Das Bewusstsein klammert

Heute Morgen ist bei mir der Groschen gefallen, warum man mit dem Hören auf den inneren Ton in der Lage ist, den Gedankenstrom zu stoppen. Das liegt definitiv daran, dass das Bewusstsein klammert – es klammert sich an jede Wahrnehmung, die es erfassen kann, um sein Überleben zu sichern. Und da die meisten Menschen vollkommen unbewusst sind und die innere Subjektivität des Bewusstseins nicht fühlen können, ist das Bewusstsein gezwungen, einen andauernden Gedankenstrom zu erzeugen, als Grundlage seiner Existenz.

Dieser Drang, diese Sucht nach Wahrnehmung ist wohl auch ein Grund für die immer mehr zunehmenden Input-Kanäle, wie Zeitungen, Radio, Fernsehen, Handies, Computer und Internet. Dazu gehören aber auch alle nach außen gerichteten Tätigkeiten und Einrichtungen, die nicht für das Überleben notwendig sind, wie Politik, Hobbies, Freunde, Vereine etc.

Wenn das andauernde Denken aber nur daran liegt, dass das Bewusstsein einen ununterbrochenen Wahrnehmungsstrom benötigt, dann müsste man doch nur das eine Objekt durch ein anderes austauschen, um das Denken anzuhalten. Das ist möglich – und zwar mit dem Hören auf den inneren Ton – er ersetzt den Gedankenstrom durch einen Tonstrom und ermöglicht es damit, zum ersten Mal wirklich frei von Gedanken zu sein.

Allerdings hat diese Technik einen gravierenden Haken – Hört man den Tonstrom erst einmal, dann kann man ihn nicht mehr aus dem Bewusstsein entfernen. Das liegt daran, dass er immer da ist, ob man ihn hört oder nicht, weil er ein natürliches Phänomen ist – die innerlich hörbare Schwingung des Bewusstseins. Normalerweise ist der Ton ausgeblendet – aber wenn das Bewusstsein ihn erst einmal hört, dann kann man es nicht mehr dazu bringen, ihn nicht zu hören. Zumindest ist es mir nicht gelungen.

Es gibt einen einfacheren Weg – erfahrene Lehrer, wie zB Anadi, können ihr Bewusstsein auf einen Schüler übertragen und diesem damit den Einstieg ermöglichen. Damit umgeht man den inneren Ton und andere konzentrative Techniken und ersetzt die Wahrnehmung des Gedankenstromes durch die Wahrnehmung der inneren Subjektivität des Bewusstseins. Soweit ich weiß, funktioniert das aber erst dann, wenn die innere Tür des Aspiranten bereits offen steht.

Bei mir stand diese Tür nicht offen – zumindest weiß ich nichts davon – denn es war mir unmöglich, mich innerlich still zu halten, ohne den inneren Ton zu hören. Und ich vermute, dass die zunehmende Verzweiflung darüber, dass es mir nicht möglich war, dauerhaft still zu bleiben, einer der Gründe dafür gewesen sein könnte, dass sie letztlich von innen her geöffnet wurde. Es gibt keine Technik, die das schaffen kann, denn die Tür wird erst dann geöffnet, wenn der entsprechende Mensch dazu bereit ist. Und wenn er kurz davor steht, dann greift das Innere ein und sorgt für die geeigneten „Bedingungen“ – normalerweise Leid und Verzweiflung.

Der Ton stört mich momentan nicht – er ist da aber er ist unaufdringlich. Aber wenn ich still in mir ruhe, dann ist auch der Ton immer da und dann ist es zwar still von Gedanken – aber nicht still vom inneren Ton. Ich habe es bisher nur dann geschafft, den inneren Ton nicht mehr zu hören, wenn ich vollkommen mit mir selbst verschmelze – dann verschwinden sämtliche Körperempfindungen aus dem Bewusstsein – dazu muss ich aber sehr tief einsinken.

An diesem Thema sieht man sehr deutlich, die Eleganz, mit der die Schöpfung arbeitet. Ohne Bewusstsein gibt es keine Existenz – auch die unbewusste Masse hat Bewusstsein – allerdings in der Ausführung „kollektives Unbewusstsein„. Dieses hat nichts anderes, als die Körper-Empfindungen, Gedanken, Gefühle und Emotionen, an die es sich anklammern kann.

Ohne diese Wahrnehmungen kann das unbewusste Bewusstsein nicht existieren und da es innen von Natur aus still ist, ist es dem nach außen gewandten Menschen völlig unmöglich, auch nur einen Schritt nach innen zu gehen. Denn, würden alle Wahrnehmungen gleichzeitig vollständig aussetzen – dann wäre er in der ihm bekannten Form verschwunden. So etwas nennt man blitzartige „Erleuchtungserfahrung“ und sie zeigt dem Menschen für Sekundenbruchteile sein ursprüngliches Antlitz: Leere.

Diese Leere kann man im nach außen gewandten Zustand aber nicht selbst erreichen, denn ein Mensch kann tun und lassen, was immer er will – er wird es nicht schaffen, jegliche Wahrnehmung zu eliminieren. Das liegt daran, dass jede Aktivität immer mit Wahrnehmung verbunden ist und wenn es auch nur das Wissen um diese Aktivität wäre – der Ursprung ist aber frei von Wahrnehmung.

Die Leere (primordial I Am) ist der innerste Kern des Absoluten und die Grundlage des Bewusstseins. Und sie kann gezielt erreicht werden – aber erst dann, wenn die innere Tür offen steht, das Bewusstsein erweckt ist und die Zentren erkannt und verkörpert werden und schließlich vertikal, Richtung Absolutes, hingegeben werden.

Die Tür zum inneren Raum kann nicht aus eigenen Kräften geöffnet werden, das geschieht immer von innen – aus Gnade, Liebe oder was auch immer. Somit ist jeder solange ausgesperrt, bis er eingelassen wird. Aber jede Tür hat eine wichtige Eigenschaft, die man nutzen kann: man kann anklopfen. Und wenn man lange und laut genug geklopft hat, dann erträgt der Wächter den Lärm vielleicht irgendwann nicht mehr und öffnet die Tür…

Aber auch das wird kaum einer tun, denn um anzuklopfen, muss man erst einmal wissen, dass da eine Tür ist und man muss sehr viel Sehnsucht akkumuliert haben, um unbedingt durch die Tür gehen zu wollen. Daher wird die Tür auch nicht beim ersten Klopfen geöffnet – außer, wenn der Mensch schon lange vollständig bereit ist – dann springt sie auf, sobald er in die Nähe der Tür kommt.

Solche Menschen sind aber die große Ausnahme – ich kenne persönlich nur eine Person, bei der das so war. Sie hat vorher niemals von Erleuchtung gehört und als eine Situation eintrat, die über ihre Kräfte ging und sie alles losließ, sprang die Tür auf. Ich war da ein erheblich zäherer Brocken – mich musste das Leben erst acht Jahre lang mit dem Fleischhammer beidseitig weich klopfen. Dann hörte ich zwei Jahre lang auf den inneren Ton, dann kam die Verzweiflung und dann sprang sie auch für mich auf.

Mit dieser Erkenntnis sind mehrere wichtige Dinge gleichzeitig klar geworden. Ich hatte diesen Themenkomplex schon längere Zeit mit mir herumgeschleppt und auch immer wieder darüber geschrieben – aber der Groschen ist erst jetzt gefallen. Was ich damit meine ist, dass die einzelnen Erkenntnisse, die hier aufgeführt sind und die auch schon vorher da waren – nun in einer Art Panoramaschau sichtbar sind, so dass erkannt werden kann, wie sie zusammen hängen.