Das innere Universum und seine lebenswichtigen Grenzen

Vor einiger Zeit schrieb ich über den inneren Körper. Heute kam es erneut dazu, dass der äußere physische Konstrukt wie eine Projektion erschien, die um den tatsächlich realen inneren Körper herum projiziert ist. Es scheint tatsächlich so zu sein, dass es sich um zwei total unterschiedliche Dimensionen handelt. Der innere Körper ist dabei nicht „im Inneren“ des physischen Körpers versteckt – die Dimension des physischen Körpers verdeckt die Dimension des realen, Körpers, der somit nicht innen ist, sondern „anderswo“ oder „jenseits“.

Wobei „verdecken“ auch nicht das richtige Wort ist. Es ist eher so, als ob die Aufmerksamkeit in der Lage ist, mehrere Dimensionen gleichzeitig zu erfassen – aber gewohnheitsmäßig fast immer auf die physische Dimension konzentriert ist. Ich kann dabei nicht einmal sagen, dass eine Dimension realer ist, als die andere – sie sind einfach komplett anders. Aber der innere Körper, wie ich ihn genannt habe, ist sehr viel näher an meinem eigentlichen Sein, als der physische, daher müsste man ihn vielleicht Seins-Körper oder Seelen-Körper nennen.

Als ich heute erneut tief in diese Dimension eintauchte, waren auch wieder die oberen Zentren als winzig kleine aber sehr scharfe Lichtpunkte fühl- und sichtbar – alles andere war tiefschwarz. Das Herzzentrum und das Bauchzentrum erschienen dagegen etwas verschwommen, wie durch einen Nebel zu sehen. Als ich das spürte, erschien in mir ein Gefühl der Gewissheit, um was es sich dabei handelt.

Es ist, wie wenn sich eine Protosonne bildet: Zuerst ist da nur ein Nebel, der sich immer weiter verdichtet, so weit, bis die Gravitation übermächtig wird und aufgrund des extrem hohen Drucks, ein Nuklearprozess zündet. Auf eine ähnliche Weise wird ein Ich-Zentrum gebildet. Die Aufmerksamkeit fällt in das nur rudimentär vorhandene Zentrum hinein, fokussiert und zentriert sich und zündet dabei den „Selbst-Erkennungsprozess“ des Zentrums. Anadi nennt das „Bare Attention“. Dieser erscheint nach seiner Festigung als Lichtpunkt, der am Anfang etwas unscharf wirkt, aber mit zunehmender Festigung und Reife immer schärfer wird.

Als diese Analogie in mir hoch kam, sah ich plötzlich den sich bildenden Seins-Körper als Keim eines neuen Universums. Und als ich das so anschaute, kam mir die Antwort auf eine Frage, die mir vor ziemlich genau zwölf Jahren ein Mensch stellte: „Was ist das Universum?“ Damals antwortete ich: „Du kannst das Universum nicht verstehen, weil es unendlich ist – dein Kopf aber endlich – und etwas unendliches passt schlicht und einfach nicht in etwas endliches hinein.“

Damals konnte ich diesem Menschen mit dieser Aussage sehr helfen, weil er seit seiner Kindheit versucht hatte, das Universum zu verstehen und darunter litt. Aber ich konnte die Frage nicht wirklich beantworten. Heute nun bekam ich die Antwort auf die mir damals gestellte Frage: „Ich bin so etwas, wie ein Keim, aus dem einmal ein Universum werden könnte. Folglich ist ein Universum ein kosmisches Lebewesen, das in seiner ‚Kindheit‘ noch kein Universum war, sondern ein Wesen, ähnlich wie dieser Mensch hier.

Das hört sich natürlich extrem esoterisch und völlig verrückt an. Wenn man aber bedenkt, dass Materie nur so aussieht, als ob sie fest und undurchdringlich ist und in Wirklichkeit aus extrem schnell fluktuierender Energie besteht, dann kann man ganz schnell erkennen, dass das sehr wohl real sein kann: Energie hat keine festen Dimensionen und Grenzen, sie kann daher in der physischen Dimension jede beliebige Form und Größe annehmen.

Ich weiß aus eigener Erfahrung, dass der Seins-Ozean eine Einheit ist, die alles enthält, was existiert. Daraus hervorgehende Erscheinungen – ob es sich um ein Universum handelt oder um eine Amöbe – sind nur lokale „Abgrenzungen“ oder „Ausstülpungen“ innerhalb des Seins-Ozeans. Alles ist untrennbar damit verbunden und niemals kann etwas außerhalb davon existieren.

Somit ist ein Universum, wie auch eine Amöbe nichts anderes, als eine lokal begrenzte Energieballung mit einer spezifischen Struktur und Individualität innerhalb des Seins-Ozeans. Man kann nicht sagen, dass ein Universum der Seins-Ozean ist – aber es ist „innerhalb“, weil es kein „Außerhalb“ gibt – und es ist untrennbar mit dem Ozean verbunden.

Wenn nun jemand sagt, dass er „nur Bewusstsein“ ist und sein individuelles Ich leugnet, dann erkennt er seine Individualität nicht, was bedeutet, dass er seine lokalen und individuellen Grenzen innerhalb des Seins-Ozeans nicht erkennt. Das ist wie ein Wassertropfen ohne äußere Grenze, der in den Ozean fällt – er vermischt sich untrennbar damit und verschwindet.

Ein individuelles Wesen, das seine grundlegende Individualität nicht erkennt, kann unmöglich der Keim von etwas Neuem und Größeren werden, denn dazu muss es Grenzen aufbauen, die es in die Lage versetzen, sich gegen feindliche Außeneinflüsse erfolgreich zur Wehr zu setzen. Daher muss so ein Wesen nach Ablauf seiner physischen Lebensspanne zwangsläufig aufgelöst werden – es sehnt sich aufgrund der Negierung seiner grundlegenden Individualität (=Grenzen) geradezu danach, im großen Ganzen aufgelöst zu werden.

Dazu heißt es bei Castaneda: „Wir sind Krieger, und Krieger haben nur eines im Sinn – ihre Freiheit. Zu sterben und vom Adler gefressen zu werden, das ist keine Herausforderung. Doch dem Adler zu entgehen und frei zu sein, das ist die äußerste Kühnheit

Um diese Aussage zu verstehen, muss man wissen, dass „der Adler“ bei Castaneda den Geist, bzw. Urgrund symbolisiert – der nach dem Sterbeprozess des physischen Körpers den Wesenskern „frisst“, wenn dieser nicht in der Lage ist, ihm zu entgehen. Der begriff „Fressen“ ist hier nur auf das Bild des Adlers bezogen, das die Art der Kultur wiederspiegelt, die es erzeugte.

Der tatsächliche Vorgang gleicht eher dem Auflösen eines Wassertropfens im Meer, als dem Zerreißen eines Beutetieres durch den Schnabel und die Klauen eines Adlers. Solche grauenvollen Bilder dienen dazu, potentielle Schüler dazu zu bringen, den notwendigen Weg bis zum Ende zu gehen. Damit sind sie durchaus berechtigt, denn es ist allemal besser diesen Pfad aus Angst zu betreten, als ihn erst gar nicht zu betreten. Und bei Castaneda wird sehr deutlich, dass Angst ein hauptsächlicher Bestandteil des Erkenntnis-Pfades der von ihm beschriebenen Krieger-Kultur war.

Bei mir ist es eher Sehnsucht und Neugier – aber keine Angst. Wenn überhaupt, dann habe ich Angst davor, diesen Weg aus irgendwelchen Gründen nicht zu Ende gehen zu können – weil ich ihn unbedingt zu Ende gehen will. Ich habe Respekt und eine Art Ehrfurcht vor dem, was mich erwartet – aber keinesfalls Angst. Wie könnte ich Angst vor etwas haben, das mich zu dem Zweck gemacht hat, dass es sich selbst durch meine Form erfahren kann? Ich bin von der Art dessen, der mich gemacht hat – wie jedes andere Wesen auch.

Jetzt stellt sich die Frage: Wie wird man frei, wie kann man verhindern, „gefressen“ bzw. aufgelöst zu werden? Man muss erkennen, dass man existiert, wie man existiert, wer es ist, der existiert, welche Struktur der Existierende hat und herausfinden, was man tun muss, um diese Struktur dauerhaft zu machen. Das ist die Arbeit eines Kriegers.

Man kann nicht sagen, dass dieses Wissen in dieser Dimension nicht gelehrt wird – aber es wurde bisher nicht so gelehrt, dass ich es verstehen konnte – bis ich auf Anadis Arbeit stieß. Jetzt plötzlich machen viele Aussagen und Hinweise Sinn, die ich vorher nicht verstanden hatte. Und jetzt erkenne ich, dass dieses Wissen die ganze Zeit hier war und nur nicht von mir verstanden wurde. Mit anderen Worten: Ohne Selbst-Erkennen gibt es kein Wieder-Erkennen. Wieder-Erkennen und Selbst-Erkennen sind identisch.