Ausdehnung, offene Weite

Im letzten Beitrag wurde die Wichtigkeit der Konzentration betont – und man kann sie gar nicht überbetonen! Ohne die Konzentration auf einen einzelnen Gedanken oder einen inneren Ton, wird es niemals gelingen, den Geist endgültig zu beruhigen. Egal, was man sonst tut, welche Übungen auch immer man macht – der Geist muss dauerhaft ruhig gestellt werden und das geht niemals mit Gewalt, sondern indem man ihm, wie einem kleinen Kind, immer wieder den richtigen Ort zuweist.

Erst wenn der Geist soweit beruhigt ist, dass er für eine Weile ruhig bleibt, hat man die Chance die Ausdehnung des Bewusstseins zu erfahren, die offene Weile, in dem alles Wahrnehmbare nur als „das“ erkannt wird. Wenn man immer weiter fortfährt, dem Geist seinen Platz zu zeigen, wenn er aufsteht, wird er sich irgendwann so sehr daran gewöhnt haben, dass er dort bleibt, wo er hingehört: in der Stille.

Der vollkommen reine Geist, ohne jeden Gedanken, ist identisch mit dem Selbst. Daher gibt es nicht mehr zu erreichen, als den reinen und leeren Geist, denn es gibt nur das Selbst. Das Problem besteht ja nur darin, dass sich dieses Selbst, weil es auf das innigste mit dem Geist verbandelt ist, sich mit den in ihm erscheinenden Objekten verwechselt – es projiziert sein eigenes Existenzgefühl auf diese Objekte und erfährt dadurch: Das bin ja ich

Aber je länger man still bleibt, umso feiner werden die Wahrnehmungen. Man bewegt sich weg vom groben Ego und der Sicht auf scheinbar getrennte Objekte in einem scheinbaren Außen, hin zu einer immer subtiler und umfassender werdenden Sicht, in der nichts mehr voneinander getrennt ist.

Ich weiß noch ganz genau, wie unruhig mein Geist war, bevor er endgültig in die Schranken gewiesen und befriedet wurde. Es gab keine ruhige Minute – immer war irgend etwas im Kopf, was bedacht und bemerkt werden wollte. Ein Gedanke jagte den anderen und oft genug ging alles wirr durcheinander. Jetzt ist da gar nichts mehr, außer einer tiefen Stille.

Das kann aber nur einer verstehen, der es aus eigener Erfahrung nachvollziehen kann. Jeder andere wird denken, dass das wohl wunderbar wäre – aber völlig unmöglich zu erreichen. Aber das ist ein Irrtum – es reicht ja, die Gedanken immer und immer wieder zu beruhigen, indem man auf den Ton hört oder fragt: wer bin ich?

Man darf sich nur nicht verwirren lassen, sondern muss einfach immer weiter machen, bis der Geist befriedet ist. Was macht es denn, wenn das Jahre dauert? Schließlich hat man auch zehn Jahre oder länger in der Schule verbracht und sich teilweise unsinnigsten Müll reingezogen. Nun geht man eben in die Geistes-Schule und lernt, wie man den Geist von der Gewohnheit des unkontrollierten Denkens befreit. Der Lohn lässt sich erst dann ermessen, wenn man das geschafft hat – aber ich weiß, dass es sich lohnt – es gibt nichts lohnenderes…

Heute Morgen, als ich mit dem Hund draußen war, öffnete sich wieder das Bewusstsein und wurde sehr weit. Da war erneut das direkte Erkennen da, dass alles einfach nur in mir ist, einfach nur: „das“. Ich habe dann nicht mehr das Gefühl von irgend etwas getrennt zu sein – alles gehört mir, ist in mir, es gibt nichts außerhalb von mir. Und mit „mir“ meine ich nicht den Körper – der war ebenfalls nur ein Objekt im Bewusstsein, wie der Hund, die Bäume am Waldrand oder der Feldweg. Es ist so, dass da das Gefühl der Existenz ist und dieses Gefühl umfasst einfach alles, was gerade im Wahrnehmungsfeld vorhanden ist. Ich bin – und ich bin alles.

Das Eigentliche ist etwas räumliches, der Raum des stillen Bewusstseins.

Mit dieser Sicht, die sich immer häufiger manifestiert, wird es immer schwieriger, die Welt und Vorgänge in ihr als schlecht oder falsch zu bezeichnen – selbst dann nicht, wenn furchtbare Dinge geschehen (aus herkömmlicher Sicht). Es ist (noch) nicht so, dass es keine Aufregung mehr gibt oder keinen Zorn und ich weiß auch nicht, ob das jemals aufhört. Aber wenn es nicht aufhören sollte, dann ist es eben das, was dieser Körper in der gegebenen Situation tut und wie er reagiert. Auch das taucht nur im Wahrnehmungsfeld auf und verschwindet wieder. Solange der innere Kritiker sich nicht erhebt und es daher niemanden gibt, der sich darüber aufregt – gibt es auch kein Problem.