Wo hört der Mensch auf und wo fängt die Seele an?

Es ist Unsinn, wenn jemand sagt: „Ich bin kein Mensch, ich bin die Seele“ – und dann denkt, dass damit alles erledigt ist – denn damit tauscht er lediglich die Begriffe „Mensch“ und „Körper“ durch „Seele“ aus. Man kann sich nicht de-identifizieren, nur weil man so etwas zu sich sagt, denn die Vorstellung, „der Körper zu sein„, sitzt so tief, dass sie nur dann verschwindet, wenn eine radikale Verschiebung des Aufenthaltsortes im Bewusstsein nach hinten stattgefunden hat. Das bewirkt, dass man sich nicht mehr am Sitz des Egos (Stirn) erlebt und sich dadurch auch nicht mehr (so leicht) damit identifizieren kann. Wenn man sich dann noch als der Hintergrund der Bewusstseinsinhalte erlebt und das dauerhaft beibehalten kann, dann hat die Vorstellung, ein Mensch zu sein, sich erledigt.

Normalerweise ist die De-Identifizierung ein gradueller Prozess – es gibt aber auch Fälle, in denen eine radikale Verschiebung in den energetischen Körper stattfindet, so dass die Nichtidentität mit dem Körper unmittelbar und schockhaft erlebt wird und es keine Möglichkeit mehr gibt, in die Identifizierung mit dem Körper zurück zu fallen. Allerdings hat das nichts mit der De-Identifikation vom Ego zu tun, denn das wird auch im energetischen Körper erlebt – da dieser auch nur ein Bewusstseinsinhalt ist.

Die einzige Art, sich endgültig vom Menschen zu verabschieden, ist bewusst die Seele zu werden, die man ohnehin ist. Laut Anadi hat ein normaler Mensch keine Seele, nur eine rudimentäre Kernstruktur, die eine Seele werden könnte. Das sehe ich ein wenig anders:  Es gibt kein einziges Wesen, das eine Seele hat – es gibt nur Seelen, die sich als Wesen in einer Erscheinungswelt erleben und sich mit diesen Bewusstseins-Inhalten verwechseln.

Der Mensch ist keine Ursache – auch wenn er das glaubt und sich so erlebt. Der Mensch ist ein Erzeugnis der Seele, die er IST. Der scheinbar physische Mensch ist in Wirklichkeit ein geistiges Wesen, das sich eine „Körper-Illusion übergezogen“ hat, wie einen „Raum-Anzug„, denn ohne diesen „Raum-Anzug“ könnte sie sich nicht als „Körper erleben, der in der Raum-Zeit agiert„. Diese Illusion wird im Laufe des Lebens immer stärker, weil sie während der gesamten „Lebens-Zeit“ immer wieder bestätigt wird.

Wo hört also der Mensch auf? Er hört dort auf, wo die Identität mit der Körperlichkeit eindeutig als Illusion erlebt wird. Der Mensch ist nur eine realistisch anmutende Körper-Simulation, die in einer ebensolchen Welt-Simulation abläuft. Die Eigenschaften dieser Simulation und die Art und Weise, wie sie sich verhält, hängen von der Parametriesierung der zugehörigen Form-und-Filter-Matrix ab, die ein Teil des Projektions-Mechanismus ist, mit dem Körper und Welt „ge-formt“ und ins Bewusstsein projiziert werden.

Wie der Prozess genau vor sich geht, das kann ich (noch) nicht sagen – ich weiß nur, dass er definitiv nicht so primitiv ist, wie von Advaita & Co. angenommen: „Es gibt nur die Lebenskraft, welche die Illusion erzeugt und die nonduale Quelle“ – und fertig. Das ist eine eindimensionale und kindlich-vereinfachende Vorstellung.

Um die Gültigkeit dieser Aussage zu erkennen, muss man sich lediglich die Konstruktion eines einfachen Computersystems anschauen: Wieviele Programme, Schichten und Protokolle dafür notwendig sind, um alleine nur den Rechner zu betreiben. Auch die heutigen, mehrkernigen CPU’s sind extrem komplex. Dann kommen noch diverse Netzwerke hinzu und alle möglichen externen Geräte. Man kann sich auch ein Atomkraftwerk anschauen oder einen atomgetriebenen Flugzeugträger – oder den Planeten Erde und dessen ungeheure Vielfalt an Leben. All das, was wir in der Erscheinungs-Welt sehen und erleben, wird in der Quelle erzeugt und läuft dort ab – und es ist absolut unmöglich, dass die Quelle einfacher strukturiert ist, als ihr komplexestes geistiges Erzeugnis.

Die universelle Lebenskraft („elektrischer Strom„) ermöglicht die Funktion des Projektions-Mechanismus, der den Körper und die Außenwelt im Bewusstsein „materialisiert„. Diese dynamische Körper-Welt-Projektion basiert auf den individuellen Datenstrukturen des jeweiligen Wesens und der Datenstrukturen aller anderen Wesen, die in die gleiche Außenwelt projiziert werden – und aus den Datenstrukturen dieser Außenwelt. Durch die individuelle Kombination dieser Daten, wird es möglich, dass jedes Wesen seine eigene, personalisierte Ausgabe dieser Erscheinungs-Welt in seinem Bewusstsein erlebt.

Es ist also nicht so, dass die Lebenskraft direkt den Körper erschafft und manöviert, wie sie es will. Die Lebenskraft ist nur die „Antriebsenergie“ für diesen Prozess. Die individuelle Ausgestaltung jeder „Wesenheit“ wird über die Parametrisierung des Projektionsmechanismus erreicht. Richtig ist, dass der gesamte Prozess im Einheitswesen stattfindet und von seiner Energie angetrieben wird. Die Quelle ist der Urheber von allem – aber sie steuert nicht alles. Wesen, die dauerhaft einer Zwangs-Steuerung unterliegen, wären zu keiner eigenen Entwicklung fähig. Jede einzelne Handlung wäre im Voraus festgelegt – jeder Furz und jeder Rülpser wäre im Voraus klar definiert, durch Ort, Zeit und Ursache. Alleine an diesem Satz sieht man, wie irrsinnig so eine Vorstellung ist.

Richtig ist, dass es für jedes Wesen eine individuelle Parametrisierung des dynamischen Projektionsmechanismus gibt und dass diese Parametrisierung von einer ihrer selbst bewussten Seele abgeändert werden kann, wenn sie das für nötig befindet. Das bedeutet nicht, dass ein unbewusster Mensch seine Parameter ändern kann – also ein Mensch, der sich der Außenwelt bewusst ist aber nicht seiner Innenwelt und daher auch nicht der Tatsache, dass er die Seele ist und der „Mensch“ nur eine Projektion.

Sobald die Seele erkennt, dass „hier etwas nicht stimmt„, sie also zu ahnen beginnt, dass sie nicht der Mensch ist und sich das Gefühl in ihr regt, herausfinden zu wollen, was sie wirklich ist – wird sie anfangen, sich von der unbewussten Masse abzuwenden und damit beginnt ihre Reise nach innen. Sobald die Illusion der Körperlichkeit durchschlagend und anhaltend erkannt wird, hört der Mensch auf und die bewusste Seele beginnt.

Das ist, wie oben bereits angesprochen, ein gradueller und individueller Prozess, der Zeit benötigt. Es sollte klar sein, dass „Mensch hört auf, Seele beginnt“ nur relativ gemeint ist, denn da es in der Quelle, neben einer Unmenge geistiger Prozesse, nur unsterbliche Seelen gibt (Tropfen der Quelle), hat keine Seele einen Anfang, noch ein Ende. Nur die Lebens-Filme der Seelen haben einen Anfang und ein Ende in der Raumzeit.

Es gibt eindeutig individuelle Entwicklung – das erlebe ich an mir – und das ist auch mit ein wenig Beobachtung und Intuition ganz klar feststellbar. Gäbe es sie nicht, dann wäre das Wachstum der Quelle künstlich und nicht natürlich. Natürliches Wachstum ist immer individuell und hängt damit vom Individuum ab – der Seele, dem relativen, individuellen Subjekt des entsprechenden Wesens – das im absoluten Subjekt aller Existenz existiert. Die Seele oder deren Wurzel (immanentes-ICH-BIN) ist der geheime Agent der Quelle in jedem Wesen, durch den sie die Welt dieses Wesens erlebt. Die Gesamtschau der Erscheinungs-Welt(en) wird vom universellen Bewusstsein erlebt.