Der gestrige Tag und der Beitrag am Abend, hat offenbar noch im Schlaf nachgewirkt. Als ich heute Morgen aufwachte, war unmittelbar eine ungeheure Weite da. Sie wurde allerdings nur wahrgenommen, wie der Blick durch ein Fernrohr. Im Vordergrund war eine enorme Schwärze, die sich unendlich in alle Richtungen ausdehnte – und im Mittelpunkt war ein kreisrunder Fleck von sehr intensiver Helligkeit.
Unmittelbar wurde klar, dass das eine Auswirkung von Dualität ist. Also ließ „ich mich“ da hinein fallen, bis jeglicher Sinn von „Zweiheit“ und „ich“ augelöscht war und dann erstrahlte diese ungeheure Weite in einem hellen Glanz. Wobei das nicht ganz richtig ist – der „Glanz“ ist mehr identisch mit Klarheit der Selbst-Identifikation und Nichtvorhandenheit eines unabhängigen Beobachters.
Ich weiß nicht so richtig, wie ich es ausdrücken soll – es ist ein ungeheures Feld von ungetrennter ICH-Haftigkeit, in dem aber scheinbar nichts anderes ist. Und die „Weltbilder“ sind wirklich nur eine Art zweidimensionales (flaches) Bild, die in dieser Leere erscheinen oder vielleicht auch nur von dieser Leere wahrgenommen werden – was aber letztlich identisch ist. Wahrscheinlich ist es unser Verstand oder irgendwelche Hirnfunktionen, die aus diesen flachen Abziehbildern dann dreidimensionale, bewegliche Bilder erzeugen.
Ich merke jetzt beim Schreiben, dass ich mich einfach auf das verlassen muss, was von innen kommt und nicht mehr auf das, was in externen Texten steht. Irgendwie hat sich die Tatsache, dass jetzt ein Name da ist, mit dem der Zustand identifiziert werden kann (Rigpa), wie eine Bestätigung gewirkt, wie eine Sicherheit, dass DAS gut so ist und nichts hinzugefügt werden muss. Es fühlt sich an, wie eine Freiheit von dem Drang, immer weiter nach einem genauen Begriff suchen zu müssen.
Jetzt wird mir auch klar, warum es gut ist, einen erfahrenen Lehrer oder Vertrauten zu haben, der einem da Hilfestellung geben kann. Ich war einfach immer noch total unsicher, ob der erlebte Zustand „richtig“ ist. Das hört sich sicherlich total blöd an – weil doch gleichzeitig intensiv gefühlt wird, „hier“ richtig zu sein. Aber der Verstand hat sich einfach nicht damit zufrieden geben wollen. Er wollte unbedingt wissen, was das ist. Nun hat er einen Namen, vielleicht gibt er jetzt Ruhe.
Ich bin mir nicht hundertprozentig sicher – vielleicht bin ich einfach nur unfähig – aber ich kann mir sehr gut vorstellen, dass es anderen ganz genauso geht, dass sie etwas fühlen, spüren erkennen – aber nicht hundertprozentig sicher sind. Und vielleicht dient das hier als Hilfestellung und Trost für solche Menschen, wenn sie sehen, dass sie mit diesem Problem nicht alleine sind.
Ich kenne einen Fall, Suzanne Segal, die zwölf Jahre lang unter ihrem verrückt spielenden Verstand gelitten hat, obwohl sie in einem einzigen Schritt in den höchsten Zustand völliger Ich-Losigkeit gefallen war. Ihr Verstand hatte ungeheure Angst, verrückt zu werden, weil er einfach nicht wusste, was das ist. Als sie dann in einer Veranstaltung auf Jean Klein traf und ihm ihre Geschichte erzählte, sagte der ihr, dass sie im höchst-möglichen Zustand lebt und einfach nur den Verstand zum Schweigen bringen muss. Sie ging wieder und hat genau das gemacht, was ihr zur Ruhe verhalf.
Fazit: Der Verstand muss zufrieden gestellt werden – ansonsten gibt er keine Ruhe. Und dazu dienen die Schriften und die Lehrer. Die Erkenntnis muss dann in einem selbst reifen, so dass man unbeeinträchtigt von verstandlichen Programmen und Tendenzen in dem ruhen kann, was sich als Weite, Räumlichkeit, Leere und ICH-Haftigkeit zeigt.
Das muss nicht immer in einer Einheit gefühlt werden – am Anfang ist möglicherweise nur Leere da und keine Weite/Räumlichkeit. Es braucht offenbar einen Reifeprozess, bis das vollkommen und ganz gefühlt werden kann. Wachsen muss aber nicht der Zustand, denn der ist immer gleich – es ist das Fühlen, die Fühlfähigkeit, die Sensibilität und Sensitivität die wachsen muss.