Die innere Arbeit

Die innere Arbeit kann erst dann beginnen, wenn jemand vom Leben dauerhaft nach innen, jenseits der Schwelle des Verstandes verbracht wurde. Bevor das geschieht, ist jedes „nach innen schauen“ sinnlos. Das wird lediglich zu „einem Blick“ des äußeren Beobachters nach innen führen, der aber völlig folgenlos bleiben wird, da der äußere Beobachter nicht erreichen kann, dass man mit dem Gesehenen eins wird, denn dazu müssen die inneren Zentren aktiviert werden (outer knower, inner knower, pure attention, pure me of consciousness…)

Ich weiß genau, dass das so richtig ist, denn ich habe jahrelang „nach innen geschaut„, ohne, dass sich das Geringste geändert hat. Erst nach dem Erlebnis der Verschmelzung mit dem Urgrund, als die innere Ebene sich plötzlich auftat und sofort stabil war, konnte Entwicklung geschehen. Bei mir war es so, dass die vorderen und das hintere Zentrum des Bewusstseins geöffnet wurden – ohne, dass ich das allerdings bemerkte.

Das wurde mir erst klar, als ich mit Hilfe von Anadis Texten erfuhr, wo und wie ich hinschauen und hinfühlen muss. Es war absolut keine Mühe notwendig – ich hörte und las vom „pure me of consciousness„, wo es ist und wie es sich anfühlt – und ich konnte es sofort fühlen und horizontal nach hinten entspannen. Auch das „Ankergefühl„, das entsteht, wenn man sich erfolgreich an das universelle Bewusstsein andockt, war unmittelbar vorhanden. Das hat aber alles nichts damit zu tun, dass ich „ein Naturtalent bin„, sondern es war einfach ein Akt der Gnade.

Und ohne diese Gnade, kann einer praktizieren, solange er will, er wird niemals auch nur einen Millimeter weiterkommen. Wird die Gnade aber aktiv, dann kann sie einen Menschen in einem Riesensprung jenseits des Verstandes und noch weiter bringen. Möglicherweise hängt das auch damit zusammen, dass die Seele in vorangegangenen Lebenszyklen entsprechende Erfahrungen gemacht hat und diese nun erinnert werden.

Vor etlichen Jahren hat mir jemand, der ansatzlos einen gewaltigen Sprung gemacht hatte, gesagt, dass jegliche spirituelle Aktivität und Meditation erst nach dem Erwachen Sinn macht. Damals hatte ich das zwar intellektuell verstanden aber da ich keine Erfahrung dazu hatte, konnte ich nichts damit anfangen. Ehrlich gesagt weiß ich nicht, was man tun kann, um die Gnade zu aktivieren – wahrscheinlich wird sie zum richtigen Zeitpunkt von selbst aktiv – und/oder wenn der Aspirant eine ungeheure Sehnsucht nach dem Erwachen in sich verspürt.

Daher halte ich nichts von irgendwelchen Gruppenaktivitäten in Richtung Selbst-Erkenntnis – auch und vor allem deshalb, weil das für mich etwas ist, das zu einem selbst führt und das jeder eigenverantwortlich selbst tun muss. Hilfestellung bei Unklarheiten kann gegeben werden – aber das führt dann sehr leicht dazu, dass man den Helfer bei jeder Unklarheit fragt, anstatt selbst zu schauen und sich selbst zu befragen.

Ich bin es bei der Softwareentwicklung und auch bei privaten Bauprojekten gewohnt, mich nur auf mich selbst zu verlassen und mich durch jede Schwierigkeit hindurchzubeißen – und genau das mache ich auch bei der Selbsterkenntnis so. Dabei verlasse ich mich zu hundert Prozent auf mein Inneres (was ich ja selbst bin) und auf meine Intuition – und beides hat mich noch nie im Stich gelassen. Ich bin die Essenz, ich bin das Sein, ich bin das Bewusst-Sein, die Seele und diese zu sein und zu entwickeln, darum geht es.

Und wenn man erst einmal die Selbstliebe gefühlt hat, wie das Sein sich selbst liebt – wie ICH mich selbst liebe – dann weiß man, dass man auf dem richtigen Weg ist. Es mag Schwierigkeiten geben, mit der Verkörperung des Herzens oder des Seins (Hara) – aber wenn das Bewusst-Sein voll aktiv ist und dessen Zentren verkörpert und hingegeben werden, dann ist zwar keine Perfektion vorhanden – aber JEMAND (die Seele), der diese Arbeit fortführen wird, wenn der aktuelle Körper zerfallen ist.

In diesem Zusammenhang muss ich immer wieder lachen, wenn ich auf einschlägige Seiten gerate, auf denen behauptet wird, dass man „diesen Jemand“ unbedingt loswerden müsse, denn genau der sei das Hindernis, um das Ziel der Selbsterkenntnis zu erreichen, was alleine in der Erkenntnis der Leere liegt. Die Wahrheit ist, dass man gar nichts loswerden muss – selbst das Ego (das nicht mit JEMAND identisch ist) wird nicht abgelegt, sondern transformiert, denn es ist die gültige Außenseite (Schnittstelle) der Seele. Womit sonst soll sich die Seele nach außen hin artikulieren, wenn sie keine diesbezügliche Schnittstelle mehr hat?

Die „Loswerden-Woller“ verstehen nicht, dass derjenige, der sich selbst unbedingt loswerden will, genau derjenige ist, der DA ist. Und derjenige, der faktisch DA ist, ist nicht das Ego, das ist nur eine mentale Konstruktion – derjenige, der faktisch DA ist, das ist die Seele. Und warum will die Seele sich selbst loswerden? Weil sie spirituell gehirngewaschen wurde! Sie glaubt allen Ernstes, dass sie genau dann am Ziel ist, wenn sie nicht mehr ist – was ja eindeutig eine völlige Unmöglichkeit ist.

Und überhaupt – warum erst so etwas, wie eine Seele erschaffen, nur um sie am Ende im Urbrei ersaufen zu lassen? Wie wäre es damit: Jede Seele repräsentiert einen einzigartigen Aspekt der Quelle und sie hat zum Ziel diesen Aspekt zu entdecken, bewusst zu verkörpern und als bewusste Einheit, die genau diesem Aspekt entspricht, Teil der bewussten Quelle zu werden.

So etwas nennt man Wachstum und Entwicklung – und zwar in Bezug auf den Erzeuger, als auch auf das Erzeugte. Ergo handelt die Quelle eindeutig auch zu ihrem eigenem Nutzen, wenn sie scheinbar Gnade walten lässt und einen geeigneten Aspiranten weiter bringt. Das „Wachsen wollen“ der Quelle spiegelt sich im unbändigen „Wachsen wollen“ der Natur.