Lineare Interpretation und Verfälschung

Heute ist mir eine falsche Interpretation von Platons Gleichnis der zwei Halbkugeln untergekommen – das ich vorher nicht kannte. Bei uns im Ort gab es heute eine Hochzeit und jemand las mir eine Deutung des Gleichnisses vor – zuvor aber sagte die Person: „Du hast ohnehin wieder etwas daran auszusetzen„. Ich wusste nach wenigen Sätzen, rein intuitiv, dass diese Interpretation vollkommen falsch ist – und dass, wenn sie wahr wäre, Platon ein Vollidiot gewesen wäre.

Hier ist eine stimmigere Deutung („Deutung im Symposion“ Absatz 2+3), die zwar von Wikipedia ist – aber meiner Intuition nach eindeutig wahrer. Hier ist das originale Gleichnis (Absatz 7+8). Mir passiert das übrigens immer öfter, dass ich intuitiv die originale Bedeutung antiker Texte erfühlen kann.

An diesem Beispiel sieht man, wie eine lineare Interpretation – egal ob irrtümlich oder absichtlich – die Erkenntnisse großer Geister grotesk verzerren kann. Man kann von Platon halten, was man will – aber ein Vollidiot war er nicht! Und die erste Interpretation ist so dümmlich und eindeutig nach dem Rezept „Friede, Freude, Eierkuchen“ gestrickt, dass das eigentlich jeder halbwegs klare Mensch sofort spüren müsste.

Aber anstatt die Falschheit eindeutig zu fühlen, wird die falsche Interpretation als „schöne und wahre Geschichte“ wahrgenommen, welche die falsche Liebe und das Herumbasteln an sich selbst und am Gegenüber glorifiziert und bestätigt. Genau auf diese Weise bestätigen die Vertreter des Falschen sich gegenseitig – und klopfen sich dabei gegenseitig auf die Schultern und geloben damit, dem Anderen niemals die Maske herunterzureißen.

Genau das nennt man „die Masse“ – genau die gleiche Masse, die  Jesus gekreuzigt und deren „Kirche“ Meister Eckehart gegen Ende seines Lebens verfolgt hat. Genau die gleiche Masse betet heute das Mordinstrument an, mit dem sie den Urheber ihrer Religion getötet haben – wobei Jesus niemals eine Institution namens „Kirche“ gegründet hätte und niemals den Bullshit verzapft haben kann, den man ihm heute seitens der Kirche in den Mund legt. Wenn Jesus ein echter Vertreter der Wahrheit war, dann war er niemals ein Vereiner, sondern ein Zerstörer des Falschen und genau deshalb musste er sterben. Wo käme man schließlich hin, wenn sich sowas herumspricht…

Das Falsche wird in der Masse stets als wahr etikettiert – und das Wahre wird vernichtet, wenn möglich. Glücklicherweise kann man die Wahrheit nicht vernichten – denn wir sind ihre Erzeugnisse – man kann nur ihre Vertreter vernichten – aber es kommen immer wieder neue nach…