Individuum und Gesellschaft

Eine Gesellschaft kann nur soweit entwickelt sein, wie die Mehrheit der sie bildenden Individuen. Ausreißer nach oben oder unten sind immer in der Minderheit. Das bedeutet zwingend, dass die Entwicklung einer Gesellschaft immer zuerst eine Entwicklung der Mehrheit vorausgehen muss. Mit anderen Worten: Eine Gesellschaft ändert sich nur durch die mehrheitliche Entwicklung der sie bildenden Individuen. Gleichzeitig beeinflusst die Gesellschaft mittels des Gruppendruckes, alle Individuen, sich der Mehrheit anzupassen und verhindert so effektiv, dass sich Teilgruppen oder auch Einzelne weiter entwickeln.

Diesem Gruppendruck kann man nur entgehen, indem man sich innerlich von der Gruppe abkoppelt. Die abgekoppelte Perspektive ermöglicht dann einen differenzierten und kritischen Blick auf die Gruppe und daraus ergibt sich dann der Wunsch, Änderungen darin zu bewirken. Mitglieder der Gruppe, die sich innerlich nicht abgekoppelt haben, können normalerweise diese Perspektive nicht einnehmen – wenn es dennoch passiert, koppeln sie sich damit automatisch von der Gruppe ab.

Wenn sich das Individuum aber immer weiter entwickelt und dahin kommt, die ganze Welt als sein Selbst anzusehen oder gar noch darüber hinaus gelangt – dann wird erkannt, dass die Gesamtheit der Erscheinungen ein eng verzahnter, abhängiger und ewig laufender Prozess ist, der niemals von einer Position innerhalb des Prozesses geändert werden kann. Gleichzeitig wird erkannt, dass der bewusste Beobachter dieses Prozesses nicht davon getrennt ist – der Beobachter ist der Prozess selbst, der sich in Beobachter und Objekte des Prozesses aufgespalten hat. Eine noch weiter gehende Entwicklung entschleiert schließlich das Absolute, in dem das universelle Bewusstsein dieses Prozesses eingebettet ist.

Das folgende Beispiel sollte deutlich machen, dass eine Änderung aus der Prozessebene heraus nicht möglich ist: Ein Brotteig, der in einem Brotbackautomaten zusammengerührt wird, ist völlig unfähig, das Programm desselben zu manipulieren. Das bedeutet, dass der Teig zwangsweise dem voreingestellten Programm (Informationen, Rezept) und den daraus sich ergebenden „Handlungen“ (Rührzeit, Ruhezeit, Backzeit, Temperatur) des Brotbackautomaten unterliegt. Mit anderen Worten: Es ist das „Schicksal“ des Mehles, der Milch und der anderen Zutaten, genau das Brot zu werden, das dem eingestellten Rezept des Automaten (Programmierung) entspricht – außer der Prozess misslingt in Einzelfällen.

Die Gruppe entspricht einer Brotbackfabrik und die Gruppenmitglieder sind die Brote, die alle nach dem gleichen Rezept gebacken wurden und deren Backprozess gelungen ist, so dass das Endergebnis der Norm entspricht. Die Abweichler sind Einzelne, bei denen in der Brotback-Produktion Fehler vorgekommen sind, so dass das Endergebnis nicht dem der Norm-Brote entspricht. Sie liegen außerhalb der Norm und sind aus der Gruppenperspektive „Ausschuss„.

Im Welt-Prozess enthalten ist eine langsame Entwicklung des Bewusstseins, was sich nach und nach auch auf die Gruppen auswirken wird. Einzelne, die sich von den Gruppen distanziert haben, können schneller voran kommen. Aber beide Entwicklungslinien – die der Individuen und der Gruppen – basieren auf einem individuellen „Rezept der Bewusstseinsentwicklung„, das Bestandteil des übergeordneten Prozesses ist und daher nicht aus dem Prozess heraus veränderbar.

Mit anderen Worten: Jeder von uns, erlebt sein eigenes, individuelles Programm zur Bewusstseinsentwicklung, das dahin führt, dass er irgendwann erkennt, dass „die Vielen“ in Wirklichkeit nur Einer ist – und er ist dieser Eine. Daraus ergibt sich, dass der Eine es ist, der die Vielen erzeugt und belebt und sich entwickeln lässt, so dass sie sich erkennen und in ihm wieder auflösen – was im Umkehrschluss bedeutet, dass eine vielgestaltige Welt nur virtuell existieren kann und zwar in dem Einen, erzeugt und belebt von dem Einen.

Daraus ergibt sich wiederum, dass es eigentlich keines Weges bedarf, um die Realität zu erkennen – dass es andererseits aber doch eines Weges bedarf, denn wenn keiner gegangen wird, wird auch nichts erkannt. Die Welt existiert nicht in der Form, wie wir sie wahrnehmen: als Sammlung von unabhängigen, festen Objekten, die irgendwo „da draußen“ sind. Sie ist vielmehr ein bewusster Strom, geistiger Informationen, die sehr stark vernetzt sind und die wir so interpretieren, als wären da feste Objekte, außerhalb von uns. Tatsächlich sind wir die Welt – die ganze Welt – oder besser: ICH bin die ganze Welt.