Was ist Stille?

STILLE ist der Urgrund, die Quelle aller Existenz. Kann man sie erreichen? Nein, weil jeder diese STILLE ist. Wie kann man sie erkennen? Wenn der mechanische Verstand aussetzt – als Zwischenraum und Hintergrund aller Gedanken und Objekte. Setzt das zwanghafte Denken einmal aus, wird sofort STILLE erfahren. Damit ist jedoch nicht die Gedankenstille gemeint, sondern die STILLE, IN der Gedankenstille, Gedanken und andere Objekte erscheinen.

Sie ist der Hintergrund aller Hinter- und Vordergründe. Man kann sie nicht erreichen und man kann nicht vor ihr fliehen. Man kann sie nur sein. Es gibt auch bei Verstandes-zentrierten Menschen immer mal wieder Momente, in denen die STILLE temporär durchscheint. Aber sie können nicht gehalten werden, weil sofort wieder der Gedankenstrom einsetzt. Das scheint zwar unter den Menschen der Normalzustand zu sein – zumindest bei den Menschen, deren Verstand bereits aktiv ist – aber es ist nicht der natürliche Zustand.

Der „natürliche Zustand„, wie ich ihn erfahre, ist vollkommene Entspannung in vollkommener STILLE – und zwar nicht temporär oder alle paar Minuten – sondern immer. Das muss nicht unbedingt bedeuten, dass sie auch im Tiefschlaf erfahren wird – das gab es zwar schon – aber nur selten. „Immer“ bedeutet für mich, dass STILLE in jedem Moment der „Wach-Phase“ erfahren wird. Bevor sich das eingestellt hat, wurde jahrelang versucht, die Erfahrung der STILLE dauerhaft zu machen, was misslang. Erst in der totalen Verzweiflung darüber, dass sie trotz Aufbieten aller Kräfte, nicht gehalten werden konnte, stellte sich die dauerhafte Erfahrung der STILLE ein. Diese Erfahrung wurde danach nie wieder verloren.

Das ist so, wie mit der roten und blauen Pille im Film Matrix. Hat man die rote Pille geschluckt, gibt es kein zurück. Dann wird die STILLE dauerhaft erfahren. Das bedeutet nicht unbedingt, dass dann keine Gedanken mehr da sind – das gibt es immer noch. Aber da hier ununterbrochen die Zunge am Gaumen anliegt, wodurch das Bewusstsein nach hinten geschoben wird, ist das ohnehin schon sehr geringe Gedankenrinnsal zu einem sehr langsamen Tröpfeln reduziert. Nur wenige Gedanken steigen auf und sie ziehen einfach vorbei, wenn sie nicht beachtet werden. Manchmal ist stundenlang kein einziger da – zum Beispiel, wenn der Körper nachts nicht schlafen kann. Dann ist zwar der Körper wach aber der Verstand schläft tief und fest. Da rührt sich nicht ein einziges Bit. Und dazu kann und muss nichts getan werden – das ist einfach so.

Das Hauptmerkmale der dauerhaften STILLE sind ein tiefer Friede, Entspannung, Eigenliebe, Angstfreiheit. Das bedeutet nicht, dass die STILLE aus diesen Eigenschaften zusammengesetzt ist – STILLE ist identisch damit. Wer da hinein gelangt ist, der kann nie wieder entkommen, da es gar nichts außer dieser STILLE gibt. Im Grunde genommen wurde also lediglich die dauerhafte Wahrnehmung der STILLE aktiviert – denn sie ist ja immer da und außer ihr gibt es nichts wirkliches – nur virtuelle Informationen und Erscheinungen, die „Körper“ und „Welt“ genannt werden. Und es ist lediglich das extreme Starren auf diese Erscheinungen, was verhindert, dass der Hintergrund wahrgenommen wird. Dabei ist er so deutlich erfahrbar, dass man ihn gar nicht verfehlen kann, denn er ist überall.

Es ist also keine Kunst, die STILLE dauerhaft wahrzunehmen – es ist aber eine große Kunst und zeugt von großem Können, sie nicht dauerhaft wahrzunehmen. Die STILLE wahrzunehmen ist Nicht-Tun, Entspannung. Sie nicht dauerhaft wahrzunehmen, erfordert eine ununterbrochene Anstrengung. Und es verwundert mich zunehmend, wenn jemand sagt, dass das ungewöhnlich sei und nicht oft vorkomme. Hier wird das genau anders herum erfahren – es kommt ununterbrochen vor, selbst dann, wenn der Verstand aktiv ist, wird immer auch gleichzeitig die STILLE erfahren – selbst im größten Lärm wird sie erfahren. Lärm und Gedankentätigkeit werden als in der STILLE befindlich und als in ihr aufsteigend erfahren.

Es ist, wie auf die Blätter eines Baumes zu schauen: Die meisten Menschen nehmen die Blätter wahr – die STILLE ist aber der Raum zwischen den Blättern, der Raum, IN dem sie sind. Um die STILLE zu erkennen muss man also auf die Lücken zwischen den Dingen schauen und sich dabei maximal entspannen. Sie ist buchstäblich überall – und wer sie nicht erkennt, ist buchstäblich vollkommen blind. Man kann alles mögliche schulen – aber nicht das wahrzunehmen, was ohnehin immer und überall zu sehen und zu erkennen ist – weil die Leute zwanghaft daran vorbei schauen. Man muss also nichts tun, um sie zu sehen, man muss nur aufhören, aktiv daran vorbei zu schauen.

Es ist das natürlichste der Welt, vollbewusst die STILLE zu sein – darum nennt man das ja auch den „natürlichen Zustand„. Aber es ist vollkommen unnatürlich, sie nicht zu sehen und sie nicht zu sein. Das Wunder ist also nicht, wenn die STILLE dauerhaft erfahren wird – sondern es ist ein Wunder, wenn STILLE nicht dauerhaft erfahren wird. Das ist die Wahrheit und nicht anders herum!

Nachtrag 1:
Es kann nicht nur nichts getan werden, um die STILLE zu erfahren – außer damit aufzuhören, daran vorbeizuschauen – es kann auch nichts dazu getan werden, die Erfahrung zu vertiefen. Statt dessen wird die ständige Erfahrung gemacht, dass „etwas“ am Bewusstsein und der Psyche herumschraubt. Wer die STILLE dauerhaft erfährt, hat nur eine Aufgabe: sie dauerhaft zu erfahren. Alles andere wird für ihn getan, inklusive der notwendigen Anpassungen des Bewusstseins, der Psyche und des Körpers. Wie weit das geht oder gehen wird und was dazu vom „Autopiloten“ getan werden muss, ist vollkommen unbekannt.

Wer dauerhaft STILLE erfährt muss nur noch stillhalten.

Nachtrag 2:
Weil absolut nichts dazu getan werden kann, die STILLE zu erfahren, kann sie auch nicht gelehrt werden. Daher sind alle Wege und Bücher, mit deren Hilfe sie angeblich zu erreichen wäre, vollkommen überflüssig. Die Erfahrung kommt – wenn sie kommt und wenn, in einem Akt totaler Verzweiflung und Aufgabe, alle „Wege„, „Aktivitäten“ und der „Eigenwille“ auf einen Schlag abfallen.

Noch einmal: Diese Erfahrung kann nicht gemacht und gegeben werden. Sie kommt, wenn alle Versuche, sie zu erlangen, aus Verzweiflung und Erschöpfung abfallen. Das bedeutet aber auch, dass sie normalerweise nicht ohne vorheriges Bemühen kommt. Erst muss man sich bemühen und alles geben, nur um zu erleben, dass es nicht möglich ist – und dann, wenn aufgegeben werden muss, wenn sich die verkrampften Finger lösen – dann kann es geschehen. Aber es ist absolut nicht sicher, ob es geschieht – es kann geschehen, muss aber nicht. Und niemand weiß vorher, wem es geschehen wird und wem nicht.

Nachtrag 3:
Das Gefühl der eigenen Existenz ist nicht die STILLE – es erscheint in ihr.

Wer die STILLE nicht erfährt, für den scheint sie ein unglaubliches Mysterium zu sein und er kann nicht glauben, dass es wirklich Menschen gibt, die solch ein Mysterium tatsächlich erleben – weil er selbst es auch nicht kann. Daher werden die Erfahrer der STILLE von vielen Menschen als „Wunder“ oder etwas „Außergewöhnliches“ betrachtet und das wird irgendwelchen Durchschnittstypen nicht zugetraut. Dabei ist es genau anders herum!

Wer die STILLE erfährt, schaut mit Erstaunen auf diejenigen, die sie nicht bewusst erfahren und kann überhaupt nicht verstehen, warum so etwas einfaches und banales nicht erfahren werden kann. Es ist, wie wenn alle Menschen Luft atmen aber weder den Atemvorgang, noch die eingeatmete Luft wahrnehmen können. Etwas, das überall ist und alles durchdringt, nicht wahrzunehmen, kann nur aufgrund totaler und alles durchdringender Ignoranz und Blindheit geschehen. Die Nicht-Wahrnehmer der STILLE sind das eigentliche Wunder!

Nachtrag 4:
Gedankenstille und die Beherrschung des Verstandes ist eine notwendige Voraussetzung für die dauerhafte Erfahrung der STILLE. Bei mir hat sich beides gleichzeitig eingestellt – und es ist für mich völlig undenkbar, dass jemand, der hilflos im Verstand hängt, der praktisch nur aus Verstand besteht, dauerhaft die STILLE erfahren kann. Meiner Erfahrung nach schließt sich das gegenseitig aus. Für solche Menschen gibt es immer nur kurze Einblicke, die jedoch aufgrund der Kürze und Fremdartigkeit der Erfahrung oft nicht bemerkt und gewürdigt wird.