Zwei Arten von Stille – Update

Es gibt drei grundsätzliche Zustände des Bewusstseins:

  • +1 Überaktiv: Unruhe, zwanghafte Gedanken/Aktionen, verspannt, ständige Aktion
  • 0 Neutral:      Stille, Frieden, frei fließend, aufmerksam, bereit zur Aktion. (Mushin)
  • -1 Inaktiv:      schläfrig, schlaff, eingelullt, unkonzentriert, passiv und nicht bereit zur Aktion.

Daraus ergeben sich zwei grundsätzliche Arten von Stille:

  1. Eine hellwache, aufmerksame, „knackige“ Stille – das ist die korrekte Art.
  2. Eine dumpfe, schläfrige, schlaffe Stille – das ist die falsche Art.

Die Stille ist in beiden Fällen die gleiche – aber die zweite Art ist kontaminiert mit Schlaf, Schläfrigkeit und Unwille zur Aktion. Wenn bemerkt wird, dass die schläfrige Stille da ist, dann kann ein einfaches Mittel helfen, um die Schläfrigkeit zu vertreiben und die hellwache Stille zu aktivieren: Sich selbst zu erschrecken. Man stößt dabei einen kurzen, scharfen Schrei aus, wie einen Kampfschrei beim Kampfsport, was den Körper sofort in Alarmbereitschaft versetzt. In Situationen, wo das nicht möglich ist, hilft oft auch eine schnelle Bewegung, zB eine kurze, ruckartige Drehbewegung des Kopfes.

Schläfrige stille tritt hier auch auf aber relativ selten, was möglicherweise damit zusammenhängt, dass sehr lange auf den inneren Ton gehört wurde, was eine starke Konzentration benötigt. Diese Konzentration hält intensiv wach. Das „sich selbst erschrecken“ kann auch verwendet werden, um eine meditative Haltung oder eine Konzentration auf ein Körpergefühl zu zerstören.

In allen Traditionen wird vor der schläfrigen Stille gewarnt, weil sie völlig wertlos ist. Die Kampfschrei-Methode kommt aus dem Dzogchen, bei dem solche Methoden verwendet werden, um die meditative Haltung der vorgelagerten Shamatha-Meditation zu vernichten. Der natürliche Zustand des Bewusstseins ist nicht schläfrig, sondern hellwach, aufmerksam, knackig, scharf. Und die hauptsächliche Dzogchen-Übung besteht daraus, genau diesen Zustand beizubehalten und die Schläfrigkeit zu vertreiben. Das Bewusstsein soll stets frei schweben, ohne sich irgendwo fest zu halten und dabei hellwach, klar, scharf und „knackig“ sein.

Ich habe nie Übungen von Dzogchen oder aus anderen Traditionen benutzt, sondern immer nur auf den inneren Ton gehört.  Aber nach dem Shift wusste ich nicht, was passiert ist und ich suchte lange herum, bis ich fündig wurde. Mein „Problem“ war, dass hier eine vollkommene innere Stille da war, in der von Natur aus keine Gedanken sind – diese Stille lässt sich nicht zerstören oder verändern.

Im Zen und auch bei vielen anderen Traditionen wird aber genau davor gewarnt, sich an einer „gedankenleeren Stille“ festzuhalten oder zu versuchen eine herzustellen. Man solle diese zerstören und zur Zen-Übung zurück kehren. Das hat mich lange verunsichert – bis ich merkte, dass es vollkommen sinnlos ist, diese Stille zerstören zu wollen – sie kann nicht zerstört werden – sie IST, was ICH BIN.

Irgendwann kapierte ich dann, dass alle Traditionen vor der schläfrigen Stille warnen, die auch gedankenleer sein kann – und die muss zerstört werden, denn das ist eine Art Schlaf. Im Prinzip ist die schläfrige Stille der Zustand, der direkt vor dem Einschlafen auftritt, oft begleitet von hypnagogen Bildern.

Die hellwache Stille, jederzeit bereit zur Aktion, nicht an einem Ort lokalisiert, ist dagegen der natürliche Zustand des leeren Bewusstseins, das nie schläft und überall gleichzeitig ist.


Nachtrag: Ich habe gerade das hier gefunden:

The unfettered Mind – Writings from the Zenmaster to the Swordmaster

Auszug Seite 13:
Der richtige Verstand und der verwirrte Verstand

Der rechte Geist ist der Geist, der nicht an einem Ort bleibt. Es ist der Geist, der sich ausdehnt im ganzen Körper und Selbst. 
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Der verwirrte Geist ist der Geist, der an einem Ort erstarrt, wenn man über etwas nachdenkt.
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Wenn der rechte Geist an einem Ort erstarrt und sich niederlässt, wird er zu dem, was man „verwirrter Verstand“ nennt. Wenn der rechte Geist verloren geht, fehlt ihm hier und da die Funktion. Aus diesem Grund ist es wichtig, ihn nicht zu verlieren.
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Indem der rechte Geist nicht an einem Ort bleibt, ist er wie Wasser.
 Der verwirrte Verstand ist wie Eis, und Eis ist nicht in der Lage, Hände oder Kopf zu waschen.
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Wenn Eis geschmolzen ist, wird es zu Wasser und fließt überall, und es kann die Hände, die Füße oder alles andere waschen.
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Wenn der Geist an einem Ort erstarrt und bei einer Sache bleibt, ist er wie gefrorenes Wasser und ist nicht frei verwendbar: wie Eis, das weder Hände noch Füße waschen kann.
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Wenn der Geist geschmolzen ist und wie Wasser verwendet wird, das sich über den ganzen Körper erstreckt, dann kann er überallhin geschickt werden, wohin man ihn schicken will. Das ist der richtige Verstand.
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Ein altes Gedicht sagt:
Zu denken,
Ich werde nicht denken
ist auch nur Denken.
Denk einfach nicht.
Die folgenden Ratschläge gab Zenmeister Bankei dem Krieger Gesso:
Wenn Sie bei der Ausführung einer Bewegung gedankenlos handeln, springt die Aktion von selbst aus. Wenn sich Ihr Ki ändert, ändert sich auch Ihre physische Form. Wenn Sie von Gewalt weggetragen werden, verlassen Sie sich „auf sich selbst„. Hintergedanken zu haben, entspricht nicht dem Natürlichen. Wenn Sie nach Überlegungen handeln, sind Sie an Gedanken gebunden. Der Gegner kann dann die Richtung Ihres Ki bestimmen. Wenn Sie versuchen, sich durch gezielte Anstrengung zu stabilisieren, wird Ihr Ki diffus und Sie können nachlässig werden. Wenn Sie absichtlich handeln, ist Ihre intuitive Reaktion blockiert. und wenn Ihre intuitive Antwort blockiert ist, wie kann der Spiegelgeist erscheinen? Wenn Sie, ohne nachzudenken und ohne vorsätzlich zu handeln, das Ungeborene manifestieren, werden Sie keine feste Form haben. Wenn Sie keine feste Form haben, gibt es im ganzen Land keinen Gegner für Sie. Nichts festhalten, sich nicht einseitig auf irgendetwas verlassen, gibt es kein „Du“ und keinen „Feind„. Was auch immer kommt, Sie antworten nur, ohne Spuren zu hinterlassen. Himmel und Erde sind gewaltig, aber außerhalb des Geistes gibt es nichts zu suchen. Werden Sie jedoch getäuscht, wird dieser Geist Ihr Gegner. Außerhalb des Geistes gibt es keine Kampfkunst.
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In performing a movement, if you act with no-mind, the action will spring forth of itself. When your ki changes, your physical form changes along with it. When you’re carried away by force, that is relying on „self.“ To have ulterior thoughts is not in accordance with the natural. When you act upon deliberation, you are tied to thought. The opponent can then tell [the direction of] your ki. If you [try to] steady yourself by deliberate effort, your ki becomes diffuse, and you may grow careless. When you act deliberately, your intuitive response is blocked; and if your intuitive response is blocked, how can the mirror mind appear? When, without thinking and without acting deliberately, you manifest the Unborn, you won’t have any fixed form. When you are without fixed form, no opponent will exist for you in the whole land. Not holding on to anything, not relying onesidedly on anything, there is no „you“ and no „enemy.“ Whatever comes, you just respond, with no traces left behind. Heaven and earth are vast, but outside mind there is nothing to seek. Become deluded, however, and instead this mind becomes your opponent. Apart from mind, there is no art of combat.  (Tomisusanshi, zenshu, p. 940.)