Tot oder lebendig?

Der Bewusstheitsgrad – das bewusste Ekennen und ständige Verifizieren des eigenen Bewusstseins, des Körpers und der Umgebung – macht den Unterschied aus, zwischen tot und lebendig. Wer seiner selbst nicht bewusst ist, der ist eine tote Maschine, ein bio-physisch-psychischer Roboter. Es finden zwar Lebensfunktionen statt aber diese werden vollautomatisiert gesteuert und damit ist da niemand.

Insofern haben die Buddhisten Recht, wenn sie sagen: „No-Self“ – da ist kein Selbst. Man kann einen normalen Menschen auseinander nehmen und studieren, so intensiv man will, man wird kein Selbst finden und kein Bewusstsein seiner selbst – nur einen auf äußere und innere Reize reagierenden Mechanismus. Das ist, was gewöhnlich „Mensch“ genannt wird aber tatsächlich nur eine laufende Leiche darstellt. Das äußerste, was man mit solchen Menschen tun kann, ist, sie in Ruhe ihrem scheinbar lebendigen Tod zu überlassen.

Mir ist bewusst, dass sich das für die meisten Menschen anhört, als wäre ich verrückt – dabei ist es genau anders herum – aber die Ver-rückten merken das nicht. Sie sind sich nur der Umgebung bewusst, zu der ihr Körper zählt, den sie, zusammen mit der chaotischen Verstandesfunktion, als „ich“ bezeichnen. Wer allen Ernstes behauptet, dass jeder „erleuchtet„, „befreit“ oder „schon angekommen“ ist – der ist entweder ein weit fortgeschrittener Meister, der aus einer weit überhöhten Position schaut und längst vergessen hat, dass es auch eine Zeit gab, in der das bei ihm nicht so war – oder ein Vollidiot aus der Eso/Satsang-Branche.

Der erste weiß, dass es keine Trennung gibt, weil er es direkt sieht – der andere behauptet das, weil es hip ist und neue Kunden bringt. Wer will denn nicht hören, dass er nichts tun muss und schon längst „da“ ist? Damit erledigen sich doch sämtliche Anstrengungen und man kann bequem weiter schlafen – denn das ist genau das, was 99% aller Menschen wollen: weiter schlafen und bloß nicht aufwachen aus dem süßen Schafstraum – den die globale Masse gemeinsam träumt.

Es gibt niemanden, der freiwillig aufwacht, denn wer tatsächlich aufwacht, der wird erleben, dass er vollkommen alleine ist. Selbst die eigene Frau hat Mühe, so einen zu verstehen – für alle anderen ist er ein verschrobener Typ, der immer komischer wird. Wer will schon so etwas wirklich erleben? Ich kenne nur Menschen, die durch Schläge zum Aufwachen gezwungen wurden – aber niemanden, der das als freiwillig wirklich erreichen will. Die Eso-Heinis sind nicht ernst zu nehmen, denn die tun nur so, als ob! Wenn das Aufwachen tatsächlich einmal um die Ecke schauen würde – sie würden schreiend davon rennen und nie mehr irgendwelche Räucherstäbchen anrühren: „So ein Teufelszeug„…

Die Eso-Branche mit ihren Schein-Gurus ist eine der letzten Bastionen der Gesellschaft, an der alle hängen bleiben, die nicht weiter gehen wollen oder können. Sie hat alles Spirituelle pervertiert und in Beschlag genommen, was vergangene Menschen für sich entdeckt hatten. Das schadet aber nichts, denn es gibt keinen universellen Weg. Es gibt nur einen Weg für jeden Menschen: nämlich seinen individuellen Lebensweg – und der beinhaltet Erwachen oder eben nicht.

Wenn bei einem Menschen Erwachen statt findet, dann muss er es auf seine persönliche Art und Weise entdecken, leben und ausgestalten – und nicht so, wie es ein anderer vorlebt. Man kann begrenzt helfen, wenn jemand in Schwierigkeiten ist – aber das ist begrenzt auf die Kapazität des Aspiranten, Hilfe anzunehmen und umzusetzen. Daher kommt es immer nur auf einen selbst an. Sich bei einem Lehrer auf den Schoß zu setzen und zu hoffen, dass der einen zur Befreiung und zum Erwachen trägt, das kann und wird nicht funktionieren. Seinen Arsch muss man schon selbst bewegen – denn nur wer sich selbst hilft, dem wird geholfen: „Hilf Dir selbst, dann hilft Dir Gott…