Der Grundzustand

Wahrnehmungen, wie Objekte, Verstand, Gedanken, Gefühle und Emotionen erscheinen als Bewegung innerhalb eines Ozeans an Ruhe, Stille, Frieden und Unbewegtheit. Der zwanghafte Blick auf diese Bewegungen bildet eine Art Deckel oder Sperrschicht über dieser stillen, friedlichen Grundzufriedenheit.

Wenn hier darüber gesprochen wird, dass eine grundlegende Zufriedenheit, ein tiefer Frieden und Stille vorhanden ist, dann ist das identisch mit dem bewussten Verweilen in diesem Zustand – der jedem Ausdruck und jedem Wesen zugrunde liegt. Ich spreche in diesem Zusammenhang auch oft davon, im ewigen Moment gegründet zu sein – was exakt das gleiche aussagt.

In diesem Zustand seiend, gibt es faktisch keine Möglichkeit unzufrieden zu sein, denn Unzufriedenheit ist eine gedankliche und emotionale Bewegung, die innerhalb der Zu-Frieden-heit und Stille auftaucht. Ohne gedankliche und emotionale Bewegung gibt es daher weder verbal-gedankliche Kritik, noch Annahme oder Abwehr.

Das bedeutet aber natürlich nicht, dass es keine impulshaften Reaktionen mehr gibt, also Zorn oder Wut auf irgendwelche Außenreize. Wenn es zu Ablenkungen von diesem Grundzustand kommt, dann kann das selbstverständlich dazu führen, dass solche Affektreaktionen ausgelöst werden.

Nochmal: Der Grundzustand an sich, ist still, leer, friedlich und unbewegt.

In diesem Grundzustand entsteht Bewegung (Wahrnehmung, Gedanke, Emotion, Gefühl) und wenn die Aufmerksamkeit sich vom Grundzustand ab und auf die Bewegung richtet, dann ist das eine Ablenkung oder Überlagerung des immer vorhandenen Grundzustandes und dann kann es zu jeder beliebigen Reaktion kommen – wie sie in der Psyche des jeweiligen Menschen angelegt ist.

Wer sich aber nicht von der stillen, friedlichen Unbewegtheit des leeren Bewusstseins ablenken lässt, der kann unmöglich irgendeine Reaktion zeigen, die auf Bewegungen innerhalb des Bewusstseins zurückzuführen ist.

Wer sich nicht ablenken lässt, der ist ohne jede Mühe, ohne auch nur einen Finger zu rühren, innerlich still, friedlich, zufrieden und glücklich. Es ist ein stilles, selbstgenügsames Glück, eine stille Freude am Da-Sein an sich, das keinerlei äußere oder innere Voraussetzungen hat. Vielmehr ist die Leere, Ruhe und Stille die Voraussetzung für das Erscheinen von Bewegung, ihr unsichtbarer Hintergrund.

Diese Erfahrungen kann jeder machen, denn zwischen jedem Gedanken und jeder Emotion ist immer eine winzige Lücke, die es grundsätzlich ermöglicht, die stets vorhandene Stille zu erfahren. Es muss also nichts getan werden, um in diesen Grundzustand zu kommen – lediglich der Blick muss sich von Bewegung weg und hin auf Stille orientieren.

Ein tiefer See, still und friedlich,
Plopp – ein Stein fällt hinein;
Die Oberfläche bewegt sich,
Die Tiefe bleibt still und rein.

Genau so ist das hier und das hat nicht das Geringste mit einem „besonderen Zustand“ zu tun – es ist vielmehr die Grundlage jedes Zustandes und jeder Bewegung. Es gibt hin und wieder auch noch energetische Entladungen, die das Rückgrat hinauf schießen und sich im Hirn entladen, was zu rauschhaften Zuständen führt. Das ist aber nur temporär und nimmt tendenziell ab. Der Grundzustand ist aber immer da und spendet das immerwährende, stille Glück des reinen, friedlichen Da-Seins. Wer bewusst da drin ist und sich dort fest hält und nicht ablenken lässt, der ist grundlos glücklich, egal, was auch passiert.

Allerdings ist völlig klar, dass jemand, der in seinem Verstand fest hängt, weil Bewusstsein und Aufmerksamkeit auf Bewegung gepolt sind, das als Märchen abtun muss, weil er diesen Grundzustand, in dem auch er ständig ist, nicht bewusst erfährt und daher nicht kennt.

Der einzige wirkliche Unterschied ist die Grundausrichtung des Bewusstseins und der Aufmerksamkeit: Stille oder Bewegung. Es ist nur eine winzige Verschiebung oder Drehung aber es macht den Unterschied aus zwischen chaotischem Normalzustand und stiller, friedlicher Glückseligkeit – so klischeehaft sich das auch anhört.

Der chaotische Normalzustand führt unter anderem zu zwanghafter Tätigkeit und Rastlosigkeit, die gerne als „Lebendigkeit“ verkauft wird. Wahrhafte Lebendigkeit, die aus tiefster Ruhe, Stille und Frieden besteht, wird dann auch gerne als „Schlafmützigkeit“ und „Vermeidungshaltung“ bezeichnet. Auch ich verurteilte die „ewige Ruhe und Glückseligkeit„, in der manche Menschen sich angeblich befinden sollen, vor meinen eigenen Erfahrungen als falsch, Täuschung oder schlicht als Lüge. Ich kenne also beide Seiten aus eigener Erfahrung, daher kann ich das beurteilen.

Über 50 Jahre lang habe ich rastlos nach etwas gesucht, von dem ich nicht einmal wusste, was es war. Ich hing im chaotischen Verstand fest und wusste nicht wirklich, was Ruhe, Stille und Frieden ist. Nach einer Serie von tiefgreifenden Erfahrungen, die vor vier Jahren spontan erschienen, änderte sich das aber grundlegend, denn plötzlich war die Stille immer im Vordergrund und alles andere erschien deutlich sichtbar in ihr. Seitdem ist mein Grundgefühl und meine Art zu Sein, so, wie es in diesem Beitrag beschrieben wird. Ich erkannte und begriff das alles aber erst im Laufe der Zeit.

Es ist sehr deutlich sichtbar, dass es sich dabei um den Normalzustand handelt und nicht um einen „Ausnahmezustand“ oder „Erleuchtung„, denn jedes andere Wesen existiert genauso darin. Nur sind die weitaus meisten Menschen nicht in der Lage, sich an Stille festzuhalten, weil sie buchstäblich wie „nichts“ wirkt (Unbewegtheit, leeres Bewusstsein), sie aber zwanghaft immer auf „etwas“ schauen (Bewegung, Objekt). Es ist wirklich nur die Blickrichtung, die diesen gigantischen Unterschied ausmacht. Aber ich habe nicht die geringste Ahnung, wie ich das jemandem vermitteln soll – es erscheint mir unmöglich.