Ist Achtsamkeit gleich Bewusstsein?

Wenn einer im Außen achtsam und aufmerksam ist, wenn er zentriert ist, wenn er ganz bei sich ist, kann man das „Bewusstsein“ nennen, so wie ich es immer wieder beschreibe? Nein! Die nach außen gerichtete Bewusstheit nennt man auch Achtsamkeit und sie zu erreichen, ist ganz sicher ein gewaltiger Fortschritt, gegenüber der totalen Unbewusstheit von 99,99% aller Menschen. Aber das ist nicht die Bewusstheit oder vielmehr das Bewusstsein, von dem ich hier spreche. Das ist die Bewusstheit, die Gurdijeff lehrte und der wusste nicht, was das Ich ist, beziehungsweise wie man es erkennt. Auch im Buddhismus wird sehr viel Wert auf Achtsamkeit gelegt – siehe hier und hier.

Was meine ich dann mit Bewusstsein? Bewusstsein ist die nach innen gerichtete Bewusstheit und Aufmerksamkeit, die ihre eigene Individualität fühlt und eins ist mit allen Ich-Zentren. Es geht um die Tatsache, dass das innere Wesen sich als inneres Wesen erkennt. Um das zu erreichen, ist es aber vorteilhaft, wenn man zu einer gesteigerten Aufmerksamkeit in der Lage ist und ruhig bei sich sein kann.

Die nach innen gerichtete Bewusstheit ist etwas ganz anderes, als die nach außen gerichtete Achtsamkeit! Wer sich darauf trainiert, im Außen achtsam und bewusst zu sein, was man auch „mindfulness“ nennt, der trainiert in aller erster Linie seinen Beobachter und den Verstand (Mind). Man könnte das auch Konzentration auf sich selbst oder Zentriertheit nennen. Das ist bis zu einem gewissen Grad wünschenswert und Voraussetzung für eine innere Entwicklung.

Wirkliche Selbsterkenntnis und Spiritualität bezieht sich aber immer nur auf das innere Wesen (Selbst, ICH, Seele), dessen Entwicklung und seine Beziehung zum Absoluten – und hat mit äußerer Achtsamkeit absolut nichts zu tun. Man könnte sogar sagen, dass das Bewusstsein der eigenen Subjektivität der Gegenpol zu äußerer Achtsamkeit ist.

Achtsamkeits-Übungen würde ich eher als eine Art Therapie sehen, für Menschen, die rettungslos zerstreut sind und im Verstand rotieren. Genauso wie gewöhnliche „Meditationsformen„, die meist nur der Erreichung von innerer Ruhe dienen. Das ist alles sehr gut und daran gibt es auch nicht das geringste auszusetzen – aber mit wirklicher Selbst-Erkenntnis und innerer Entwicklung hat das nichts zu tun – es handelt sich dabei eher um eine Therapie. Siehe dazu dieses Video über Thich Nhat Han.

Jetzt wird auch klar, warum es Richtungen wie Advaita, Buddhismus und Hinduismus gibt. Sie haben nichts mit echter Selbsterkenntnis zu tun und richten sich nicht an ernsthafte Sucher – sondern an Massenmenschen. Deshalb auch die Achtsamkeitsübungen – die sich eindeutig an solche Menschen richten, die noch im Verstand rotieren.

Hier ist eine sehr scharfe Trennlinie zwischen Masse und Sucher. Massenmenschen sind völlig ungeeignet zu innerer Entwicklung – aber sie könnten Achtsamkeit trainieren, als Vorstufe zu innerer Entwicklung. Das macht durchaus Sinn, allerdings sollte man das nicht Selbst-Erkenntnis nennen, denn ein Selbst wird dabei nicht erkannt, da die Aufmerksamkeit immer nach außen gerichtet ist.

Das gilt auch für den Fall, wenn jemand seine Gedanken beobachtet, da er dabei nicht sich sieht, sondern nur die Objekte der Beobachtung. Denn, würde er sich wirklich selbst sehen und verkörpern, müsste er nicht die Gedanken beobachten, sondern würde einfach still sein.

Nach außen gerichtete Aufmerksamkeit richtet sich auf das Objekt (was)
Nach innen gerichtete Aufmerksamkeit richtet sich auf das Subjekt (wer)