Offene Weite

Heute Nacht wachte ich sehr früh auf und fühlte mich anders als sonst. Da war kein Zentrum mehr, selbst der Körper war nur noch schwach wahrnehmbar. Dafür war eine unermessliche Weite fühlbar, selbst das Eigenschaftswort „unermesslich“ trifft es nicht – es war schlicht und einfach keine Grenze da. Egal, wie weit in eine Richtung gefühlt wurde, es kam keine Grenze.

Das genaue Gegenteil dazu ist das persönliche Bewusstsein. Es ist rundherum eingeschlossen, wie in einem Käfig, da ist überhaupt keine Weite fühlbar. Dann versuchte ich eine Fühlung mit beiden Zuständen zu halten und eine Balance herzustellen, was auch gelang. Damit gab es dann beides: Da war die Weite und darin das persönliche Bewusstsein und alles andere. Das fühlt sich entschieden besser an, als nur die Enge des persönlichen Bewusstseins zu fühlen.

Nach dem Aufstehen, kam dann das persönliche Bewusstsein wieder zurück und dominierte die Erfahrung – aber es ist eine Art Wissen um die Weite da und sie ist ganz im Hintergrund auch fühlbar. Dieses ahnungsvolle Wissen um den Hintergrund ist schon länger da, wurde aber bisher nicht besonders beachtet. Der Hintergrund des Ganzen ist, dass ich gestern beim Zubettgehen die Absicht geäußert hatte, die Weite zu fühlen.

Klar, von oben gesehen gibt es nur den ewigen Fluss und Ablauf aller Erscheinungen und Ereignisse – aber jedes Wesen bildet eine lokalisierte Struktur der Abgrenzung und aus dieser Abgrenzung heraus muss der Wille geäußert werden, die Abgrenzung aufzuweichen und beides erleben zu dürfen: Abgrenzung und Nicht-Abgrenzung. In manchen Fällen scheint es die extreme Ausprägung zu geben, dass überhaupt kein Zentrum mehr da ist und auch keine Person mehr, also kein Gefühl einer lokalen Abgrenzung, wie bei Suzanne Segal und Ruwenda.

Nicht-Dualisten werden bei der Vorstellung einer realen Person Bauchschmerzen bekommen – aber die schauen eben nur von oben. Es gibt tatsächlich nur eine Wirklichkeit aber sie hat zwei Seiten: die rein geistige Wirklichkeit (Ursache) und die darin und daraus erscheinende physisch-soziale Realität (Wirkung) mit ihren lokalen Abgrenzungen. Offenbar gibt es nur beides zusammen und daher ist beides gültig.

Damit ist auch die Nicht-Dualität ausgehebelt, denn Nicht-Dualität kann es nicht ohne Dualität geben (Gegensatzpaar). Aber das ist relativ unwichtig, wichtig ist alleine die Erfahrung der Wirklichkeit und diese Erfahrung möglichst lange auszudehnen. Dazu gehört (zumindest bei mir) auch, das Gefühlte und Erlebte öffentlich zu dokumentieren. Das hat sich einfach  so ergeben und solange es sich auf diese Weise ausdrücken will, wird das auch so bleiben.