Wer?

Wer? Das ist in der Selbsterkenntnis, die Frage aller Fragen – weil in den allermeisten spirituellen Richtungen dieser „wer“ als Ego verunglimpft wird. So, als ob es im Menschen nur das Ego gäbe aber kein geistiges Individuum. Genau das ist es, was die persönliche Erkenntnis so wichtig macht, die Individualität und Subjektivität des eigenen Bewusstseins, zu erkennen, die Tatsache, dass ICH existiere und da bin.

Das Problem bei der unpersönlichen Erkenntnis besteht nämlich in der Entwicklung von Fatalität. Der Erkennende erkennt fälschlich, dass da gar kein Erkennender ist – obwohl ja eindeutig jemand da ist, der genau das erkennt – und sagt sich: „Da ist ja niemand, was soll ich dann noch hier?“ Der Oberhammer ist es dann, wenn der real vorhandene Gewahrende aller Objekte und Subjekte auch noch als „spirituelles Ego“ abgelehnt wird.

Bei mir war das am Anfang ganz genauso – ich fühlte mich losgelöst vom Ego-ich, hatte vollen Zugang nach innen, war vollkommen frei vom Verstand aber so blind, dass ich meine innere Subjektivität nicht als solche erkannte. Erst durch die Texte Anadis wurde ich mit der Nase darauf gestoßen und als ich es dann fühlen konnte, fühlte ich es innen überall. Das liegt wahrscheinlich daran, dass man das einfach nicht kennt und viele neigen dazu, das auszublenden, was sie nicht kennen. Mittlerweile ist es so, dass ich mich zunehmend auf mich selbst und meine eigene Intuition verlasse.

Die Frage ist immer: Wer erkennt das, was gerade da ist? Wer erkennt das Denken? Der Beobachter. Wer erkennt das Nicht-Denken? Die innere Aufmerksamkeit. Und wer ist es, aus dem die Aufmerksamkeit und das Beobachten entspringt? Das bewusste ICH. Wer ist also da, um alle Erfahrungen zu machen? ICH! ICH BIN da – und nicht Nichts! Und das ist keinesfalls das absolute ICH BIN, sondern ein davon abgeleitetes, individuelles ICH BIN! Eben ICH!

Das Nichts muss erkannt werden – aber noch wichtiger ist die Entdeckung des individuellen ICH BIN – denn ohne das gibt es keine individuelle Existenz. Das, was Advaita und Buddhismus nicht leisteten, weil sie vorher aufhörten, ist zu erkennen, dass sie selbst identisch mit dem individuellen Erkennenden sind! Jeder ist der individuelle Mensch, das individuelle Bewusstsein, der individuelle Geist, das individuelle ICH BIN! Und nur als dieses kann es eine Begegnung auf Augenhöhe, mit dem universellen und Absoluten ICH BIN geben – das unsere Existenz ist!

Es gibt auf keinen Fall irgend etwas von der bewussten Existenz getrenntes. Existenz ist per se das einzig Existierende und daher muss es alles enthalten, was jemals existierte, jetzt existiert und jemals existieren wird – inklusive aller Universen, der RaumZeit und aller individuellen, subjektiven  geistigen Existenzen – also aller individuellen ICH BIN’s.

Der Schlüssel ist, dass Existenz immer beides ist: persönlich und unpersönlich – individuell und universell – subjektiv und kollektiv. Und all das ist auch in uns und es ist ein gravierender Fehler, sich auf nur einen Aspekt (das Nichts) zu beschränken! Und wenn da ein individuelles ICH BIN ist – was jeder immer erfährt aber kaum jemand bewusst bemerkt – dann gibt es automatich eine Teilhabe an der Manifestation der Welt, denn mein Körper ist ein Teil der Welt und es ist mein Körper, nicht deiner – also ein individueller Körper – und damit gibt es auch ein individuelles Tun – aber nur, wenn das Individuum sich als solches bewusst ist.

Einer, der das Nichts als einziges Ordnungsprinzip erkennt, muss damit zwangsläufig auch erkennen, dass „alles von selbst passiert“ – „weil da ja niemand ist„. Näher hingeschaut ist da aber doch eindeutig ein individuell Erkennender, denn er ist es, der das erkennt und nicht der Nachbar, eine Tür weiter. Aber genau das erkennt er nicht – er sieht sich selbst nicht.

Somit kann klar gesagt werden, dass jemand, der im Nichts oder der Leere stecken bleibt, nicht seine eigene Individualität als ICH BIN erkannt hat. Dabei ist es so einfach: man muss sich nur fragen: wer? Wer ist da? Wer erkennt das hier? Und die Antwort wird immer sein ICH! Der nicht Einsichtsfähige und Missgeleitete wird als nächstes sagen: Aber „Ich„, ist doch das Ego… Genau so einer war ich auch – heute bin ich das individuelle, subjektive Bewusstsein und das bewusste ICH.

Jemand, der im Nichts stecken geblieben ist, sollte sich fragen: Wer erlebt das Nichts, die Leere? Wer ist da? Dann wird er ICH fühlen und in dieses Gefühl muss er hineingehen und es dauerhaft verkörpern. Das, was er da fühlt, ist nicht etwa das Ego, sondern die Subjektivität seines eigenen Bewusstseins und wenn er tiefer nachforscht, dann wird er an der Stirn auch das bewusste ICH entdecken. Das ist aber nicht etwa das Ende, sondern erst der Anfang seiner inneren Entdeckungsreise – denn es gibt keine wirkliche Trennung, zwischen innen und außen, zwischen Individuum und Universum, zwischen subjektivem und universellem Bewusstsein.