Was einer nicht kennt, hält er für unmöglich

So, mein Freund, ich wollte ja niemanden mehr überzeugen. Aber es reut mich einfach, zu sehen, wie ein Mensch, der ein großes Potential hat, sich selbst verarscht. Noch dazu, wenn es genau der Mensch ist, der mir vor mehr zehn Jahren die ersten Schritte in der Selbsterkenntnis näher gebracht hat.

Ich weiß ganz genau, was Du für ein Problem hast, denn ich hatte das gleiche – mit einem Unterschied: ich konnte von Anfang an völlig mühelos mein Denken beherrschen – sobald sich die Tür für mich geöffnet hatte. Das muss daran gelegen haben, dass ich zuvor jahrelang auf den inneren Ton gehört habe, was (zumindest bei mir) zur Wahrnehmung und Stärkung der eigenen Präsenz geführt hat, so dass der Denker nicht mehr unbewusst ist und daher unkontrolliert denken kann. Meine Präsenz war damals schon so stark, dass es praktisch unmöglich war, sie wieder zu verlieren.

Aber ich wusste nicht mehr über mich, als Du jetzt über Dich. Das Denken zu beherrschen ist das Eine – zu wissen, was man ist und Einzelheiten seiner selbst zu identifizieren, ist noch etwas ganz anderes. Die Beherrschung des Denkens ist aber eine essentielle Voraussetzung, um den nächsten Schritt machen zu können, der darin besteht, Dich genau und vollständig zu untersuchen und alles in dir bewusst zu machen, was da ist und was potentiell da sein könnte.

Du blockierst Dich aber schon seit Jahren selbst damit, indem Du es für völlig unmöglich hältst, das Denken zu beherrschen. Was es für Dich unmöglich macht, Dich näher zu erforschen. Denn, in dem Geplärre Deines wild gewordenen Verstandes, kannst Du nichts anderes wahrnehmen. Das ist genau so, wie wenn Du in ein Heavy-Metal-Konzert gehst und bei voller Lautstärke der Band versuchst, die leisen und zarten Töne einer Geige zu hören. Du wirst mir Recht geben müssen, dass Du noch nicht einmal merken würdest, dass da überhaupt ein Geiger spielt – außer Du siehst ihn. Daher würdest Du auch nicht versuchen, auf die Geigentöne zu lauschen.

Dein Denkprozess läuft unbewusst ab – daher besteht der Inhalt Deines Verstandes auch nur aus sinnlosen Wortfetzen. Ich kenne das ganz genau, denn das war früher auch so bei mir – aber heute nicht mehr. Du agierst unbewusst – so, wie wenn Du Dich auf Dein Fahrrad setzt und von daheim losfährst. Dann gerätst Du plötzlich in eine Gedankenschleife und vergisst komplett, dass Du auf dem Fahrrad sitzt und lenkst, bremst und die Pedale trittst. Wenn Du dann ankommst, weißt Du nicht, wie Du dahin gekommen bist. Da Du aber nicht ableugnen kannst, dass es Dein eigener Körper war, der auf dem Fahrrad saß, musst Du dir also eingestehen, dass er das Rad gefahren hat – aber Du hast es nicht bemerkt.

Exakt genauso ist es mit dem Denkprozess. Du bist Dir dessen nicht bewusst, weil es ein unbewusster Teil Deiner selbst ist, der die Gedanken produziert. Und weil der Prozess unbewusst ist, sind die Gedankenfetzen auch nur geistiger Müll und nichts sinnvolles. Du kennst aber auch das Gegenteil, wenn Du nämlich intensiv geistig und logisch stringent arbeiten musst, um Deine Programme weiter zu entwickeln oder Fehler darin zu finden.

Wenn Du so konzentriert denkst, dann weißt Du ganz genau, was Du da tust und dann bist Du Dir auch sicher, dass Du das bist, der da denkt. Dann sind da normalerweise auch keine unbewussten Gedankenprozesse, denn, wenn Du konzentriert denkst, benötigst Du deine gesamte Energie für diesen Prozess – darum ermüdet das konzentrierte Denken auch so. Das gilt nur dann nicht, wenn Du komplett im Fluss (Flow) bist – dann fließt Dir soviel Energie zu, dass Du dich beinahe „high“ fühlst. Es ist natürlich möglich, dass die Konzentration nachlässt und dann Pausen im Denkprozess auftreten, in denen dann plötzlich doch wieder unbewusste Gedankenfetzen auftauchen.

Um bewusst zu denken, musst Du einen inneren Halt haben, den Du aber schon hast. Du musst Dir Deine Präsenz im Innenraum klar machen, musst sie fühlen und lokalisieren, zum Beispiel, indem du bewusst denkst. Dann fühle, wo sich die Präsenz in Deinem Kopf lokalisieren lässt. Wenn Du bewusst denkst, ist das immer im Bereich der Stirn, etwa fünf Zentimeter über Deinen Augen.

Denke einfach einen kurzen Satz, wie zum Beispiel: „Ich denke bewusst„. Fühle in die Lücken hinein, fühle Dich, Deine Präsenz, spüre was da ist und wo. Und dann fühle sanft aber mit Deiner ganzen Konzentration in Deine Präsenz an diesem Ort hinein. Benutze Deinen inneren Fühlsinn wie einen Scheinwerfer, wie wenn Du in einer dunklen Ecke, die Du nicht kennst, einen kleinen Gegenstand suchst, der Dir heruntergefallen ist.

Du wirst unfehlbar Dich selbst dort fühlen können, denn Du bist es, der da denkt und nichts anderes. Warum? Weil es nichts außer Dir (und der Quelle) zu finden gibt! Also mache die Augen auf und fange endlich an, Deine Lebensaufgabe, den Sinn Deiner Existenz zu erfüllen!

Zusammengefasst: Korrektes Denken erfolgt bewusst aus dem Nicht-Denken heraus.


Noch ein kritisches Wort zu Maharaj: Maharaj hat genau das nicht geleistet! Er hat sich nicht weiter entwickelt! Er ist aus seinem subjektiven Bewusstsein geflohen in das übergeordnete, universelle Bewusstsein. Das hat er auch immer wieder gesagt und (fälschlicherweise) betont, dass alles Individuelle der menschlichen Ebene angehört, die nicht perfekt ist.

Damit hat er sich aber für immer von seiner eigenen Entwicklung abgeschnitten. Im Vergleich zu einem normalen Menschen, der völlig unbewusst dahin vegetiert, ist/war Maharaj ein strahlender Held der Selbsterkenntnis. Aber sobald man weitergehende Informationen besitzt – die er nicht hatte – sieht man die Unvollkommenheit dessen, was er erreicht hat. Er hat sich nicht weiter entwickelt, sondern ist in eine perfekte Zone der Existenz geflohen und hat sich damit identifiziert.

Darum hat er auch gesagt, dass „das“ nicht weiter entwickelt werden kann und muss – weil es bereits perfekt ist. Aber „das„, (das universelle Bewusstsein) ist nicht individuell-subjektiv-bewusst („persönlich„), sondern allgemein-subjektiv-bewusst („unpersönlich„). Damit hat er seine individuelle Subjektivität, also seine eigene, geistig-energetische Existenz, verlassen und nicht getan, was er sollte, nämlich sie weiter zu entwickeln. Für mich ist er damit als individuell-subjektiv-bewusste Existenz „gestorben“ und in der universellen Existenz aufgegangen. Selbst  aus der absoluten Sicht heraus ist das keinesfalls perfekt, denn das universelle Bewusstsein ist nur ein Teil des Absoluten.

Man darf aber nicht den Fehler machen, ihn dafür zu verurteilen! Maharaj ist ein ganz Großer der Selbsterkenntnis – aber seine Erkenntnisse sind keinesfalls perfekt. Seine Erkenntnisse markieren gerade einmal den Anfang des Weges nach innen – nur darf man nicht den Fehler machen, wie er, sich im universellen Bewusstsein zu verkriechen, sondern man muss SICH SELBST fühlen wollen, treffen wollen, entdecken und entwickeln wollen. Nicht den Menschen, sondern SICH SELBST, das individuell-subjektiv-bewusste, geistig-energetische Wesen – das den Menschen und die Erscheinungs-Welt in seiner Wahrnehmung vorfindet.