Der Weg zur Erkenntnis

Wer die Wahrheit über diese Welt begreifen will, muss (an-) erkennen, dass diese Welt nicht materiell ist. Er muss erkennen, dass sie von der Quelle, die reines Bewusstsein ist, in sich selbst als eine gigantische Abfolge von Bewusstseins-Bildern projiziert wird. Diese Bilder bestehen aus vibrierender Bewusstseins-Substanz der Quelle und sind daher ebenfalls bewusst. Er muss erkennen, dass er dieses Ursprungs-Bewusstsein ist, dass er die Quelle von allem ist – weil nur diese Quelle existiert. Die Quelle ist EIN Wesen, das EINZIGE Wesen – und jeder IST dieses Wesen. Daher kann absolut nichts getan werden, um zum Ursprung zurückzukehren – denn jeder ist identisch mit dem Ursprung und absolut perfekt – und niemand kann etwas tun, um das zu werden, was er schon ist.

Aber die Allermeisten wollen nicht das sein, was sie sind – sie schauen weg, verdrängen, sie versuchen besser zu werden, schöner, klüger und angesehener. Genau diese Versuche aber sind es, die verhindern, dass sie ihre Vollkommenheit erkennen und leben können. Alles was dazu nötig wäre, um seine eigene Vollkommenheit zu erkennen, ist, ständig eine wache, stille Bewusstheit aufrecht zu halten und alles so anzunehmen, wie es erscheint, ohne innerlich auszuweichen oder zu kompensieren.

Diese dauerhafte, stille Bereitschaft, ermöglicht dann das Bemerken von  Einbrüchen aus der transzendenten Ebene und Erkenntnis-Blitzen, denn niemand kann von sich aus die transzendente Ebene erreichen – er wird hinüber gezogen. Es geht also nicht darum etwas zu tun, sondern darum, aufzuhören etwas zu tun und statt dessen aufmerksam zu sein.

Es gibt bei jedem Menschen mehrmals täglich Einbrüche der Wirklichkeit. Das bedeutet, dass jeder mehrmals täglich die Möglichkeit hat, die Wirklichkeit zu erfassen und festzuhalten – aber dazu muss man still und aufmerksam sein. Die meisten sind jedoch vollkommen von ihren Gedanken und Gefühlen absorbiert und schlafen tief und fest, obwohl ihr Körper sich bewegt – und deshalb bemerken sie absolut nichts von der Wirklichkeit.

Es braucht keine Meditation, kein Beten, keine Übungen, kein gar nichts – denn das sind nur Versuche des künstlichen „Ich“, etwas zu erreichen. Solche Übungen mästen das Ego, statt es zu schwächen. Es bedarf statt dessen der Einsicht, dass man DAS mit dem Verstand nicht erreichen kann – dass man statt dessen einfach nur mit wahlfreier Aufmerksamkeit im Moment bleiben muss. Den Rest erledigt DAS von sich aus…
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Die Projektion des Universums

Wie oben schon beschrieben, projiziert die Quelle, der Ursprung allen Lebens, gigantische Mengen an Bewusstseins-Bildern in sein eigenes Bewusstsein hinein – diese bilden das komplette Universum, wie wir es kennen. Um aber das wunderbare Schauspiel dieses Universums zu ermöglichen und stetig weiter entwickeln zu können, wird die Herkunft und die Bewusstseins-Eigenschaft der projizierten Bilder vor diesen verborgen. Verschiedene weitere Mechanismen sorgen dann dafür, dass die Bewusstseins-Bilder glauben, das zu sein, was sie darstellen – Menschen, Tiere, Pflanzen und feste Objekte.

Dadurch entsteht das Gefühl der Trennung und dieses Gefühl ist es, was die Schöpfung eigentlich antreibt – weil die Bilder unbewusst nach der Quelle zurück streben, aber nicht wissen, was und wo sie ist und daher alles mögliche tun, um dieses Gefühl zu kompensieren. Das funktioniert im Prinzip genauso, wie die Kompensation der sexuellen Zwangswirtschaft, deren nicht ausgelebte Energien dann zum Beispiel in den Konsum fließen.

Da jedes dieser Bilder aber aus dem ursprünglichen Bewusstsein besteht und auch nur im Ursprungs-Bewusstsein existiert, gibt es keine Trennung zwischen den Bildern und auch nicht zwischen ihnen und der Quelle. Somit gibt es auch nichts zu tun, um wieder die Quelle zu sein – denn die Bilder sind immer identisch mit ihr.

Das Problem besteht nur darin, dass sie das nicht wissen, weil es absichtlich vor ihnen verborgen wird. Ein weiteres Problem besteht darin, dass kein individuelles Bewusstseinsbild aus eigenem Antrieb handeln kann. Es kann daher auch nicht eigenmächtig erkennen, identisch mit der Quelle zu sein oder einen Übungsweg beschreiten, um die Quelle „zu finden“.

Es ist die Quelle selbst, die dem individuellen Bewusstsein den Rückweg ermöglicht, indem langsam die Hüllen weg genommen werden, welche die Wahrheit vor diesem verbergen. Alle anderen Bewusstseinsbilder, die das noch nicht erkennen dürfen, werden sich strikt weigern, zu glauben, dass sie reines Bewusstsein sind und weiter an ihrem Glauben festhalten, das Wesen zu sein, das sie scheinbar darstellen – also eine selbstverantwortlich handelnde Person zu sein, ein Körper mit Namen und Adresse.
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Mit der Wahrheit konfrontieren

Wenn ein Mensch von der Quelle dahin gebracht wird, dass er anfängt, nach seiner tatsächlichen Herkunft zu suchen, dann kann man ihn mit dieser Wahrheit konfrontieren. Wenn er sie annehmen kann und in ihm die Erkenntnis wie ein Blitz einschlägt, dann braucht er nichts weiter zu tun – außer zu lernen, möglichst immer präsent zu sein. Das ist deshalb nötig, weil ansonsten die Gefahr besteht, dass der Aspirant die Erkenntnis wieder vergisst und im Verstand versackt. Außerdem kann niemand identisch mit der Quelle werden, weil jeder die Quelle ist. Mit anderen Worten, um die Quelle zu sein, muss er sich immer mit ihr identifizieren und so sein, wie die Quelle ist: ununterbrochen präsent und nicht-wertend.
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Präsent sein

Alle anderen, die nicht das Glück oder die Fähigkeiten besitzen, blitzartig zu erkennen, müssen zuerst die Fähigkeit entwickeln, dauerhaft präsent zu sein. Das bedeutet, sie müssen lernen, ständig so aufmerksam zu sein, dass sie immer wissen, wo sie sind, was sie gerade tun, was um sie herum passiert, in welchem Zustand sich der Körper befindet und welche Gedanken und Gefühle gerade da sind. Nichts sollte abgelehnt werden, nichts bevorzugt.

Das zielt vor allen Dingen darauf, dass man auch in extrem unbehaglichen Situationen, vor denen man normalerweise innerlich flüchtet, standhaft bleibt und die Situation aushält, wie sie sich zeigt, denn genau dann passiert am meisten! Außerdem sollten sie sich immer darüber im Klaren sein, dass sie die Quelle sind und sich mit ihr zu identifizieren. Sie sollten so tun, als hätten sie diese Erkenntnis bereits – denn schließlich sind sie ja die Quelle, die sich aber wieder an diese Tatsache gewöhnen muss.
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Selbst-Ergründung

Es gibt verschiedene Möglichkeiten, um dauerhafte Präsenz zu erlernen – zum Beispiel die Methode der Selbst-Ergründung mit der Frage „Wer bin ich?“, die durch Ramana Maharshi populär wurde. Dabei stellt man sich während der gesamten Wachphase beim Aufkommen von Gedanken die gedankliche Frage: „Wer bin ich?“ und lauscht und spürt dahin, wo diese Frage im Körper erklingt und wieder verklingt. Man sollte die Frage also nicht beantworten, sondern nur Lauschen und dorthin fühlen, wo sie verklang. Sobald erneut Gedanken aufkommen, stellt man sich die gedanklichen Fragen: „Wem kommen diese Gedanken?“ – „Mir!“ – „Wer bin ich?“ und lauscht erneut. Usw…

Man kann auch immer nur „Wer bin ich?“ fragen. Der Inhalt der Frage ist nicht wichtig. Man könnte auch einfach auf den Atem achten, nachdem Gedanken aufkamen. Das Ziel der Übung ist, einen Gedanken festzuhalten, um andere fern zu halten – und den Raum oder Ort im Körper zu entdecken und stets dort zu bleiben, in dem die Frage, bzw. der Atem erklingt und verklingt. Die Aufmerksamkeit sollte immer in diesem Wahrnehmungs-Raum sein, der am Anfang nur wie ein Punkt oder ein kleiner Bereich im Körper zu spüren sein wird.
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Dem inneren Ton lauschen

Eine andere Methode besteht darin, auf die innere energetische Aktivität des Körpers zu lauschen, die sich in Form eines feinen, inneren Tones bemerkbar macht. Eine Anleitung dazu befindet sich hier. Man hört einfach immer konzentriert auf diesen Ton. Sobald die Konzentration auf den Ton nachlässt, weil die Aufmerksamkeit sich von dort wegbewegt hat, verschwindet der Ton aus der Wahrnehmung. Sobald man das bemerkt, geht man mit der Aufmerksamkeit wieder zum inneren Ton zurück und konzentriert sich erneut darauf. Wichtig ist auch hier, wie bei der ersten Methode, dass man sich des Wahrnehmungs-Raumes bewusst wird. Der Ton ist nur der Anker, der es erlaubt, relativ komfortabel die Präsenz zu halten.

Man sollte beide Methoden ausprobieren und die wählen, die einem am meisten liegt. Es geht hier aber keinesfalls darum, eine Übung zu machen, um „erleuchtet“ zu werden! Die beiden genannten Methoden vermitteln die Fähigkeit still im Moment zu verbleiben – nicht mehr! Wenn das irgendwann gelingt, dann kann man sich den 112 Spontan-Übungen des Vijana Bhairava Tantras (Tantra des göttlichen Bewusstseins) zuwenden, die dann spontan ausgeführt werden, wenn es einem in den Sinn kommt. Keinesfalls darf man aus irgendwelchen Übungen einen Übungsweg machen, denn dann baut man nur eine hochgespannte Erwartung auf, die den Blick auf das Ego konzentriert und den weiten, entspannten Blick auf den alles zugrundeliegenden, leeren Raum verunmöglicht.
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Der Wahrnehmungs-Raum

Diese dauerhafte Präsenz verdichtet sich im Laufe der Zeit immer mehr und irgendwann ist sie der Normalzustand. Mit zunehmender Präsenz wird aus dem Wahrnehmungs-Punkt im Körper ein immer größer werdender Wahrnehmungs-Raum, der am Ende so groß ist, dass er alle Wahrnehmungen und auch den Körper und alles außen herum einschließt. Dieser Wahrnehmungs-Raum ist das Bewusstsein, das mit menschlichen Sinnen nicht wahrnehmbar ist. Bewusstsein ist immerwährendes, waches, sich selbst gewahrendes Sein. Es ist überall und in allem enthalten, ist eine Art Raum oder Rahmen, in dem alles erscheint.

Dieses Wissen um die eigene Existenz und die Räumlichkeit mit den darin enthaltenen Wahrnehmungen ist das Bewusstsein. Bewusstsein = Wissen vom eigenen Sein.
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Bewusste Identifikation mit dem Selbst

Da man das Selbst, das Bewusstsein, den leeren Raum nicht direkt wahrnehmen kann, also nicht irgendwann ein Objekt entdecken kann, welches man als das Selbst erkennt – muss man sich bewusst mit dem Selbst identifizieren. Der Aspirant sollte sich immer bewusst sein (ohne darüber nachzudenken), dass er identisch mit dem Selbst ist und dass die Summe der Wahrnehmungen – also das gesamte Universum – der Körper des Selbst ist.

Indem der Aspirant sich stets klar darüber ist, dass er das Selbst ist und dass das Universum sein eigener Körper ist, tut er so, als hätte er diese Erkenntnis schon. Zu diesem Zweck hilft es, immer wieder intensiv über die Zusammenhänge nachzudenken, und sie ausgiebig zu reflektieren. Das tut man solange, bis jeder Zweifel ausgeräumt ist, was lange dauern kann – aber mit der Zeit auch zunehmend durch eigene Erfahrungen unterstützt wird.

Am Ende muss man dann alle Hoffnungen und Erwartungen fahren lassen und einfach immer still und präsent sein – und in dieser tiefen Stille wird dann das erfahren, was jeder ist. Diese Erkenntnisse und Erfahrungen kann niemand machen oder herstellen – sie werden gegeben und brechen buchstäblich in Form von „Blitzen“ oder „Schlägen“ über einen herein.
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Reinigung durch das Bewusstseins-Licht der Quelle

Wer immer präsent ist, sich stets bewusst mit dem Selbst identifiziert, und keine diskursiven Gedanken mehr wälzt, die sich mit dem Für und Wider der aktuellen Situation beschäftigen oder mit der Vergangenheit oder der Zukunft – der wird im Bewusstseins-Licht des Selbst gereinigt. Energetische Verkrustungen werden langsam aufgeweicht und fallen irgendwann weg und die Chakren werden nach und nach geöffnet. In diesem Reiniguns-Prozess wird der Mensch vom Selbst dem Selbst immer ähnlicher gemacht – denn das tut tatsächlich alles das Selbst – der Mensch ist nur scheinbar der Handelnde!

Irgendwann kommt es dann dazu, dass er plötzlich blitzartig erkennen kann, was er vor der Übungsphase noch nicht konnte: Er weiß dann, dass es nur ein Wesen gibt, das reines Bewusstsein ist und dass er dieses Wesen ist. Er erkennt, dass alle wahrnehmbaren Objekte und auch das Ich, die Person und der Körper – nur in diesem Bewusstsein sind und nicht außerhalb und dass sie aus Bewusstseins-Stoff bestehen. Weiter erkennt er, dass die scheinbar äußere Welt nichts anderes ist, als er selbst – das Universum ist sein eigener Körper, seine eigene Ausdehnung. Mit anderen Worten – er weiß dann zutiefst und mit absoluter Klarheit, dass er das tatsächlich ist, was er die ganze Zeit geübt hat.
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Der natürliche Zustand

Der natürliche Zustand des Bewusstseins, der von Ramana Maharshi Sahaja-Samadhi genannt wird, besteht darin, ununterbrochen präsent zu sein und alles zu spiegeln, was in ihm erscheint. Nichts wird dabei abgelehnt oder bevorzugt – es wird auch nicht versucht, etwas zu unterdrücken oder zu „machen“. Man ist einfach mit jeder Wahrnehmung und ist sich bewusst, dass es nur eine Wahrnehmung ist. Egal, was es auch sei: das Ich, die Person, das Ego, Gedanken, Gefühle, Emotionen, Geräusche, Gerüche, andere Menschen, Tiere, sonstige Objekte.

Alles ist einfach nur da, es erscheint und vergeht wieder. In so einem Bewusstsein ist ein Hundehaufen das gleiche, wie eine Goldmünze – nämlich einfach nur ein Wahrnehmungsobjekt. Natürlich sind da Unterschiede – aber zuerst einmal sind das alles nur Wahrnehmungsobjekte im Bewusstsein und aus Bewusstsein – Unterschiede werden erst danach wahrgenommen. Alles erscheint und vergeht in diesem unendlichen Bewusstseins-Raum, in dieser offenen Weite, die jeder ist.

Ein solcher Mensch ist sich immer bewusst, dass er identisch mit der ursprünglichen Quelle ist und dass alles Existente und Wahrnehmbare durch sie selbst aus ihrem eigenen Bewusstseins-Stoff erzeugt und in die Quelle hinein projiziert wird. Er weiß, dass es nur EIN Wesen gibt und dass er dieses Wesen ist.
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Was ist der Unterschied zwischen einem Schnell-Checker und einem Langsam-Checker?

Der Schnell-Checker erkennt sofort, in einem Erkenntnis-Blitz und muss danach lernen, sich mit der Quelle zu identifizieren und so zu sein, wie sie ist: ununterbrochen präsent und nicht-wertend.

Die Langsam-Checker müssen zuerst lernen präsent und nicht-wertend zu sein und sich mit der Quelle zu identifizieren – und erkennen später, im Laufe dieses Prozesses, die Wahrheit in einem Erkenntnis-Blitz.

Es gibt also keinen wirklichen Unterschied, denn das was am längsten dauert ist in beiden Fällen die Einübung der dauerhaften Präsenz. Der Erkenntnis-Blitz dauert dagegen oft nicht einmal eine Sekunde. Der Unterschied liegt also nur darin, wann der Blitz einschlägt…


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