Nicht-duale Wahrnehmung

Weil deutlich gefühlt wurde, dass trotz allem Durchschauen ein Hintergrund da ist, wurde den ganzen gestrigen Tag über konzentriert gefragt: „Was ist das, was sieht?“ und dann in dem Fragezeichen-Gefühl geruht.

Heute Nacht wachte ich um etwa ein Uhr auf und lag dann wach. Direkt beim Aufwachen wurde dann bereits das gesehen, was „sieht„: eine offene Weite oder Öffnung, bewusst, präsent, schwarz, klar, leer, unberührt. In dieser offenen Weite poppten ununterbrochen (Bewusstseins-) Blasen auf und verschwanden wieder. (Bewusstseinsozean)

Jede dieser Blasen war eine einzige Wahrnehmung. Zum Beispiel schlug die Kirchturmglocke und in der Blase war nur dieses Geräusch (Bamm) und sonst nichts. Das Geräusch nahm sich selbst wahr – da war kein Hintergrund und auch kein Subjekt, das es wahrnahm. Da war ausschließlich das Geräusch und sonst gar nichts.

Das, was gestern hier beschrieben wurde, ist das Gleiche, nur mit dem Körper als Hintergrund. Vom Körper aus gesehen ist es so, wie wenn ein Strahl oder eine Stoßwelle vom „Unterbauch“ zum „Kopf“ läuft und wieder zurück fällt.

Ohne den Körper oder eine andere Bewusstseinsblase als Hintergrund ist da nur nichts. Und aus diesem Nichts entsteht spontan eine Blase, in der nur das eine Wahrnehmungsobjekt ist. Nachdem es sich gezeigt hat, fällt es wieder zurück ins Nichts des leeren Bewusstseins oder Gewahrseins. Die Blase selbst ist einfach nur „eine kleine Menge Bewusstsein“ das in eine transparente Membran gekapselt ist und diese eine Information enthält – plus die Fähigkeiten des Bewusstseins zB Selbstwahrnehmung.

Diese Blase ist so etwas ähnliches, wie ein „gekapseltes Datenobjekt„, das neben den Daten noch alle benötigten Funktionen enthält, wie es in der objektorientierten Programmierung der Fall ist.

Der Grund, warum der Körper als Hintergrund gesehen wird, sind die darin enthaltenen Kontraktionen, die automatisch die Aufmerksamkeit der Bewusstseins-Weite dauerhaft auf sich zieht. Gekoppelt mit der Selbstwahrnehmung des Bewusstseins, entsteht daraus die Illusion: „Ich bin der Körper„. In der letzten Nacht waren diese Kontraktionen aber sehr schwach, was diese Beobachtungen ermöglichte.

Wenn eindeutig gesehen wird, dass „der Körper“ nichts anderes ist, als eine Reihe von immer wieder neu auftauchenden Bewusstseins-Blasen mit jeweils einer Wahrnehmung darin (Arm, Bein, Bauch, Kopf) – und diese Blasen aus einem leeren „Nichts“ aufsteigen, dann wird sofort gesehen, dass das „Körper-Aggregat“ eine Täuschung ist. Es gibt kein „Körper-Objekt„, kein „Selbst-Objekt“ und auch kein „Beobachter-Objekt“ – sondern nur einzelne, sich selbst wahrnehmende Blasen mit jeweils einem Wahrnehmungsobjekt darin. Und weil dieses Quasi-Nichts leer und undefiniert ist, darum kann jede „Nichts-Blasealles enthalten – das Vorstellbare und das Nicht-Vorstellbare – das ist das absolute Potential.

Neben der Darstellung als gekapseltes Datenobjekt kann man das auch sehen wie einen Computer mit den Informations-Bits des Wahrnehmungsobjektes im Hauptspeicher. Da der Computer das Bitmuster selbstständig erkennen und diese Informationen an das Netzwerk verteilen kann, braucht er keinen externen Beobachter.

Die beiden Beispiele „Computer“ und „Datenobjekt“ können auch als ein Prozess-Schritt aufgefasst werden, der mit allen anderen, gerade aktiven Prozess-Schritten vernetzt ist – so dass alle Daten in allen Prozess-Schritten gespiegelt werden. (Indras Netz)

Jedes Wahrnehmungsobjekt ist selbst-präsentierend und selbst-erkennend.

Am Morgen wurde beim Gespräch mit meiner Frau beobachtet, wie auch die Sprache, Sätze und einzelne Worte – je nach Abstand – in einzelnen Blasen aufpoppten und wieder verschwanden. Wenn das gesehen wird, wird auch erkannt, dass das aus einzelnen Blasen bestehende Aggregat namens „Frauen-Körper“ nicht ein externer Ursprung für die Wort-Blasen ist, sondern dass alle Blasen „aus mir, dem Nichts“ aufsteigen. Mit anderen Worten: „meine Frau“ und auch „alles andere“ BIN „ich selbst“ – ohne dass da ein „Ich“ ist.

Nur das Nichts zu sehen, wäre trocken und tot – aber mit den Blasen ist es das absolute Potential der Fülle, Freude und Liebe.

Wenn man überhaupt von einem (unpersönlichen) „Ich“ sprechen kann, dann ist dieses „Ich“ die Gesamtheit des Auf- und Absteigens aller Blasen im virtuellen Multiversum. Dieses gestaltlose, dezentrale, nicht-wesenhafte und nicht-objekthafte Funktionieren aus einem „Quasi-Nichts“ heraus, kann als „amorphes Gesamtwesen“ (Leben) verstanden werden. Es ist ein einziger, leerer Fluss von Phänomenalität, der keinen erkennbaren Zweck beinhaltet (leer von Zweck und Selbst), außer, dass er auftaucht und verschwindet.

Der Fluss ist eindeutig da – aber nicht so, wie er dem Verstand erscheint – also nicht fest und physisch – sondern nur als selbst-erscheinender und selbst-gewahrender Informations-Fluss.

Nachtrag 1: Das Ruhen zwischen zwei Gedanken ist im Wesentlichen das Ruhen IN einer einzelnen „Wahrnehmungsblase“ – was aber nicht bemerkt wird. Diese Blase bildet dann den Hintergrund (Beobachter) für die daraus beobachteten Phänomene. Das muss gesehen werden und dann muss diese Blase losgelassen werden und auch die „Körper-Blase(n)“ – dann erst wird das hintergrundlose, nicht-duale, nicht-containerhafte, bewusste und präsente „Nichts“ als tatsächlicher Urgrund erkannt.

Nachtrag 2: „Das Bewusstsein“ darf sich an überhaupt nichts festhalten. Solange an eine Hintergrund-Entität (Bewusstsein, Brahman, Quelle) geglaubt wird – oder eine fühlbar ist – kann davon ausgegangen werden, dass man in einer Blase hängt – oder von einer zur anderen springt. Nur dann, wenn mit dem inneren Sinn eindeutig sichtbar und fühlbar ist, dass da nur ein bewusstes, präsentes Nichts ist, in dem Blasen aufpoppen und wieder verschwinden und KEIN Beobachter gefühlt wird, ist das Sehen nicht-dual. Dann ist die Wahrnehmung direkt: Wahrnehmungsobjekt-Blase nimmt sich selbst wahr, ohne Subjekt und Hintergrund.

Nachtrag 3: Es ist momentan völlig gleichgültig, ob Gedanken da sind oder nicht oder ob etwas gewahrt wird und was. Das alles ist ein einziger Fluss und was darin erscheint, das erscheint und zwar genau so, wie es ist. Aus dieser Perspektive heraus gibt es absolut keinen freien Willen, weil es niemanden gibt, der einen solchen haben könnte. Das virtuelle Zeug poppt auf und verschwindet wieder, in einer rasend schnellen Frequenz und es ist niemand da, den juckt, wie das ist, was da erscheint. Erscheinungen – und sonst nichts.

Nachtrag 4: Da ist nicht mehr eine Stille, auf oder in der etwas erscheint, sondern da ist Stille, die als etwas erscheint. Man könnte auch sagen: Da ist Bewegung, die als Stille erscheint und umgekehrt: stille Bewegung – bewegte Stille.

Bewusstsein ist das, was erscheint –
und nicht das, in dem es vermeintlich erscheint.

Nachtrag 5: Das hier Beschriebene ist nichts, was irgendwie durch Übung erreicht oder „gemacht“ werden kann! Das ist immer so, es wird nur normalerweise nicht gesehen, weil die Vorstellungen im Verstand und die Filtermechanismen diese Eindrücke komplett ausfiltern. Alles, was gesehen oder sonstwie wahrgenommen wird, ist in Wirklichkeit nur etwas flüchtiges, nicht-permanentes und virtuelles. Wenn das allgemein gesehen würde, wäre das Leben nicht das, als was es normalerweise erscheint, sondern ein Abenteuerurlaub und Leiden wäre vollkommen unbekannt – aber ganz offensichtlich ist das in der Masse nicht so und kann offenbar auch nicht so sein.

Better it is to live one day
seeing the rise and fall of things
than to live a hundred years
without ever seeing the rise and fall of things.

Shakyamuni Buddha