Erfahrung

Ohne handfeste Erfahrung, wer man wirklich ist, nutzt alles Wissen nichts. Was nutzt es, mental zu wissen, „dass da kein Ich ist“ wenn die Vorstellung, dass da eines ist, unverändert besteht? Was nutzt es, mental zu wissen, „‚Ich‘ bin nicht der Körper„, wenn diese Vorstellung weiter besteht? Nichts.

Um das wirklich zu wissen, muss die Erfahrung da sein. Und wenn sie fehlt, kann man sprechen, als wüsste man – aber jeder Satz, der aus so einem Menschen heraus kommt, zeigt glasklar sein faktisches Unverständnis. Das lässt sich nicht verbergen, denn in der Sprache taucht immer deutlich sichtbar auf, auf wen sich das Gesprochene bezieht, nämlich immer auf das scheinbare Subjekt.

Über die tatsächliche Subjektivität lässt sich nämlich gar nichts sagen. Jeder kann sie nur für sich selbst erfahren, als „ich selbst„. Es ist aber unmöglich, das in Sprache zu transformieren und zu einem scheinbar anderen zu transportieren. Wenn zum Beispiel einer zu einem anderen sagt, „Du gehst krumm, geh aufrechter“ – dann wird deutlich, dass er zum Körper-Ich spricht – und nicht zur Subjektivität, in der der Körper auftaucht.

Aber wie will ein Körper etwas tun, wenn nicht die steuernde Kraft, die es ihm zu tun ermöglicht, ihn tun lässt? Und wie will einer etwas tun, wenn die momentane Umgebung und Situation das nicht zulässt? Jeder Ratschlag, wie einer sein Leben besser oder effektiver lebt, ist zwangsläufig von dieser Art. Denn es gibt schlicht und einfach niemanden, der sein eigenes Leben lebt. Jedes Schein-Wesen wird gelebt und wenn in diesem Schein-Wesen ein Gefühl auftaucht: „Ich bin dieser Körper“ – dann ist das eine Täuschung, die auf gewissen körperlichen Verspannungen basiert und darauf, dass die eigene Subjektivität, das eigene bewusste Sein, das Bewusst-Sein, nicht bewusst erfahren wird.

Wenn diese Erfahrung, bewusst das Bewusst-Sein zu sein, nicht ununterbrochen gemacht wird, dann fällt man auf das herein, was sonst noch gefühlt wird – und das sind die Gedanken, Emotionen und Gefühle, die in dem Körper entstehen, mit dem man sich verwechselt. Das ist aber nur Inhalt des Bewusst-Seins und nicht das Bewusst-Sein selbst. Zwar lässt sich dieser Inhalt faktisch nicht vom Behälter trennen aber wenn man die Aufmerksamkeit auf sich selbst richtet (das Bewusst-Sein), dann wird sehr deutlich, was ICH BIN und was nur Inhalt ist.

In diesem Erfahrungswissen, „ICH BIN“, das ununterbrochen gemacht wird, zu verweilen, ist gelebte Praxis. Und diese Praxis, dieses ständige „ICH SELBST SEIN“, bewusst das Bewusst-Sein zu sein, ist gleichbedeutend mit: im Moment gegründet zu sein, Stille zu sein, Frieden zu sein, Glück zu sein, Liebe zu sein, Leben zu sein

Einer, der diese Erfahrung wirklich macht, kann unmöglich versuchen, sein Leben anders zu gestalten oder anderen das zu raten – ganz einfach deshalb, weil er ununterbrochen realisiert, dass das nicht „sein Leben“ ist, sondern dass „dieses Lebenin ihm erscheint und vergeht. Er realisiert, dass er das Leben IST, das diese Erscheinungen hervorbringt. Was ist dann noch zu tun? Nichts. Denn alles geschieht ohnehin von selbst. Oder hast Du Dich konstruiert und geboren, schlägst Du Dein Herz und atmest Du Dich? Und wer macht das, wenn Du schläfst?

Wer diese Erfahrung, bewusst das Bewusst-Sein zu sein, aber nicht macht, der wird immer versuchen, „sein Leben“ so zu führen, dass er es als angenehmer, lebendiger, aktiver, besser empfindet. Mir wird immer klarer, dass man so einem Menschen nicht helfen kann, weil er felsenfest und unverrückbar glaubt und fühlt, dass er es ist, der dieses Leben lebt und dass er dafür verantwortlich ist, wie es ist und was er tut und lässt. So jemand wird dann auch die „anderen Menschen“ bewerten und kritisieren, die nicht so leben, wie „er„, denn „die leben ja alle falsch„. Das ist so, weil jeder „die Welt“ und „die Anderen“ durch „die gleiche Brille“ sieht, mit der er auch sich selbst sieht. Sieht er sich als Bewusstsein, ist alles Bewusstsein. sieht er sich als festen Körper – sind da überall feste Körper in einer festen Welt.

Es ist faktisch unmöglich, das Jemandem nahe zu bringen, weil es zwangsläufig dessen ständigem Lebens-Gefühl und Glauben widerspricht, was er „ganz offensichtlich“ ist. Und jeder, der das ganz Offensichtliche und allgemein Akzeptierte negiert, muss zwangsläufig ein Spinner und Ver-Rückter sein.

Es gibt schlicht und einfach niemanden, der aus sich selbst heraus lebt und sein Leben in seine eigenen Hände nehmen kann. Das ist die große Lüge, die praktisch alle Menschen leben – und das liegt daran, dass es so aussieht, als wäre es so und dass „alle anderen“ das gleiche glauben und leben. Massen-Hypnose.

Dabei ist es so einfach…