Die unsterbliche Gesellschaftskrake

Im letzten Beitrag Dunkle Materie ging es im Video von Amit Goswami darum, dass die Wissenschaft sich vom Bewusstsein her der Materie und den Forschungsgebieten nähern sollte. Es mag sein, dass er in diesen Kreisen Gehör findet – allerdings nicht einhundert Prozent, sondern vielleicht ein bis fünf Prozent. Auch Wissenschaftler sind nur Menschen und die meisten sind sich ihres Bewusstseins unbewusst. Und wenn schon hochintelligente Wissenschaftler es nicht schaffen, sich von ihren Verhaftungen zu lösen, wie will man das von den normalen Menschen erwarten, an die Amit appelliert, dass sie sich dem Planeten gegenüber besser verhalten sollten.

Es geht mir nicht darum, jemanden zu kritisieren, ich stelle nur meine Sicht der Dinge dar, mehr nicht. Amit tut, was er tut und das ist gut so. Aber so wird das nicht funktionieren, denn um wirklich hören und ändern zu können, muss jemand da sein, der bewusst hören kann und einen inneren Halt an sich selbst hat, um sich von den jetzigen Verhaltensweisen zu lösen. Wenn ein Umdenken und darauf basierende Veränderungen überhaupt eine Chance haben sollen, dann muss man sich die Kleinsten vornehmen und sie so erziehen, dass sie von vorneherein lernen, sich ihrer selbst bewusst zu sein.

Allerdings stellt sich die Frage, wer daran ein Interesse haben kann. Die Gesellschaft als Ganzes? Die Eliten? Die Politiker? Die Kirchen? Die Antwort lautet in allen Fällen: Nein. Die Kinder werden von den Eltern erzogen, die in der Gesellschaft verwurzelt sind und wollen, dass auch ihre Kinder in der Gesellschaft verwurzelt sind. Dann kommen Kindergarten, Schule und Studium – die in allen Fällen von staatlich ausgebildeten Kräften betrieben werden – die Kinder und Jugendlichen also anhand staatlich verordneter Lehrpläne erziehen. In der betrieblichen Ausbildung ist das ähnlich, denn die Unternehmen werden in den meisten Fällen von in der Gesellschaft fest verankerten Menschen geführt, die natürlich dafür sorgen, dass ihre Azubis im gesellschaftlichen Kontext ausgebildet werden.

Die Gesellschaft ist ein Denk-Konstrukt ungeheuren Ausmaßes, der sich selbst mit Hilfe indoktrinierter Eltern und Ausbilder in alle Neugeborenen einpflanzt und so dafür sorgt, dass er nicht vernichtet werden kann. Jeder, der diesen Konstrukt im Kopf hat, ist so konditioniert, dass er automatisch gegen Menschen eingestellt ist, die diesen Denkkonstrukt ablehnen oder nicht oder unvollständig in sich tragen. Das bedeutet, dass jemand, der versuchen wollte, diesen Konstrukt zu zerstören, sämtliche damit Konditionierten und Infizierten gegen sich hätte.

Selbst dann, wenn wir von einem großen Krieg ausgehen, der 90 Prozent der Erd-Bevölkerung vernichtet, ist es nicht möglich, diesen Denk-Konstrukt zu zerstören, denn die Überlebenden werden alles tun, um ihre Überzeugungen in ihrem Nachwuchs zu verankern. Warum? Weil sie schlicht und einfach nichts anderes kennen und wollen, als in Frieden zu leben und zwar so, wie man es ihnen selbst beigebracht hat: als Gesellschaft, als Kommune, als sich gegenseitig Stützende – als Unfreie.

Freiheit ist diesen Menschen suspekt, sie lehnen sie ab, sie wissen zwar nicht, was dieses Wort wirklich bedeutet – sie wissen aber, dass sie es hassen und fürchten, wie der Teufel das Weihwasser oder Vampire das Sonnenlicht, Knoblauch und silberne Pfähle. Freiheit ist das Grundübel für alle in der Gesellschaft verwurzelten Menschen!

Um diese geistige Unfreiheit, diesen absoluten Unwillen zur Freiheit auzurotten, müsste man alle Menschen vernichten, die mit der Gesellschaftskrake infiziert sind. Dann blieben vielleicht einige noch nicht verdorbene Naturvölker in Brasilien oder Neuguinea übrig – aber „die zivilisierte Menschheit„, wie wir sie heute kennen, wäre weg. Dass das völlig utopisch, grausam und unmenschlich ist, sollte jedem klar sein. Somit wird das niemals passieren und daher gibt es keinen Ausweg aus diesem Dilemma.

Man muss diesen Sachverhalt von Grund auf nüchtern sehen, um wirklich zu begreifen, dass da nichts zu machen ist, daher noch einmal: Etwas, das sich aufgrund seiner Natur in jeden neuen Menschen einpflanzt und von den Infizierten wie ihr eigenes Leben verteidigt wird, ist unsterblich und unzerstörbar – außer man zerstört alle Infizierten, bis auf das letzte Exemplar.

Ich weiß, dass auch U.G.Krishnamurti dieses Thema aufgegriffen hatte und ebenfalls zum gleichen Schluss kam: Wenn man diesen Konstrukt nicht zerstören kann, dann muss man sich mit ihm arrangieren.

Ich sehe nur eine einzige Möglichkeit: Der Erschaffer dieser Erscheinungs-Welt müsste eingreifen und die Verhältnisse richtig stellen. Aber was ist, wenn die Verhältnisse schon in seinem Sinne sind? Wenn die Welt nur eine Erscheinungs-Welt ist und ein freier Wille nur im Kontext der vorgegebenen „Rahmen-Handlung“ möglich ist (Freie Auswahl aus Vanille- oder Schokoladen-Eis), wie kann dann die Welt anders sein, als genau so, wie sie in jedem Moment dynamisch projiziert wird?

Was folgt daraus? Dass man seinen Arsch in Bewegung bringt und das tut, was man im Kontext seines mehr oder weniger vorgegebenen Lebens tun kann und muss. Man räumt seinen Bereich auf, tut seinen Job, ist ein guter Haushälter, verbessert sich geistig, soweit wie möglich und lässt die Welt und die anderen Menschen in Ruhe so sein, wie sie offensichtlich sein sollen. Das ist nicht fatalistisch, sondern logisch, stringent und klar. Alles andere ist bewusste Selbst-Verarschung – zumindest dann, wenn man schon erkennen kann, dass der Geist die Ursache der Welt ist.

Der Verursacher steht immer höher als das Verursachte.
Daher kann das Verursachte niemals etwas tun, was der Verursacher nicht will.
Somit ist der Zustand der Welt vom Verursacher verursacht.
Wenn uns diese Welt nicht gefällt, so ist das alleine unser Problem.

Die Lösung für den scheinbar schlechten Zustand der Welt ist nicht etwa eine Änderung der Welt, sondern Selbst-Erkenntnis, Selbst-Liebe und eine Verbindung unseres individuellen und getrennten Bewusstseins, mit dem universellen Bewusstsein und dem Absoluten, in dem es keine Trennung gibt. Wenn man andere lieben will, muss man erst einmal sich selbst lieben, wenn man anderen helfen will, muss man erst einmal sich selbst helfen, wenn man andere bewusst machen will, muss man erst einmal selbst bewusst werden – und dann wird man sehen, dass alles andere gut ist, so wie es ist.

Das bedeutet natürlich nicht, dass man nicht hilft – das sind aber immer Hilfestellungen im Kontext der gegebenen Situation und des Möglichen: Wenn einer hinfällt, kann man ihm aufhelfen, wenn einer fragt, kann man antworten etc. – aber niemand kann die „Gesellschaft ändern“ oder die „Welt retten„. Das sind verrückte Auswüchse des eigenen Verstandes, der noch nicht begriffen hat, was die Ursache und was das Verursachte ist!

Nachtrag: Mir fällt immer wieder auf, wie inkonsequent viele Menschen denken. Amit ist Physiker, er muss also klar logisch denken können. Einerseits sagt er, dass es eine vorgegebene Rahmen-Handlung gibt, in der nur zwischen den gegebenen Möglichkeiten gewählt werden kann (z.B.: Vanilleeis oder Schokoladeneis). Andererseits sagt er, „dass die Menschen aufwachen müssen und den Planeten und ihre Zivilisation retten müssen„. Das passt nicht zusammen: Entweder die vorgegebene Rahmen-Handlung ändert sich dahin gehend, dass Änderung statt findet, dann gibt es gar keine andere Möglichkeit – oder sie tut das nicht und dann ist Änderung unmöglich, weil sie nicht in der Rahmen-Handlung als Auswahlmöglichkeit vorgesehen ist.

Für mich ist das ein Einfluss von Wunschdenken: Der Gedanke an die schlechte Verfassung der Gesellschaft und des Planeten schmerzt so sehr, dass man versucht, etwas zu tun, um diesem Schmerz zu entgehen. Dann hält man Vorträge, geht auf Symposien und Konferenzen und nährt damit in sich das Gefühl, etwas Gutes zu tun, das eine potentielle Veränderung auslösen könnte. Dass das nur ein Gedanke im Bewusstsein dieses Menschen ist, der nicht das geringste mit den Verhältnissen zu tun hat, das will man dann nicht sehen.

Dabei bin ich mir sehr sicher, dass man das sehen könnte – ich kann es ja auch – aber man will es einfach nicht sehen, weil es einem damit schlechter geht. Also verschließt man die Augen davor und tut, was man kann, um die Illusion der „Weltrettung“ weiter aufrecht zu erhalten. Somit geht es bei der „Weltrettung“ nicht darum, die Welt zu verbessern, sondern lediglich sein eigenes Lebensgefühl.

Das ist wohl auch ein Grund für das sogenannte Bodhisattva-Gelübde, das es im Buddhismus gibt, worin ein Adept gelobt, nicht eher in das Höchste einzugehen, bis auch der letzte Mitmensch das erreicht hat. So etwas kann man ja gerne tun – aber es ist vollkommen sinnlos, denn es gibt immer wieder Nachschub an Bewusstseins-Blinden, die sich ihres Bewusstseins unbewusst sind, so dass dieser heile Zustand der Weltbevölkerung niemals erreicht werden kann.

Ich sehe eindeutig, dass sich die Weltbevölkerung in einer abwärtsgerichteten Dynamik befindet, in der die Gesamt-Bewusstheit abnimmt. Da sich alles im Universum in Zyklen abspielt, muss sich das auch wieder ändern – aber ob ich das in diesem Leben noch erleben werde, das weiß ich nicht. Man muss das als natürliche Gegebenheit akzeptieren und sich an der eigenen Entwicklung erfreuen, anstatt sich an der Rückentwicklung der Anderen zu grämen – ansonsten kann man sich gleich erschießen!