Aufwachen und wach bleiben

Es reicht keineswegs aus, nur eine Erkenntnis zu haben. Sie muss gelebt werden. Aber um sie leben zu können, muss man wach sein. Wie bleibt man wach? Indem man es trainiert, zB durch Hören auf den inneren Ton.

Das beste Negativ-Beispiel sind diejenigen, die bereits einschlägige Erfahrungen gemacht haben, sie aber wieder verloren haben, weil sie wieder eingeschlafen sind. Wer nicht dauerhaft wach bleiben kann, wird den Verlust der Erkenntnis immer wieder erleben. Hinzu kommt, dass die Erkenntnis, nicht der Körper zu sein und auch kein Ich, nur der erste Zipfel der Erkenntnis darstellt. Was bin „ich“ wirklich? Wo bin „ich“ wirklich? Was ist die Welt? Wo ist sie? Wie ist sie? Was habe „ich“ damit zu tun? Etc.

Niemand muss sich diese Fragen stellen und es muss auch niemand wach bleiben. Aber wer nicht immer wieder in seinen alten Ich-Glauben zurück fallen will, der muss trainieren bzw. praktizieren. Festzustellen, was „ich“ nicht bin, ist eine Sache – aber das zu halten und herauszufinden, was „ich“ wirklich bin und wie alles miteinander zusammenhängt, ist eine sehr viel größere und wichtigere Sache.

Der Einwand, der hier sofort kommen wird, ist, dass es doch kein „Ich“ gibt, was das alles tun kann. Meine Antwort ist: „Und was ist dasjenige, was diesen Einwand bringt? Wir sind hier eindeutig in der Relativität und dort wird niemand ein Ingenieur, der nur glaubt, einer zu sein aber nicht dafür trainiert.“  Es lohnt sich die Frage zu stellen, was das ist, das nicht praktizieren will und wovor es Angst hat…

Praxis ist nichts anderes, als das, was passiert, wenn es passieren darf. Wann darf es passieren? Wenn die Notwendigkeit eingesehen wird. Wann wird die Notwendigkeit eingesehen? Wenn gesehen wird, dass ständig eingeschlafen wird. Was schläft ein? Das relative Bewusstsein, das sich mit Person und Körper identifiziert. Was praktiziert also? Das relative Bewusstsein, denn alles andere ist nur davon abhängige Erscheinung. Und was lehnt ab? Das mit dem Ego identifiziere relative Bewusstsein. Das war ein Beispiel dafür, wie man fragt und welche Antworten dann aufsteigen.

Das absolute Bewusstsein ist niemals identifiziert, es ist die stille Grundlage für das relative Bewusstsein, mit seinen Identifizierungen und Gedanken. In genau dieser absoluten Grundlage alles Relativen muss man sich verankern, wenn man still bleiben will. Es gibt Bewusstsein an sich, das immer still ist, es gibt den Container-Aspekt des Bewusstseins, der Inhalt enthält und den Identifizierungs-Modus, in dem das Bewusstsein mit seinem Inhalt identifiziert ist.

Was das Ganze so komplex macht, ist, dass hier mindestens zwei Ebenen gleichzeitig wirken, die sich gegenseitig durchdringen. Es ist eben nicht so, dass es nur Nicht-Dualität gibt – es gibt auch Dualität und doch auch nicht. Das ganze ist ein Haufen von verschränkten Paradoxien, die sich erst dann auflösen, wenn man beide Hälften gleichzeitig sehen kann.

Das Grundproblem der Paradoxien besteht darin, dass es sich um Wertepaare handelt, die immer gleichzeitig gültig sind. Daher kommen dann so Aussagen wie: „das ist so und gleichzeitig nicht so„. Man kann sich das vorstellen, wie einen Linearregler mit einer Skala von 0 bis 1 – und alle darauf vorkommenden Werte sind gleichzeitig gültig. Mit anderen Worten: Absolute Nicht-Existenz (0) und relative Existenz (1) sind immer gleichzeitig gültig – daher gibt es etwas und gleichzeitig gibt es das nicht – je nach Blickwinkel.

Alles, was erfahren wird, gibt es als reine, virtuelle, datentechnische Erfahrung an sich, die sich selbst erfährt. Aber nicht als faktische und feste Entität, die vom Rest des Datenstromes abgetrennt ist. In dem Glauben, abgetrennt zu sein, wird das Bewusstsein als Subjekt gesehen, das Objekte wahrnimmt. Tatsächlich ist Bewusstsein niemals von den Objekten getrennt. Soweit es hier gesehen werden kann, ist „das“ im Prinzip nichts anderes als ein sich selbst erfahrener Datenstrom.