Doppelleben

Heute Nacht kam eine Email herein, von jemandem, der mir ab und zu schreibt. Er meinte wörtlich: „Du musst doch in gewisser Weise ein brutales Doppelleben führen, alles was menschlich und Welt ist, für 99% der Menschen, ist doch für dich hinfällig, immer mehr…

Ja, das ist korrekt. Es ist so, dass hier ein Ablösungsprozess vor sich geht, die Welt und alles, was in ihr vor sich geht, wird immer mehr zur Erscheinungswelt – zu einer Welt, die nur in der Wahrnehmung existiert. Dabei werden natürlich auch alle „Wichtigkeiten“ der Welt zu Schein-Wichtigkeiten. Es gibt kein wichtig und unwichtig, kein gut und böse, kein richtig und falsch. Das alles macht nur dann Sinn, wenn da wirklich einer ist, der etwas richtig oder falsch machen kann.

Wenn „derjenige“ nur eine Geräusch-Erzeugungsmaschine ist, die keinerlei Einflussmöglichkeiten hat, dann ist das logischerweise bei allen anderen Referenzpunkten auch so – und das ist nicht nur logischerweise so, das ist klar zu erkennen.

Damit fallen dann auch alle Kontakte in sich zusammen. Natürlich finden Gespräche statt und auch Mailaustausche – aber wenn hier gesehen wird, dass das alles nur inhaltsleere „Geräusche“ sind, die einen nicht vorhandenen „Maschinenführer“ voraussetzen, dann sind alle diese Austausche wertlos. Sie sind lediglich Teil des sich selbst abspulenden Spiels, das die intelligente Lebens-Energie (Quelle) mit sich selbst spielt.

Jemand hat einmal den Satz geprägt: „In der Welt aber nicht von der Welt“ und genau so ist das: Der Rest der noch vorhandenen Lebenszeit spult sich ab – aber da ist dann irgendwann keiner mehr, der zusieht, nur noch das Leben selbst.

Es gibt nichts gutes oder böses, keine Gutmenschen und keine Schurken – nur sich selbst lebendes Leben.

Nach außen sieht es so aus, als ob da ein ganz normaler Mensch ist – aber das Leben tut nur so, als ob…

Freundschaften, Gemeinsamkeiten (zB auch Vereinsmitgliedschaften) gibt es in diesem Leben nicht mehr. Kommunikation wird meist als inhaltsleer erlebt und sofort danach vergessen. Was bleibt, sind einfach die Grundfunktionen des Lebens und die Wahrnehmung, der Rest hat sich durch den Lokus verabschiedet.

Überhaupt hat das Vergessen eine überragende Bedeutung bekommen: wenn etwas Mitteilenswertes hoch kommt muss es praktisch sofort aufgeschrieben werden, ansonsten fällt es in den Biteimer (Mülltonne). Insofern ist Leben absolut spontan geworden – was jetzt da ist, wird gesehen und was um die Ecke verschwindet, wird sofort vergessen. Gedankliche Beschäftigung mit der sogenannten „Vergangenheit“ und einer möglichen „Zukunft“ findet praktisch nicht mehr statt – damit ist Leben immer nur jetzt.

Viele würden so ein Leben „arm“ nennen – aber das ist es nicht: es ist allenfalls arm an Vorstellungen – dafür ist die sogenannte „Leere“ randvoll mit Leben. Das kann aber erst gesehen werden, wenn die „Fülle“ im Kopf und die damit einhergehenden Identifikationen sich auflösen. Im Übrigen ist daran gar nichts zu ändern – das alles geschieht und zieht vorbei, solange, bis das Leben sich aus dem Körper zurück zieht.

Und dann? Leben schafft immerzu unendlich viele Formen…und vernichtet sie wieder. Wo soll eine erzeugte und belebte Form denn hin gehen? Wo landet ein Programm, dessen Laufzeit beendet ist? Im Biteimer – und aus diesem bedient sich das Leben und erzeugt endlos neue Formen aus „gestorbenen“ Nullen und Einsen.

Das kann unendlich so weiter geführt werden aber der folgende Satz sagt eigentlich alles aus:
Es gibt nur Leben – und erzeugte und belebte Formen – aber keine Lebenden.