Die heilige Subjektivität

Ich bekam gerade eine Mail von jemanden, der sich seit langer Zeit mit Selbsterkenntnis beschäftigt, in welcher der Begriff „heilige Subjektivität“ benutzt wurde. Mir war schon klar gewesen, dass die Subjektivität wichtig ist, weil sie ja letztendlich das ist, was mich ausmacht. Aber der Begriff „heilig“ hat bei mir etwas ausgelöst, was vorher so nicht da war – möglicherweise deshalb, weil ich diesen Begriff immer vermieden habe. Es geht um Existenz, um die bewusste, subjektive Existenz des Einen, des absoluten ICH BIN.

Wäre dieser Eine, dieses ICH, nicht da, dann gäbe es einfach gar nichts. Daher muss man die Existenz des Einen und seine Subjektivität, tatsächlich als „heilig“ (wertvoll, kostbar) betrachten. Das hat natürlich nicht zur Konsequenz, dass man sich „vor ihm auf den Boden wirft“ – das wäre einfach nur idiotisch! (Wer ist das letztendlich, der sich vor wem zu Boden wirft?) Es geht vielmehr darum, zu erkennen, dass unsere eigene Subjektivität, die von seiner abgeleitet ist, ebenfalls kostbar und „heilig“ ist.

Die individuelle Subjektivität ist nichts anderes, als ein individualisierter Bewusstseins-Knoten im universellen Bewusstsein, dem universellen Hintergrund. Gäbe es diese individuelle Subjektivität nicht, dann wäre ICH nicht vom universellen Hintergrund zu unterscheiden, dann gäbe es MICH schlicht und einfach nicht. Jeder, der hier ein normales Empfinden hat, wird bestätigen, dass er sein Leben als kostbar empfindet, auch, wenn es mitunter anstrengend oder leidvoll ist. Dieses Empfinden steigert sich noch enorm, wenn man erkennt, dass man gar nicht dieses komische Männchen im Spiegel ist, sondern etwas ganz anderes…

Hier wird dann auch sehr deutlich, wie idiotisch die Versuche des Advaita und anderer Selbst-negierenden Richtungen sind, ihre eigene Existenz zu verleugnen. Dort wird auch oft davon gesprochen, „das Ego zu töten“ – aber das funktioniert nicht und ist auch nicht nötig! Was weg muss, sind alleine die falschen Vorstellungen von der Welt, dem Körper und sich selbst.

Wenn alles so gesehen wird, wie es ist, fällt das Ego schlicht und einfach auf seinen richtigen Platz – weil man sich nicht mehr mit ihm identifiziert. Das „Ego“ ist eine Programmstruktur, eine Schnittstelle zur Kommunikation mit anderen Egos – mehr nicht. Wenn sie benutzt wird, ist sie aktiv, wenn nicht, ist sie inaktiv. Die Ego-Schnittstelle killen zu wollen, ist genauso verrückt, wie das IP-Protokoll killen zu wollen, das zur Kommunikation im Internet benötigt wird.

Die alten Lehren, die das einmal postulierten, sind technisch gesehen überholt und tot. Sie wollten das Ego killen, weil sie ihre eigene Subjektivität und die der Quelle nicht spüren konnten – und daher aus der Erfahrung der Leere glaubten, dass die Realität nichtdual und unpersönlich und jegliche Dualität und Persönlichkeit eine Illusion ist. Daher wollten sie das Ego töten, um näher an die Unpersönlichkeit und Leere zu kommen.

Es geht nicht darum, das Ego zu töten, sondern darum, sich nicht mehr mit dem Ego zu identifizieren und stattdessen stets die eigene Subjektivität zu fühlen, sich damit zu identifizieren, sie zu lieben (Selbst-Liebe) und sich an das Universelle und Absolute hinzugeben. Das macht man, indem man die Referenzpunkte im Bewusstsein erzeugt, verkörpert und liebevoll damit verschmilzt, was einen „dreidimensionalen Seelenkörper“ aufspannt. Die Hingabe an das Universale und Absolute reduziert dann die starke Präsenz der Punkte, leitet fluktuierende Energien ab und balanciert Präsenz mit Absenz aus. Dadurch entsteht innerer Frieden und tiefe Selbst-Liebe.

Es geht auch nicht darum, sich aus der Welt zurück zu ziehen, sondern weiter darin zu existieren und zu wirken. Aber dieses Leben wird bewusst von innen heraus geführt, aus der eigenen Subjektivität heraus, in dem bewussten Wissen und Sehen, dass Welt und Körper im Bewusstsein auftauchen, so dass unmittelbar klar wird: ICH BIN ein geistiges Wesen – kein physischer Körper, der in der Welt agiert.