Der innere Antreiber

Wann tut ein Mensch etwas? Wenn in ihm eine gewisse Reiz-Schwelle überschritten wird. Das kann Hunger oder Durst sein, dann steht der Körper auf und macht sich etwas zu essen. Oder es besteht ein aktueller Informationsbedarf, zum Beispiel die Reparaturanleitung für ein defektes Gerät, dann geht man an den Rechner und sucht im Internet. Es gibt aber auch Bedürfnisse, die erst durch das Denken geweckt werden. Aus Beobachtungen an mir selbst und auch an anderen weiß ich sehr genau, wie das abläuft:

Es kommen immer wieder Gedanken hoch, die sich mit einer scheinbar interessanten Idee beschäftigen. Je öfter das geschieht, umso mehr gewöhnt man sich daran und umso mehr verdichtet sich die Idee zu einem Bedürfnis. Was vorher nur ein flüchtiger Gedanke war, der bei Nichtbeachtung einfach vorbei gehuscht wäre, ist nun ein handfester Bedarf. Solange es sich dabei um eine Vereinfachung des Lebens handelt, zB ein Werkzeug oder eine Vorrichtung, die ständig anfallende Arbeiten vereinfacht und erleichtert, und die mit wenig Aufwand umzusetzen ist, spricht ja nichts dagegen. Aber oft sind solche Ideen einfach nur überflüssig und ihre Verfolgung erleichtert das Leben nicht, sondern verkompliziert es.

Ein anderer Antrieb sind Gefühle – zum Beispiel Liebe zu einer Frau oder einem Mann. Dann kommen Ideen auf, wie man dem Anderen gefallen könnte, was man tun könnte, um den Anderen auf sich aufmerksam zu machen. Oder man will unbedingt ein bestimmtes, sehr teures Auto haben, obwohl man schon eines hat, das noch gut funktioniert. Dann wird man beginnen zu sparen oder einen Kredit aufnehmen – und sich den Arsch dafür aufreißen.

Oder man erkennt, dass die Welt nicht so ist, wie man sie sich vorstellt, das politische System ist ungerecht, läuft in „die falsche Richtung“ oder das Geldsystem ist ein Falschgeldsystem, der Führer des Landes ist korrupt oder arbeitet eindeutig fremden Mächten zu. Dann kommen sehr schnell Gedanken auf, wie: „Da muss man doch etwas tun! Das kann man doch nicht so lassen! Was sind das denn für Arschlöcher, diese Deutschen! Ich muss protestieren, Leserbriefe schreiben, eine Partei gründen, Bundeskanzler werden.“ Und so weiter…

Ich denke, dass mittlerweile jeder sehen kann, was der innere Antreiber ist: Es sind Gedanken – unterstützt und getriggert von Gefühlen – was immer noch weitere Gedanken der gleichen Art erzeugt, die wiederum die entsprechenden Gefühle triggern und diese starten noch mehr dieser Gedanken. Das ist ein sich selbst erhaltendes und verstärkendes System, das, wenn man nicht eingreift, bis zur Selbstzerstörung führen kann.

Was passiert nun bei echten, wirklich transformierenden Erkenntnis-Erfahrungen? Die Vorherrschaft des Denkens stirbt, innerhalb eines Augenblickes. Der Zwang zu denken fällt weg. Alle zwanghaften Gedanken sind plötzlich weg. Es wird still. Die vielen Stimmen im Kopf, die vorher dafür sorgten, dass man ein „guter Deutscher“ ist, regelmäßig zu Vereinsversammlungen geht und sich engagiert, dass man Leserbriefe schreibt und sich einmischt – alles weg. Nur STILLE und FRIEDEN bleibt übrig.

Man erkennt plötzlich, dass man vieles, das man jahrelang gewohnheitsmäßig getan hat, gar nicht mehr braucht. Wie wenn ein Angehöriger zu einem alten Menschen kommt, und sieht, dass der eine Unmenge von Arzneien einnimmt – obwohl er gesund ist. Auf Nachfrage kommt dann heraus, dass sie im Laufe von Jahrzehnten vom Arzt verschrieben wurden, als Medizin für akute Erkrankungen. Aber nach Abklingen der Erkrankung wurden die Medikamente immer weiter genommen – weil der Mensch dachte, dass er sie braucht: „Der Arzt hat doch vor 15 Jahren gesagt, dass ich das nehmen soll…

Wenn also die antreibenden Stimmen im Kopf weg sind, dann fällt plötzlich auf, dass einiges, was man gewohnheitsmäßig tut, völlig unsinnig ist, dass man das gar nicht (mehr) braucht und dass es einem ohne viel besser geht. Also tritt man aus Vereinen aus, geht nicht mehr zu irgendwelchen Festen oder Veranstaltungen und bleibt einfach zuhause oder geht stattdessen in der Natur spazieren. Damit fallen Streitereien mit Vereinsmitgliedern weg, man regt sich nicht mehr auf, dass der Kassier Geld veruntreut hat – weil man es gar nicht mehr erfährt. Und so weiter.

Natürlich kann jetzt eingewendet werden, dass das falsch ist, dass man doch leben sollte, dass man doch teilnehmen sollte am gesellschaftlichen Leben. Meine Gegenfrage ist: Wozu? Was bringt mir das, wenn das Schönste, was es gibt, schon da ist und ich niemals mehr Glück und Frieden erfahren kann, als ich schon habe? Ich könnte auf der Stelle sterben und zwar ohne Wehmut, dass es noch so viel gibt, was ich gerne gemacht hätte. Es gibt nichts, was mich noch lockt! Nichts, absolut NICHTS!

Mit anderen Worten: wenn die inneren Antreiber fort sind, auf Nimmerwiedersehen verschwunden, dann wird es still und das Leben wird einfach und überschaubar. Dann gibt es nur noch einatmen, ausatmen, essen, trinken, ausscheiden, gehen, sitzen, liegen, schlafen – und die notwendigen Dinge zu erledigen. Alles andere, alles Zusätzliche – das durch Gedanken, innere Stimmen, innere Antreiber, implantiertes schlechtes Gewissen getriggert und forciert wurde, ist weg und kommt auch nicht mehr.

Und jetzt kommen wir zu den Religionen: Dem Buddhismus ist aus seiner langen Geschichte bekannt, dass jemand, der transofmierende Erleuchtungserfahrungen (Satori) hatte, eine grenzenlose Freiheit im Geiste erlebt und ein Empfinden von Glück und Zufriedenheit – und dass er die Tragweite der realen Ichlosigkeit begreift, was zu Desinteresse  an der Welt und zu Gleichgültigkeit führen kann. Um das zu verhindern und um diese Menschen dauerhaft an die Gesellschaft zu binden, pflanzt man ihnen durch ständige Wiederholung und intensives Studium, Verhaltensregeln ein, an die sie sich halten müssen, wenn sie gute Buddhisten sein wollen.

Das ist bewusste und vorsätzliche Gehirnwäsche. Du darfst Erleuchtung erfahren, Du darfst die grenzenlose Freiheit erfahren – aber Du wirst immer ein schlechtes Gewissen haben, wenn Du diese Freiheit nicht zum Wohle der Gesellschaft nutzt. Auf gut deutsch: Du siehst alles, Du siehst sehr viel mehr, als alle Normalos zusammen, Du erkennst die Unsinnigkeit und Sinnlosigkeit des Versuches, „die Welt zu retten“ aber Du musst es tun, sonst macht Dich Dein, vorsätzlich vom buddhistischen Lehrsystem eingepflanztes, schlechtes Gewissen fertig.

Wenn das fehlt, dann machst Du ganz einfach nichts, wenn es nichts zu tun gibt und Du fühlst Dich hervorragend dabei. Nichts fehlt, nicht das kleinste bisschen, Du bist einfach nur zutiefst zufrieden – im Frieden mit Dir selbst. Besser kann es einem nicht gehen!

Warum zum Teufel, soll sich so jemand, dem nichts fehlt, der zwar sieht, in welchem Zustand die Welt ist aber gleichzeitig auch sieht, dass das so sein muss und niemals anders sein kann – wieso soll sich so jemand den Arsch aufreißen und versuchen die Welt zu retten, wenn er ganz genau weiß, dass er das nicht kann?

Ein Buddhist würde sagen: „Das ist Deine Pflicht“ – ich würde entgegnen: „Dann strenge Dich doppelt an, damit Du meine Untätigkeit ausgleichen kannst, denn das ist schließlich DEINE Pflicht.“ Das gilt selbstverständlich nicht für sinnvolle und konkrete Hilfe im Moment – da gibt es keine Überlegung – jemand fällt hin und automatisch schnellt meine Hand vor und stützt ihn oder hilft ihm auf. Das geschieht von selbst.

Aber: Die Welt retten? Das politische System erneuern? Ein neues Geldsystem einführen? Die Korruption in der Politik bekämpfen? Alles dafür tun, dass es allen Menschen gut geht? Den Hunger in der Welt bekämpfen?

Wenn die geistige Hyperintelligenz, die diese Welt dynamisch projiziert und wieder zurück zieht, das wollte, dann hätte sie das so eingerichtet. Sie will aber etwas anderes, nämlich genau das, was da ist. Und dieser kleine Arsch hier, mit lediglich zwei Händen und Füßen soll diese Unmenge an scheinbarem „Falschsein“ berichtigen?

Lächerlich! Es ist viel einfacher und effektiver, diese Dinge als Gegebenheiten, als „So-Sein“ zu akzeptieren und nur das zu tun und bei dem zu helfen, was mir gerade über den Weg läuft. Und da meine Wege sehr kurz sind und üblicherweise immer die gleichen – läuft mir sehr wenig über den Weg. Und da ich bemerkt habe, dass es sehr viel ruhiger in mir ist, wenn ich nicht weiß, was so in der Welt passiert – ignoriere ich alles, was mich nicht direkt angeht, indem ich keinerlei Nachrichten mehr konsumiere. Ergebnis: Leiden=Null, Schmerz=Null.

So lebt es hier: „Gib mir die Gelassenheit, Dinge hinzunehmen, die ich nicht ändern kann, den Mut, Dinge zu ändern, die ich ändern kann, und die Weisheit, das eine vom anderen zu unterscheiden.“ Was kann ich ändern? Überwiegend nur meine Reaktion auf die Welt – aber niemals die Welt selbst.

Aus diesem Lebensgefühl heraus, aus diesem Wissen und dieser Erfahrung heraus, aus tiefster STILLE heraus sage ich: Gehe nach innen, werde still und finde dort Deinen inneren FRIEDEN. Denn „außen“ findest Du nur Gruppenzwang, Falschheit, Lügen, Betrug, Korruption, Falschgeld, Mord, Totschlag [∞].

Das wird aber nur jemand tun können und wollen, dessen Verstand maximal beruhigt ist – oder der versucht, ihn an die Kette zu legen. Alle anderen werden zwangsläufig von ihren inneren Antreibern vorwärts gepeitscht und die finden dann ihre Befriedigung darin, sich den Arsch aufzureißen und sich maximal anzustrengen – weil sie dann von den gleichen Antreibern ein bisschen gelobt werden, was sie als Lebensfreude interpretieren – nur um in der nächsten Minute erneut angetrieben zu werden, denn das geht doch ganz bestimmt noch besser. Genau das gab es hier früher auch – heute aber nicht mehr. Dieser Automatismus, dieser Zwang ist tot.