Negativ oder positiv leben?

Gestern las ich irgendwo den Begriff „Positiv-Denken„. Das ist etwas, das mich früher immer aufgeregt hatte. Da ist eine Tasse und der Eine sagt, „sie ist halb-leer“ und ein anderer: „sie ist halb-voll„. Von dem Ersteren dachte ich, dass er das richtig sieht und vom Letzteren, dass er sich selbst manipuliert und bescheißt.

Heute Nacht konnte ich nicht so richtig schlafen, wahrscheinlich wegen des Vollmondes. Darum lag ich meistens wach im Bett und ruhte in der Stille. Plötzlich gab es innen eine Bewegung – und da kam mir die tatsächliche Bedeutung des Begriffes „Positiv-Denken“ hoch. Als ich das sah, tat es zuerst ziemlich weh, weil gesehen wurde, dass das Leiden letztlich auf meiner Unwissenheit basierte – WAS ICH WIRKLICH BIN – also letztlich selbst verschuldet war. Das ging eine Weile, bis innerlich „etwas zerriss“ – dann musste ich innerlich so laut lachen, dass ich ein äußeres Lachen kaum verkneifen konnte.

Hier muss ich jetzt etwas ausholen. Seit ich denken kann, erlebte ich das Leben nicht freudig, sondern als Qual. Entweder gab es Schläge und/oder Schimpfe oder die „lieben Kameraden“ hatten es wieder mal auf mich abgesehen. Außerdem hatte ich fast nie Freunde – außer einem – und niemand wollte mich irgendwo dabei haben. Meistens wurde ich weggebissen.

Das machte mir das Leben so zur Qual, dass ich mich bereits als kleines Kind mit dem Todes-Thema beschäftigte. Es gab mehr als genug Phasen in denen ich mich danach sehnte, nicht mehr hier sein zu müssen. Das führte in der Folge dazu, dass ich das Leben als lästige Pflicht ansah.

Platt gesagt fühlte ich mich als Opfer eines ungewollten, unfairen und quälerischen Lebens, das ich über mich ergehen lassen musste, ohne mich dagegen wehren zu können.

Ich wusste instinktiv, dass da noch etwas anderes war – aber ich konnte es nicht finden. Und so suchte ich schon relativ früh überall nach „DEM“, ohne zu wissen, was das war und ohne Erfolg. Vor allen Dingen suchte ich „außen“ und nicht „innen“ – und wie ich heute weiß, gibt es „außen“ kein Glück.

Was löste dieses Leid aus? Negatives Denken, negative Sicht, Hoffnungslosigkeit, Angst. Ich sah überall nur Angreifer, fühlte mich bei jeder Bewegung bedroht, fühlte mich betroffen, wenn irgendwo gelacht wurde – weil ich häufig ausgelacht wurde. Verlernte daher auch das unbeschwerte Lachen.

Mit anderen Worten wurde aus dem ursprünglich im Glück badenden Neugeborenen ein verkorkstes und unglückliches Menschlein, das wusste, dass es das fehlende Glück gab und schon gegeben hatte aber nicht wusste, wo und wie es wieder zu erlangen war.

Diese negative Grundeinstellung führte in der Folge dazu, dass immer noch mehr Negativität in diesem Leben auftauchte – sie wurde geradezu davon angezogen. Zwar wendete sich das Leben ab einem Alter von etwa dreiundzwanzig Jahren zum Besseren – aber nur deshalb, weil ich damals von zuhause auszog und relativ zurückgezogen lebte und wenig Kontakt nach außen hatte. Die Highlights waren das Kennenlernen meiner heutigen Frau, die Kinder und der Hausbau, den ich, bis auf einen Wochenend-Helfer alleine stemmte. Geld war sehr knapp, was dazu führte, dass ich sogar die Heizungsverteiler aus Fittingen selbst lötete. Do-It-Yourself extrem.

Dann kam noch im Alter von etwa 30 Jahren eine mehrjährige Kampfkunst-Ausbildung dazu, welche recht schnell zum Fall der Schlaghemmung führte. Ab diesem Moment gab es nie wieder körperliche Angriffe, denn offensichtlich hatte sich die ständig vorhandene Angst vor Schlägen verflüchtigt und damit auch die wie magisch davon angezogenen Schläger.

Aber die negative Grundeinstellung zum Leben blieb und hat sich nie wirklich verabschiedet. Sie zog sich nur in den Untergrund zurück, von wo aus sie weiter wirkte aber nicht mehr gesehen wurde.

Heute Nacht nun, als ich still da lag, kam urplötzlich etwas lange Vergessenes hoch. Ich konnte plötzlich wieder sehen, dass ich das Leben nicht liebe, sondern hasse, genauso, wie ich meinen Vater und die „lieben Kameraden“ hasste. Ich konnte sehen, dass ich aus diesem Gefühl heraus immer noch lieber tot wäre, als zu leben – obwohl es mir eigentlich nie besser ging. Dann sah ich plötzlich auch warum das so war: Der Glaube, dass ICH das kleine „ich“ bin, das alles wehrlos über sich ergehen lassen muss, führte zu purer Negativität, Ohnmachtsgefühlen, Angst vor Angriffen, Angst davor ausgelacht zu werden, Angst davor nicht angenommen und ausgestoßen zu werden, Angst davor alleine zu sein – und Angst vor der Angst. Das volle Programm. [Nachtrag: ich habe diesen Absatz jetzt bestimmt zehnmal gelesen – jedesmal kommen die Tränen hoch. Das ist eine Schlüsselstelle, die wie ein Katalysator wirkt.]

Als das klar gesehen wurde, drehte sich das plötzlich um und ich konnte aus der Perspektive der Quelle sehen, dass das Leben nicht als Pflicht und Last gedacht ist, sondern als Freude, als gelebte Liebe, als Abenteuerspielplatz, als bunte Spielwiese – geschaffen von MIR (ICH, „Gott“), für MICH SELBST. Ich konnte sehen, dass es „langweilig“ ist, viele Äonen einfach nur in der eigenen Machtfülle „dazusitzen„, ohne Gesellschaft, ohne Aufgabe, ohne Arbeit, ohne Not, ohne Herausforderungen und ohne Tod. Also habe ICH MIR „die Welt“ geschaffen, als Spiegelung MEINER SELBST im universellen Spielgrund MEINES Bewusstseins. Und darin viele kleine, virtuelle Wesen, die ICH verkörperte und animierte und durch die ich genau das fühlen konnte, was ICH vermisste: Leben, Lust, Arbeit, Kampf, Krieg – und Tod. Daher sagte Krishna in der Bhagavadgita zu Arjuna sinngemäß: „Kämpfe den notwendigen Kampf, denn Deine Gegner sind schon tot„.

Natürlich ist das nicht buchstäblich so gesehen/gefühlt worden, wie es im vorherigen Absatz beschrieben ist – es wurde „etwas naiv“ so interpretiert. Aber genau das wirkte, denn plötzlich konnte ICH MICH als „Gott“ sehen, der als dieser virtuelle Körper erschien, ihn animierte, sich selbst absichtlich vergaß und damit ein kleines „ich“ erschuf, das genau das Gegenteil des erschaffenden „Gottes“ war.

Mit anderen Worten, ich sah und fühlte, dass ICH alle geschehenen Erfahrungen genau so wollte. Wenn dieser Körper stirbt – dann „stirbt“ nur der Gedanke, das Datenobjekt, das diesen virtuellen Körper im Bewusstsein erzeugt, wird stillgelegt und archiviert. Aber das, was ICH BIN, ist ewig, unantastbar, raumlos, zeitlos, leidlos und todlos. Dafür ist da ewige Stille, Frieden und Glückseligkeit. Die waren die ganze Zeit schon da – aber eben auch die seit der Kleinkindzeit aufgebaute, unterschwellige Negativität.

Wahres „positives „Denken“ oder besser „positives Leben“ ist das SEHEN, WAS ICH WIRKLICH BIN. Und das Erkennen, dass ICH dieses kleine Wesen, mit dem ICH mich vorher identifizierte, genau so wollte und auch seine Erfahrungen. Aber alles, was geschehen ist, ist letztlich nur im Bewusstsein als Bewegungen und Erfahrungen erschienen – Datenverarbeitung. In dem, WAS  ICH BIN, ist gar nichts passiert. Da war vorher tiefste Stille, Frieden und Glückseligkeit – und die sind immer noch da und werden auch immer da sein.

Warum regte ich mich, wie oben beschrieben, früher immer über das „Positiv-Denken“ auf? Wegen der unterschwellig vorhandenen Negativität, die nicht zulassen wollte, dass etwas auch positiv gesehen werden kann. Wo Negativität ist, gibt es keine Positivität – allenfalls eine aufgesetzte.

An dieser Stelle möchte ich mich bedanken, bei dem Verfasser des gelesenen Begriffes „Positiv-Denken„, denn der war der Auslöser für das hier Beschriebene. Wie ich im vorherigen Beitrag schon sagte, hilft einer dem Anderen, auch, wenn er es vielleicht nicht weiß.

Warum? Weil das gleiche ICH durch alles wirkt und wenn etwas nicht innen gesehen werden kann, kommt etwas von außen, was geeignet ist, das innere Sehen auszulösen. Hier sind nicht viele Wesen – hier ist nur EIN WESEN, das eine virtuelle Vielheit in seinem Bewusstsein erzeugt und unterhält.

Nach dem Verfassen des Beitrages „Reaktivität“ kam eine Mail, in der der Mailschreiber angab, dass sie genau zum richtigen Zeitpunkt hier im Blog erschien, denn er wäre gerade in der Auflösungsphase einer langjährigen Partnerschaft – und da wären überall schmerzhafte Tretminen, die das Ganze noch viel schlimmer machten, als es ohnehin schon ist.