Es gibt keine universelle Antwort

Nach dem gestrigen Beitrag, habe ich lange darüber nachgedacht und hineingefühlt, ob es eine universelle Antwort gibt, auf alle Fälle des Lebens. Mir ist nur eine eingefallen: Liebe und Frieden in mir selbst zu schaffen und zu erhalten.

Allerdings funktioniert diese Antwort ausschließlich nach innen. Nach außen gibt es keine universelle Antwort, denn im Außen muss ich flexibel auf das Umweltgeschehen reagieren. Bleibe ich auf dem Meditationskissen sitzen, wenn ein schwerer Sturm aufzieht und die Fenster offen stehen? Lasse ich meine Frau ohne Gegenwehr von einem Angreifer vergewaltigen? Lasse ich es einfach zu, dass ein Dieb meine gesamten Ersparnisse raubt? Erlaube ich Mäusen mein Brot aufzufressen, so dass ich verhungern muss? Erlaube ich einem Hund mich zu beißen? Bleibe ich reglos stehen, wenn Wespen oder Hornissen über meinen Körper herfallen? Die Antwort muss in allen Fällen flexibel auf die Situation zugeschnitten sein.

Eine friedliche und liebevolle Grundhaltung ist absolut zu bejahen. Aber diese auf alle Situationen bindend auszudehnen, bedeutet, auf diesem Planeten nicht überleben zu können. Will ich nämlich überhaupt keinem Wesen schaden, dann darf ich keinen Atemzug mehr machen, nichts mehr essen und trinken, über keine Wiese gehen, keine Kleidung, kein Klopapier und keine Bücher mehr benutzen. Wer soweit geht, darf sich auch nicht selbst umbringen, denn damit entzieht er den Organismen, die in seinem Körper leben, die Lebensgrundlage – er ist also dann nicht nur Selbst-Mörder, sondern auch Fremd-Mörder.

Ich kann es gar nicht schaffen, nichts und niemandem Schaden zuzufügen, denn damit füge ich automatisch mir selbst Schaden zu – weil ich unweigerlich verhungern muss, was wiederum den Tod der Organismen in meinem Körper bedeutet. Auf diesem Planeten zu überleben oder zu sterben, bedeutet automatisch, anderen Organismen Schaden zuzufügen! Daher ist auch die Diskussion für und wider Fleischgenuss nur eine Scheindebatte, denn eine Pflanze leidet genauso, wie ein Tier. Das überall beobachtbare Prinzip des Lebens auf diesem Planeten lautet: Fressen oder gefressen werden.

Die einzige Antwort, die ich für mich kenne, ist, innen liebevoll und friedlich zu sein und nach außen diese Prinzipien intelligent anzuwenden – solange das nicht bedeutet, dass mein Körper Gefahr läuft getötet zu werden – was nicht weiter schlimm wäre – aber es gibt da noch meine Frau, meine Kinder und Enkel, für die ich auch in gewisser Weise verantwortlich bin. Ich muss also jeweils differenzieren und daher gibt es keine allgemeingültige Antwort.

Ich sehe das auch an meiner Hündin: Sie ist sehr anhänglich und liebesbedürftig, auch anderen Hunden und Menschen gegenüber. Sie spielt mit jedem und ist dabei so zurückhaltend, dass dem Spielpartner kein Leid geschieht. Sie lässt sich zum Beispiel auch von unserem kleinen, ungestümen Enkel grob anfassen oder auf den Schwanz treten, weil sie weiß, dass es „ein Welpe“ ist – nur dann, wenn er zu grob wird, geht sie weg. Wird sie aber von einem ausgewachsenen Hund angegriffen, dann verteidigt sie sich unmittelbar und ohne zu zögern. Sie jagt auch gerne Mäuse, spielt mit ihnen und „erschlägt“ sie mit ihrer Pfote – und versteht nicht, dass ich das nicht so gut finde. Sie erkennt Mäuse eindeutig als Jagdbeute und das ist ein natürliches Verhalten und nicht zu kritisieren – auch, wenn mir persönlich das nicht gefällt.

Was würde ich zum Beispiel aus heutiger Sicht machen, wenn eine Horde bewaffneter Angreifer in die Umgebung meines Wohnortes einfällt? Zuerst einmal zurückziehen, ruhig verhalten und verstecken. Aber was mache ich, wenn die Angreifer in unser Haus eindringen und die Familie unmittelbar bedrohen? Diese Antwort muss jeder für sich selbst beantworten!

Meine Antwort kann aber nicht darin bestehen, den Angreifern den Zugriff auf meine Familie ohne Gegenwehr zu gestatten – denn damit könnte ich nicht weiterleben. Also muss ich versuchen, den Zugriff auf meine Familie zu verhindern – im Extremfall durch Tötung des oder der Angreifer. Einen Dienst in jeglicher Armee würde ich verweigern – aber Selbstverteidigung ist eine natürliche und spontane Reaktion und darf nicht durch irgendwelche religiösen oder moralischen Vorstellungen unterbunden werden.

Was passiert, wenn ein friedliches Volk angegriffen wird, mit dem Ziel, es auszurotten? Entweder es steht auf und wehrt sich oder es wird ausgelöscht. Gewaltlosigkeit ist ein hohes Ziel aber wenn sie absolut gesetzt wird, führt sie letztlich zur Vernichtung des zur Gegenwehr Unwilligen!

Kein Tier ist von Natur aus böse – aber es wehrt sich, wenn es angegriffen wird – selbst dann, wenn die Gegenwehr aussichtslos ist. Verwilderte Katzen gehen normalerweise dem Menschen aus dem Weg – wenn sie aber Junge haben, dann verteidigen sie diese. Auch bodenbrütende Vögel verteidigen ihre Jungen: sie flattern vor einem potentiellen Nesträuber herum und versuchen ihn vom Nest wegzulocken. Daher gilt: Gegenwehr und Verteidigen des Nachwuchses ist ein natürliches Mittel des Überlebens.

Mir ist bewusst, dass sich kaum jemand solche Fragen stellt – aber ich stelle sie mir, weil sie gerade jetzt aktuell sind und mich tangieren – uns alle tangieren. Das Wegsehen kommt für mich nicht infrage, weil ich nicht wegsehen kann. Genauso, wie ich immer alles höre, fühle ich immer alles, was gerade anliegt und dann muss ich mich damit auseinander setzen.

Nur, weil es in den letzten 72 Jahre in Deutschland keinen Krieg gegeben hat, heißt das nicht, dass das so weiter geht. Damit ist nicht gesagt, dass ich das will oder befürworte – ich bin grundsätzlich für eine Verhinderung oder friedliche Beilegung von Konflikten und handle auch so. Aber was ist, wenn ich friedlich bin aber der Angreifer will mich oder meine Angehörigen kompromisslos vernichten? Diese Frage muss jeder für sich selbst beantworten – hier gibt es keine allgemein gültige Antwort, da sie unmittelbar mit der eigenen Existenz zu tun hat. Das sollte jeder für sich tun, bevor es zu solchen Auseinandersetzungen kommt – denn dann ist es meistens zu spät und man reagiert kopflos.

Wenn man die geistige Ebene außer Acht lässt, dann gilt: Wenn sich der Friedliche nicht selbst verteidigt, dann gewinnt der Aggressor – und wenn das immer wieder geschieht und schneller, als sich die Friedlichen vermehren können, dann sterben die Friedlichen aus und die Aggressoren bleiben übrig.

Bezieht man die geistige Ebene mit ein, dann gilt: Weder der Friedliche, noch der Aggressor sind real – sie sind nur Erscheinungen im Bewusstsein. Wenn ich aber versuche, dieses Prinzip auf der physischen Ebene tatsächlich zu leben, dann ist dieser Körper sehr schnell tot, denn wir sind hier in der physischen Realität, die geprägt ist von Dualität! Wo zwei oder mehr sich gegen-über-stehen, existiert automatisch die Gefahr von Auseinandersetzung. Da, wo nur Eines ist, existiert ausschließlich Frieden.

Ein physisches Leben ist daher immer ein Über-Lebens-Kampf – ob es mir nun passt oder nicht. Jeder Organismus will überleben – das ist in ihm so angelegt. Das bedeutet zwingend: Wenn der eigene Körper überlebt, müssen andere Organismen dafür ihr Leben lassen – und umgekehrt. Hier werden sehr viele Gutmenschen Schluckbeschwerden bekommen – aber das ist die faktische Wahrheit des Lebens auf der physischen Ebene, der sich niemand entziehen kann.

Ich habe alle Elemente in mir: Liebe, Hass, Annahme, Ablehnung, Stärke, Schwäche, laut, leise… Wenn ich versuche, nur die, in meinen Augen, „guten“ Eigenschaften auszudrücken, kastriere ich mich selbst. Spontaner Selbstausdruck trifft keine Vorauswahl – sondern drückt immer genau das aus, was jetzt in mir da ist. Und wenn es ein intelligenter, spontaner Selbstausdruck ist, dann werde ich einem gewalttätigen Aggressor anders begegnen, als einem kleinen Hund, der an meinem Hosenbein zerrt.

Stärke bedeutet, fähig zu sein zu streicheln und zu schlagen – je nach Situation.

Schwäche bedeutet, unfähig zu sein, zu streicheln und/oder zu schlagen – unabhängig von der Situation.

Mit anderen Worten: Stärke ist der freie Fluss des gesamten Energiespektrums und Schwäche ist die gesamte oder partielle Verhinderung dieses Flusses.

Das alles ist keine Philosophie, sondern Resultat von inneren und äußeren Beobachtungen, die jeder machen kann, wenn er das will. Die Kunst besteht nun darin, das alles zu wissen, zu akzeptieren – und trotzdem ruhig und friedlich leben und schlafen zu können.

Nachtrag: Die absolute Gewaltfreiheit, die manche Religionen oder spirituelle Richtungen fordern, ist in meinen Augen auf der physischen Ebene nicht praktikabel, ohne das eigene Überleben zu gefährden. Warum soll ein Mensch auf sein Leben verzichten, das ihm ein anderer nehmen will, ohne das Recht auf Selbstverteidigung zu haben? Dazu fallen mir nur zwei Gründe ein: Selbsthass oder Negierung der eigenen, individuellen Existenz.

Das erstere ist eine massive psychische Störung, meistens von außen induziert – besonders bei Deutschen. Das letztere resultiert aus zu flachem Hinschauen, Glauben an falsche Lehren oder Mangel an Intelligenz. Wer sich selbst negiert, wer glaubt, dass er „Nichts“ ist, zeigt damit, dass er nicht versteht, dass er zum Erkennen und Negieren existent sein muss – und zwar individuell existent – denn der Nachbar negiert seine Existenz nicht – also muss der Nachbar individuell unterschiedlich zu ihm sein. Wo keiner ist, kann keiner erkennen – wenn aber erkannt wird – wer erkennt dann? Das Nichts? Wie wäre es mit DIR? Ja, mit DIR, dem anwesenden, menschlichen und geistigen Individuum – demjenigen, der gerade hier liest!