Ich gehe morgens aus dem Haus und in dem Moment, wenn ich meine Frau nicht mehr sehe, ist sie in mir weg. Sie taucht erst dann wieder in mir auf, wenn ich sie am Abend wiedersehe. Exakt genauso verhält es sich mit allen anderen Dingen. Sobald etwas nicht mehr wahrgenommen wird, ist es weg, so sehr weg, als hätte es nie existiert.
Es gibt davon nur eine Ausnahme – wenn irgend ein aktuelles Ereignis das Hervortreten eines oder mehrerer Daten aus dem Gedächtnis triggert. Aber ohne Trigger steigen weder Gedanken, noch Gedächtnisinhalt auf. Was dann noch übrig bleibt, ist eine unendlich tiefe Stille.
Das bedeutet nicht, dass es keine Gedanken gibt oder dass aktives Denken nicht möglich wäre – das findet aber nur dann statt, wenn es notwendig ist. Ein nicht benutztes Werkzeug wird gewöhnlich abgeschaltet. Hier ist das genauso – aber ohne, dass das Abschalten aktiv stattfindet. Es ist genau anders herum: Denken ist eine Aktivität, die Energie verbraucht und aktiviert werden muss. Findet aktives Denken nicht mehr statt, fällt der Pegel selbsttätig auf Null.
Früher war das vollkommen anders. Da war ununterbrochen Aktivität im Hirn und praktisch nie Stille. Stille musste durch das Hören auf den inneren Ton „gemacht“ werden. Dann gab es eine Serie von Ereignissen, die diesen Mechanismus umgedreht haben. Nun ist immer Stille da, selbst dann, wenn aktiv gedacht wird. Die Stille ist zum dauerhaft spürbaren Hintergrund geworden – und so dominant, dass kein Denken sie ausradieren kann. „Gedanken machen“ ist eine Aktion, die aus dem ruhenden Bewusstsein aufsteigt – das ist klar zu fühlen. Wenn „Gedanken machen“ aufhört, ist sofort wieder Stille da.
Im nachfolgenden Zitat von Ramana Maharshi wird ausgesagt, dass das bei „weisen Menschen“ der Fall ist. Ich sehe das nicht so. Weisheit hat damit überhaupt nichts zu tun. Sie kann da sein, muss aber nicht. Das ist einfach ein anderer Modus des Bewusstseins, in dem der Verstand besser und mehr als Werkzeug funktioniert und dadurch den zeitlosen und ununterbrochenen Bewusstseinshintergrund nicht mehr verdeckt.
Wenn man als Analogie die physische Stille (Geräuschlosigkeit) und ein Radio benutzt, wird das vielleicht klarer: Wenn das Radio eingeschaltet ist und auf voller Lautstärke läuft, kann Geräuschlosigkeit nicht erfahren werden. Wird das Radio ausgeschaltet, ist Geräuschlosigkeit unmittelbar da. Die wirkliche Stille hat aber nichts mit Geräuschlosigkeit zu tun, sie ist auch bei Geräuschen erfahrbar und wenn gedacht wird. Wenn der Fokus sich auf die Subjektivität des Bewusstseins gedreht hat, wird die Stille immer erfahren.
Jemand fragte: »Weshalb heißt es in den Schriften, der Weise gleiche einem Kind?«
M.: »Ein Kind und ein Weiser (jnani) sind einander in dem Sinn gleich, als Ereignisse ein Kind nur so lange interessieren, wie sie andauern. Es denkt nicht mehr daran, wenn sie vorbei sind. Damit ist ersichtlich, dass sie keinen Eindruck bei ihm hinterlassen. Es wird geistig nicht von ihnen beeinflusst. Beim Weisen ist es ebenso.« [Quelle]