Der Sterbevorgang

Ich habe seit Monaten häufiger mit stark alternden und sterbenden Menschen zu tun. Was mir dabei auffällt, ist, dass die Körper dieser Menschen langsam zerfallen. Eine Funktion nach der anderen lässt nach und gibt schließlich ganz auf.

Aus der Familie hörte ich dann immer die Frage, was man da noch machen könne und immer wieder die Hoffnung, dass das vielleicht wieder besser wird, zum Beispiel nach einem Krankenhausaufenthalt. Aber das traf nie zu.

Ich habe am Anfang immer wieder gesagt, dass das ein natürlicher Vorgang ist und dass das so sein muss, denn ansonsten würde der Körper ja nicht sterben, sondern ewig leben.

Mittlerweile spare ich mir die Einwände, denn sie können und wollen das nicht sehen. Sterben bedeutet den Zerfall, eines vorher intakten Objektes oder Konglomerates. Und das ist nicht etwas, was man beeinflussen kann, sondern das geschieht aus sich selbst heraus, wenn sich die Lebensenergie aus den entsprechenden Objekten und Objektgruppen zurück zieht.

Das Unverständnis dieses Vorganges hängt damit zusammen, dass nicht verstanden wird, wie Leben geschieht, wo die Objekte herkommen und wohin sie verschwinden. Wenn man sich selbst als solch ein autarkes Objekt betrachtet, dann wird man automatisch auch alle anderen Objekte als autark und aus eigener Kraft lebend ansehen. Dann wird man auch versuchen, Energie zu mobilisieren, sich einzubringen und sein Bestes zu tun, um zum Ganzen beizutragen – was aus Sicht eines scheinbar autarken Menschen auch ganz natürlich ist.

Aber: Geburt geschieht, Leben geschieht, Sterben geschieht, Verwesen geschieht.

Wo bleibt da die Lebens-Perspektive? Die besteht aus Worten und die kommen aus dem Verstand. Es gibt kein autarkes Leben und daher auch keine Lebensperspektive, die ein Scheinwesen haben könnte. Es gibt nur Bewusstsein und einen ablaufenden Film im Bewusstsein – und darin gibt es Menschen, die meinen, sie könnten dem Gruppen-Film entrinnen, indem sie sich ihren eigenen, persönlichen Film basteln. Aber das ist nur eine Vorstellung – du als Mensch wirst geboren, du wirst gelebt und du wirst gestorben – im Bewusstsein, das DU bist.

So langsam wird mir der Unterschied zwischen Brunton und Maharshi immer klarer. Maharshi konnte all das sehen und ließ den Film einfach durchlaufen. Brunton musste zwanghaft versuchen, seinen eigenen Film zu basteln – weil er nicht tief genug sehen konnte. Er konnte nicht glauben, dass die einzige Perspektive der Tod ist und nicht ein erfülltes Leben. Aber am Ende steht immer der Tod, der das Ende dieses Filmabschnittes markiert und er radiert alles aus, was vorher war.

Wie man so schön sagt: Das letzte Hemd hat keine Taschen – weder für Geld, noch für Erinnerungsfotos.

Selbst die besten und schönsten Monumente und Kunstwerke der größten Menschen, die jemals gelebt haben, zerfallen im Laufe der Zeit zu Staub. Wo sind diese Menschen und wo ist das, was sie getan haben? Und weiß noch jemand davon?

Es ist sehr einfach: Das Ego oder die Ich-Person will nicht sterben, daher gibt es sich und seinem angeblichen Leben eine künstliche Bedeutung, einen Sinn. Mehr ist nicht dahinter. Das hört man auch aus der Psychologie und Philosophie: „Du musst Deinem Leben selbst eine Bedeutung, einen Sinn geben.“ Und warum? „Damit Du nicht an der Perspektivlosigkeit zerbrichst.

In jedem Menschen ist ein tiefes Loch – in Wirklichkeit ist er dieses tiefe Loch, diese Leere. Aber wenn er nicht weiß, dass er das ist und dass das alles ist, was existiert, dann versucht er zwanghaft dieses Loch mit allerlei Aktivität und Sinnhaftigkeit zu füllen. Aber da hat er Zeit seines Lebens zu tun, denn alles, was er in dieses Loch wirft, verschwindet spurlos. Daher auch das ständige Bestreben zu tun und zu machen. Antrieb ist die Angst.

Wer als das stille Bewusstsein lebt, braucht keine Perspektive und muss keine Energie zu mobilisieren, um irgend etwas zu tun. Er braucht einfach nur still und selig in sich zu ruhen und wird erleben, dass die Dinge aus sich selbst heraus geschehen. Da bleibt nichts ungetan, was getan werden soll. Und der Rest, das Engagement? Worte.

Anbei einige Links, die sich mit Sinnfindung beschäftigen. Man merkt sofort, worum es dabei wirklich geht: Verhinderung der Bewusstheit von Sinnlosigkeit.

Meine Antwort auf die Frage nach dem Sinn:
Erkenne, was Du bist und halte daran fest.