Gegenseitige Beeinflussung – und der Einfluss von Praxis

Jede Handlung, jeder Gedanke und Glaube wirkt sich auf die Wirklichkeit aus. Es ist nicht so, dass das ganze Zeug einfach so dahin fließt, wie ein unbeeinflussbarer Fluss. Jede einzelne Bewegung an einem Punkt und sei es auch nur ein Gefühl oder ein Gedanke, beeinflusst den gesamten Strom.

Es kann nur nicht direkt eingegriffen werden – also nicht das Verhalten des Stroms auf eine bestimmte Weise verändert werden. Das funktioniert nicht, weil es eine ungeheure Menge an vernetzten und sich gegenseitig beeinflussenden Punkten gibt, so dass der einzelne Einfluss verschwindend gering ist – aber er ist eben auch nicht ganz ohne Gewicht.

Der Gedanke „ich bin schon am Ziel“ führt dazu, dass keine Aktivität in Richtung „Erkenntnis“ mehr gemacht wird, was falsch ist. Dogen nennt das Praxis-Realisation. Die bewusste Praxis/Handlung in diesem Moment führt zur Erkenntnis / Realisation im nächsten Moment. Eine kontinuierliche Praxis führt demzufolge zu kontinuierlicher Erkenntnis / Realisation.

Unterbleibt aber die „erleuchtete Praxis„, wird auch nichts weiter passieren. Mit anderen Worten: Zwar gibt es absolut gesehen nichts anderes als den „erleuchteten Zustand“ – dieser wird sich aber nicht in der Relativität manifestieren, solange keine Praxis ausgeübt wird, die bewirkt, dass dieser Zustand sich in der Relativität manifestiert.

Dem linear denkenden Verstand erschließt sich das nicht so leicht. Was ist also damit gemeint? Weil alles miteinander vernetzt ist, entsteht aus den Prozess-Parametern (Intentionen, Gedanken, Gefühlen Emotionen, Aktionen und Reaktionen) der aller virtuellen Punkte in diesem Moment der virtuelle Inhalt des nächsten Momentes. Dieser Prozess läuft immer weiter.

Wir haben es hier also mit einem sich gegenseitig beeinflussenden Netzwerk einer ungeheuren Menge von Punkten zu tun, die hochdynamisch und sensitiv auf gewichtete Änderungen in der Parameterstruktur reagieren – was wiederum andere Änderungen hervorruft.

Es kann also keine zielgerichteten und präzisen Änderungen eines Punktes geben, die ein nicht vorhandener Jemand ausführen könnte, um seine Vorstellungen zu realisieren. ZB: “ ‚Ich‘ ändere jetzt dieses Verhalten“.

Aber es kann eine Intention eingebracht werden, die zu korrespondierenden Aktionen=Praxis führt, die wiederum entsprechende subtile Reaktionen des hochdynamischen Prozesses hervorrufen. Damit ist aber nicht nur „Meditation“ oder „Einsichts-Meditation“ gemeint, sondern eine bewusstes Erfahren aller Erfahrungen – und eine bewusste Ausführung aller Aktionen in jedem Moment. Das Ganze läuft ohne ein Selbst ab – der Prozess selbst entwickelt an diesem Punkt diese Intention und die zugehörigen bewussten Erfahrungen und Aktionen. Was wiederum dynamische Änderungen in der Art und Weise hervorruft, wie dieser Punkt/Person die „Welt“ sieht und auf den nächsten Moment reagiert.

Es handelt sich also um einen zyklischen, andauernden Prozess, der immer wieder auf zusätzliche Stimuli reagiert und sich selbst immer weiter verfeinert. Der „zusätzliche Stimulus“ ist die Aufrechterhaltung einer nicht zielgerichteten und damit absichtslosen Praxis, abhängig von den bisherigen Erkenntnissen. Das ist ein gradueller, lebenslanger „Erleuchtungs-Prozess„.

Das Gegenteil davon ist eine aus dem Prozess heraus erfolgende Aktion eines Meisters (Kanal, Werkzeug), der in einem Schüler, durch eine spontane Aktion – zB eines lauten Schreies oder zuschlagen der Tür vor der Nase des Schülers – in dessen System eine irreversible Änderung hervorruft. Das wäre eine spontane Erleuchtung bei dem sich eine dauerhafte Zustandsveränderung ergibt.


Nachtrag: Vielleicht wird es klarer, wenn man sich das Ganze als einen Gruppentraum vorstellt, was es letztlich ja ist. Er beginnt mit einer voreingestellten Konfiguration die sämtliche Parameter aller beteiligten Punkte im Traum beinhaltet. Diese Traumwirklichkeit wird punktweise berechnet und als erstes Traumbild an die zugehörigen Punkte/“Wesen“ transferiert. ZB sieht ein Wesen einen Baum – und wenn es sich umdreht, ist der Baum nicht mehr im Bild. Als Reaktion auf das erste Traumbild erfolgt die spontane Aktion/Reaktion eines der Punkte, zum Beispiel den Kopf weg zu drehen.

Dies wird wiederum berechnet, so dass jeder der Punkte die Traumwirklichkeit so dargestellt bekommt, wie sie nach der Reaktion des ersten Punktes ist. Dann wird das Ergebnis an jeden Punkt gesendet. Der nächst stehende Punkt/Person sieht dann, zB wie der Nachbar den Kopf dreht und schaut auch dahin. Diese Aktion veranlasst dessen Nachbarn ebenfalls dahin zu schauen, etc. Jede Aktion wird in die aktuelle Traumumgebung gebracht, was andere wiederum zu Aktionen/Reaktionen veranlasst – die sich dann im nächsten Traumbild niederschlagen. Und so weiter und so fort – unendlich.

Somit hat das Verhalten eines jeden Punktes einen winzigen Einfluss auf das Ganze. Aber es handelt sich bei allen Punkten schlicht und einfach um den unpersönlichen Gesamtprozess, der sich an dieser Stelle als Punkt oder Pixel ausdrückt – abhängig von allen aktuellen Prozessparametern.

Bei den allermeisten Punkten oder Pixeln ist es so, dass sich der Prozess mit dem Punkt identifiziert, weil er sich selbst seiner Wahrnehmung entzogen ist. Gefühlt wird nur „ich bin existent“ aber nicht, was das ist, was existent ist und daher wird das ergriffen und als „Ich“ bezeichnet, was am nächsten an dem aktuellen Punkt dran ist – und das ist der Kopf, wegen der Sinnesorgane und der Restkörper, der am Kopf dran hängt.