Denken zerreißt die Einheit

Das Denken hängt Label an die Erscheinungsformen des Einheits-Kontinuums: Eiche, Buche, Haselnuss, Hund, Pferd, Mensch, Mann, Frau, Kind, notwendig, überflüssig, gut, böse

Damit wird das einheitliche Kontinuum, wie es von der Quelle oder dem SELBST erzeugt wird, in einzelne Objekte und Vorgänge zerrissen. Wir sehen DAS und machen daraus: „Ein Auto, das von ‚mir‘ bei Sonnenschein über eine Landstraße gesteuert wird, die durch grüne, saftige Wiesen und Wälder verläuft.“ Für die Kommunikation mit anderen Menschen ist das unumgänglich. Für das Verstehen der Natur der Realität ist es aber tödlich.

Denken tötet die Einheit aus zwei Gründen:

  1. Innere und äußere Worte töten die Einheit, indem sie das Ganze durch Benennung in einzelne Teile zersplittern, die anschließend nicht mehr als Einheit und Ganzes erkennbar sind. „DAS“ ist ein Ausdruck für Einheit – „Baum“ oder „Mensch“ nicht.
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  2. Der ununterbrochene, chaotische Gedankenfluss, der Affen-Verstand, tötet die Einheit, indem er als undurchdringlicher Vorhang dient, welcher die tiefe Stille und Unbewegtheit mit Lärm und Bewegungen verdeckt. Gelegentliche, vereinzelte Gedanken, die aufsteigen und sofort wieder verschwinden sind damit nicht gemeint – sondern der ununterbrochene, dichte und chaotische Gedankenstrom, der bereits mit dem Aufwachen beginnt und erst beim Einschlafen wieder endet.

Man muss nicht unbedingt einen stillen Verstand haben – es reicht, die Gedanken vorbei ziehen zu lassen, ohne sich daran zu hängen. Das aber nur zu verstehen und darüber zu sprechen reicht keineswegs. Das Mindeste, was erreicht werden muss, ist die zwanghafte Anhaftung an die Gedanken zu zerstören, so dass sie vorbei fließen können, ohne einzuhaken, sie zu interpretieren und zu beurteilen.

Wer das beherrscht, der kann auch die Stille finden, die unter diesem Strom liegt. Wer das aber nicht beherrscht, der ist Sklave seiner eigenen, zwanghaften Gedanken und völlig unfähig, zu verstehen, was Einheit ist – weil diese in jeder Sekunde durch seine Gedanken bis zur Unkenntlichkeit zerrissen wird.

Solch ein Mensch erlebt dann auch eine durch Gedanken getaktete Zeitreihe einzelner Momente – die nur durch den Gedankenfluss verbunden sind. Wer dagegen einen ruhigen Verstand hat oder wer den Gedankenfluss beobachtet und ohne einzugreifen oder den Gedanken zu glauben, vorbeiziehen lassen kann, der erlebt einen einzelnen, ungetakteten, ewig-zeitlosen Moment, mit wechselndem Inhalt – wie der unberührte Betrachter in einem Kino.

Dieser ewige Moment ist ein natürlicher Anker im Strom der Geschehnisse, der verhindert, dass das Bewusstseins-Schiff von den wilden Wassern mitgerissen wird. So einer ist wie die Brücke direkt vor dem Rheinfall bei Schaffhausen. Er sieht die Gedanken, Geschehnisse, Menschen – aber er ruht dabei still und unverrückbar in sich selbst.

Der Unterschied liegt darin, dass im Falle des Zerrissen-Seins, aufgrund der Identifikation mit „Ich“ und „Verstand„, der Fokus der Aufmerksamkeit im Gedankenstrom gründet und mitgerissen wird (Autofahrer im dichten Stadtverkehr). Im Falle des stillen Bezeugens ist der Fokus außerhalb des Gedankenstromes unverrückbar gegründet und sämtliche Bewegungen werden als stiller, feststehender Beobachter derselben erlebt (Daneben stehender Beobachter des dichten Stadtverkehrs).

Das ist damit gemeint, dass man den Fokus des Bewusstseins umdrehen muss, vom Inhalt auf den Behälter. Der Inhalt bewegt sich ununterbrochen, der Bewusstseins-Behälter niemals. Wer den Inhalt fokussiert und sich damit identifiziert, wird daher mitgerissen und ist unruhig. Wer den Behälter fix fokussiert, ist die ewige Stille und Unbewegtheit. Der Unterschied ist minimal – aber die Auswirkungen sind gigantisch – und das resultierende Lebensgefühl ist diametral anders.

Der Mitgerissene sieht sich als Opfer und die Anderen als Täter. Der Stillstehende sieht das Leben und die Erscheinungs-Welt als unveränderbare Einheit, die keine feststellbare Ursache hat und daher so hinzunehmen ist, wie sie ist. Im ersten Fall ensteht beinahe zwangsläufig Leiden, kombiniert mit dem Wunsch nach Veränderung – im zweiten Fall Freude, aufgrund des Sehens des Einheitskontinuums. Der Erste erlebt einen Real-Life-Horrorfilm und der Zweite einen abenteuerlichen Freizeitpark, in dem der Tod seinen Schrecken verloren hat, weil es nur Leben gibt, das ununterbrochen seine Erscheinungsformen wechselt – wie die Akrobaten und Clowns im Zirkus.

Das zu sehen, bedeutet aber nicht, zu wissen, wie ein anderer Mensch dahin gebracht werden kann, das auch so zu erleben. Das ist der Grund dafür, dass selbst große Mystiker, wie Maharshi oder Meister Eckehart, zwar darüber sprechen konnten aber keine identisch erleuchteten Nachfolger hervor brachten. Dieser Schritt ist distanz- und zeitlos und daher akausal und nicht produzierbar.

Aus diesem Grund lehne ich sämtliche Veränderungs-Lehren und Systeme ab, da sie oft nur den Werdegang eines Menschen beschreiben, ohne aber die wichtigen Übergangsschritte exakt benennen zu können – was es unmöglich macht, sie sicher nachzuverfolgen. Es wird dann oft gesagt: Du musst dies und das tun – und dann musst du auf die ‚Gnade‘ warten. Aber wenn Du fleißig warst und bist, kommt die Gnade ganz bestimmt… BlaBla. Das wird auch einem Kind gesagt, das darauf wartet, an Weihnachten beschenkt zu werden.

Was hier oft nicht gesehen wird, ist, dass jeder Mensch ein einzigartiger Ausdruck der Einheit ist und daher muss auch seine Verwirklichung der Einheit genauso einzigartig sein. Ist sie das nicht, kann es sich nur um eine schlechte Kopie eines einzigartigen Menschen handeln. Es gibt so viele Wege zur Einheit, wie es Menschen gibt. Es gibt daher weder Abkürzungen, noch Verlängerungen oder Umwege – sondern nur das, was einem Menschen passiert – oder besser: was ALS ein Mensch passiert.

Daher können auch keine zwei Lebens-Wege verglichen werden. Es ist in jedem Falle die Einheit selbst, welche das Leben der Menschen entfaltet. Jeder Mensch ist somit das dynamische Ergebnis der Funktionen der Einheit und keinesfalls eine selbstständige Entität. Ein Mensch ist eher ein Funktionieren, Ereignen, Entfalten – also eher ein Verb, als ein Substantiv namens „Mensch„. Daher ist die Annahme einer unabhängigen Entität ein Fehler, der in der Folge zu der zerrissenen Weltsicht führt und zur Erfahrung von Schmerz und Leid, aufgrund der angeblich feindlichen Umwelt.

Warum? Beispiel: Wenn „ich“ unabhängig bin, müssen auch „alle anderen“ unabhängig sein und daher sind die Menschen in Deutschland schuld, dass die Politik so ist, wie sie ist. Das ist falsch! Die Menschen sind so, wie sie projiziert werden und damit ist auch die Politik und die Gesellschaft zwangsläufig so, wie sie sind. Es gibt weder Täter, noch Unterlasser und damit auch keine Schuldigen und Unschuldigen. Es gibt nur DAS – und DAS ändert sich ständig.