter dem Einfluss der übernommenen Vorurteile seiner Zeit steht. Der letzte Satz lautet: Was sind die Vorurteile des 21. Jahrhunderts?

Ich würde sagen, dass es im Prinzip die gleichen sind, wie im siebzehnten Jahrhundert, dass es eine unabhängige Außenwelt gibt und dass die Wahrnehmung dieser Außenwelt zweifellos wahr ist.

Beide Vorannahmen kann man ganz einfach auseinander nehmen. Die Annahme einer festen Außenwelt, die auch in unserem Schlaf weiter existiert, beruht darauf, dass wir mit anderen kommunizieren können, die uns sagen, dass sie unseren Körper wach gesehen haben, dann sahen sie ihn schlafend im Bett liegen und und jetzt sehen sie ihn wieder wach. Daraus wird automatisch geschlossen, dass es eine Kontinuität gibt: Wachen → Schlafen → Wachen. Da man selbst auch schon solche Beobachtungen bei anderen machte und keinen Zweifel an diesen Wahrnehmungen hat, schließlich kann man den Körper ja anfassen, geht man automatisch davon aus, dass auch die Beobachtung eines anderen bei einem selbst genauso wahr ist. Man kommt überhaupt nicht auf die Idee, dass sich beide täuschen könnten.

Wir nehmen nicht eine eindeutig vorhandene Außenwelt wahr, das ist lediglich die allgemein akzeptierte Annahme. Die Wahrheit ist, dass wir ausschließlich Objekte im Bewusstseinsfeld wahrnehmen, ohne zu wissen, wie diese da hinein gekommen sind. Die Grundannahme, dass diesen Wahrnehmungen eine physische Außenwelt zugrunde liegt und unabhängige, physische Wesenheiten, die ein Bewusstsein besitzen und die Außenwelt wahrnehmen und in ihr handeln – das sind die Vorurteile des 21. Jahrhunderts. Und das sind sie schon seit Jahrtausenden.

Solange man nicht soweit geht, alles außer der eigenen Existenz als Bewusstsein infrage zu stellen, wird man der Wahrheit nicht näher kommen. Einzig und alleine meine Existenz steht fest – aber nicht das, was ich wahrnehme, noch die Art, wie ich scheinbar existiere, noch die Erscheinungs-Welt, in der ich scheinbar existiere. All das sind nur Erscheinungen in mir selbst.

Wenn Thornton eindeutig erkennt, dass er Bewusstsein ist (‘I’ am this consciousness), wie kann er dann übersehen, dass er nicht der Körper sein kann, weil dieser eindeutig nur als Wahrnehmung in ihm erscheint, genauso wie die scheinbare Außenwelt und alle anderen scheinbaren Welt-Bewohner? Hier wirkt die unüberprüfte Vorannahme, dass es eine physische Außenwelt gibt und physische Körper – und dass wir diese Körper sind.

Das Einzige, was tatsächlich existiert, bin ICH selbst (Bewusstsein/Seele).

Es wird willkürlich eine Verbindung geschaffen, zwischen dem echten Gefühl als Bewusstsein existent zu sein und den (scheinbar physischen) Wahrnehmungen darin, die als „außerhalb“ erscheinen – genau das IST die Illusion. Um da heraus zu kommen, muss man erkennen, dass sowohl das Bewusstsein, als auch die Wahrnehmungen geistiger Natur sind. Es gibt nur Geist/Energie – Materie ist eine Illusion – und sie beruht alleine auf unserem Glauben an sie. Es gibt auch keine Außenwelt, denn das Energiefeld, von dem bei Thornton die Rede ist und das er als „die Welt“ bezeichnet, ist das unendliche Bewusstsein. ICH bin nicht in der Welt eingebettet – die Welt ist in MIR eingebettet. Die Wahrheit ist immer um 180 Grad verdreht, wo man auch hinschaut.