Endlosschleife Denken

Was ist Menschsein, was ist Denken?

  1. Eine Bewegung erscheint im leeren Bewusstsein
  2. Bewegung kann Information enthalten (Gedanke)
  3. Danach zu greifen erzeugt das Denken mehrerer Gedanken in Folge: Gedanke_1 ↔ Gedanke_2 ↔ Gedanke_3
  4. Diese rückbezügliche Art des Denkens erzeugt automatisch das Gefühl: „Ich denke
  5. Nicht danach zu greifen, erzeugt kein Ich-Gefühl, sondern das nonverbale SEHEN, dass da ein Gedanke ist.

Die beschriebene Ereigniskette erscheint automatisch, ohne, dass da einer ist, der das auslöst oder sieht. Vielmehr ist das Gefühl, der Beobachter und Denker zu sein, ebenfalls nur Inhalt des leeren Bewusstseins – in Reaktion auf dieses selbstbezügliche Ereignismuster.

Die Ereigniskette, inklusive aller Gefühle, Gedanken, Identifikationen, Vorstellungen, Erklärungen („innere“ und „äußere“ Reaktionen) sind nur Inhalt von Bewusstsein und eine untrennbare Einheit.

Menschsein“ bedeutet, genau diesen Prozess immer wieder zu erleben, bis gesehen wird, dass es eine Endlosschleife ist, die mit dem Sehen dieser Tatsache zusammenbrechen kann.

Insofern geschieht einfach alles, in Form eines aus sich selbst heraus ablaufenden Prozesses – und jeder relative Versuch der Erklärung, dass ein bestimmter Prozess-Schritt aus diesem oder jenem Grund geschieht, ist einfach nur eine rückbezügliche Bewegung, eine relative Referenzierung anderer Bewegungen der gleichen Art – was immer wieder die gleichen Prozess-Schritte (1-4) auslöst.

Ich-bezogenes Denken erzeugt weiteres Ich-bezogenes Denken in endloser Folge.

Um diese endlose Kette zu beenden, muss das gesehen werden. Diese Kette nur temporär anzuhalten und Denken zu vermeiden, ist daher nur die halbe Arbeit – weil damit der zugrunde liegende Mechanismus nicht durchschaut wird. Es muss beides erfolgen – eine Einsicht in diesen Automatismus und das Beenden des rückbezüglichen Zwangs-Denkens in Reaktion auf automatisch aufsteigende Einzel-Gedanken. Beides kann geschehen aber nicht erzwungen werden.

Automatisch auftauchende Gedanken sind einzelne Gedanken, die sich nicht auf bereits gedachte Gedanken beziehen, sondern einfach nur verbindungslose Informations-Partikel – wie Wolken, die am Himmel vorüber ziehen. Das Greifen und miteinander Verbinden solcher verbindungslosen Gedankenpartikel, erzeugt dann erst das Gefühl einer Kontinuität, einer denkenden Entität, eines Denkers.

Ohne dieses Greifen und Verbinden poppen ab und zu Informations-Partikel in der STILLE (leeres Bewusstsein) hoch und verschwinden wieder. Das ist kein Problem, weil dabei sofort GESEHEN wird, dass diese Gedanken vereinzelt in der STILLE aufsteigen. Das pausenlose Denken, mit nur wenigen oder gar keinen Lücken dazwischen, überdeckt die STILLE und erzeugt das Gefühl von Dauer, von Kontinuität, das Gefühl, der Denker zu sein: „Ich bin der Denker„. Und um dieses Gefühl der Ich-Existenz nicht zu verlieren, muss der Denker andauernd denken.

Das zwanghafte Denken ist also ein Ausdruck der Angst vor Nicht-Existenz. Und diese Angst basiert wiederum darauf, dass das Bewusstsein nicht mit den äußeren menschlichen Sinnen gefühlt werden kann, sondern nur mit einem inneren Fühl-Sinn, den die meisten aber offenbar nicht kennen, weil sie zuviel denken. Fühlen ist leise, denken ist laut.

Der gesamte Komplex führte zu der Aussage von Rene Descartes: „Indem wir so alles nur irgend Zweifelhafte zurückweisen und für falsch gelten lassen, können wir leicht annehmen, dass es keinen Gott, keinen Himmel, keinen Körper gibt; dass wir selbst weder Hände noch Füße, überhaupt keinen Körper haben; aber wir können nicht annehmen, dass wir, die wir solches denken, nichts sind; denn es ist ein Widerspruch, dass das, was denkt, in dem Zeitpunkt, wo es denkt, nicht bestehe. Deshalb ist die Erkenntnis: »Ich denke, also bin ich,« (lat.: ego cogito, ergo sum) von allen die erste und gewisseste, welche bei einem ordnungsmäßigen Philosophieren hervortritt.“ [Quelle]

Das bedeutet, dass Descartes das SEIN, die reine Existenz an sich an der Tatsache fest machte, dass er Gedanken im Kopf miteinander verband, was das Gefühl von Kontinuität erzeugte und damit das Gefühl von „ich„. Offenbar konnte er sich nicht von dieser Ebene lösen und nur das reine SEIN fühlen, ansonsten hätte er gesagt: „Sentio, ergo sum“ – „Ich fühle, also bin ich“ oder „Da ist Fühlen, also bin ich.

Das konnte er aber nicht, denn er war ein Philosoph – also ein Berufs-Denker. Und wenn sich ein Berufs-Denker vom Denken löst und erkennt, dass dieses überflüssig ist, dann würde er damit zwangsläufig erkennen, dass ER überflüssig ist. Das wäre der Supergau jedes Philosophen. Somit ist ein Philosoph ein Zwangs-Denker, der sein Zwangs-Denken zum Beruf gemacht hat und alles tun wird, damit dieses niemals endet.

Der letzte Satz vermittelt tiefe Einsichten – nicht nur über Philosophen, sondern über jeden Menschen.

Hier, etwas weiter unten, findet sich die Entgegnung von Rudolf Steiner, der es ähnlich ausdrückt, wie es in diesem Beitrag beschrieben ist: „Der Satz des Descartes «Cogito, ergo sum» ist eigentlich falsch. Der Satz müßte eigentlich heißen: Cogito, ergo non sum — ich denke, also bin ich nicht, denn das Denken beleuchtet niemals eine Realität, sondern im Gegenteil, es ist die Vernichtung der Realität. Erst wenn man durch Imagination, Inspiration und Intuition an das Ich herankommt, liegt die reale Gewißheit des Ich vor. Wenn wir uns angewöhnt haben, die Kriterien des Seins anzuwenden auf unsere Umgebung, so müssen wir sagen: Ich denke, also bin ich nicht.“

Wenn solche Einsichten anderen Menschen zugänglich gemacht werden sollen, die sie noch nicht in sich erkennen können, dann müssen diese zwangsläufig in Worte umgewandelt werden. Die Tatsache, dass das hier beschrieben wird, ist also nicht unbedingt ein Ausdruck von Zwangs-Denken, sondern eine Übersetzung von Gesehenem in beschreibende und hinweisende Worte. Das äußert sich darin, dass das hier Beschriebene beinahe sofort wieder vergessen wird. Es ist ein ständiges Leersein, Leersein, nonverbales Hochkommen, nonverbales SEHEN, Übersetzen, Aufschreiben, Vergessen, Leersein, Leersein, Leersein, Leersein…