Anstrengungslos still sein

Sobald einer in sich die Stille entdeckt hat und diese sich nach langem Ringen stabilisiert hat, darf man sich nicht mehr anstrengen! Dann muss man vollkommen still bleiben, um die subtile innere Arbeit, nicht zu stören, die sich in diversen Energiefeldern von selbst vollzieht. Ich spüre das ganz deutlich – wenn die Stille stark ist und nicht irgendwo gehaftet wird, wie feine, sanfte Finger über den Kopf streichen und auch innen immer wieder ein feines Erschauern oder Kribbeln erscheint, verschwindet, um an anderer Stelle weiter zu machen.

Einfach nur still zu sein, entspricht letztlich dem Ansatz von Dzogchen und auch von Ramana Maharshi, das da beginnt, wo andere Systeme, aufgrund der nötigen bewussten Anstrengung, enden müssen. Wenn die innere Stille erreicht ist, darf keine Anstrengung mehr stattfinden, denn dies ist gleichbedeutend mit einem Ich, das sich anstrengt, um etwas zu erreichen.

Aber genau dieser Ich-Prozess soll ja nun dauerhaft in seinem Schlafzustand gehalten werden, indem eben keine Anstrengung mehr stattfindet. Wer dauerhaft mühelos in der Stille ruhen kann, muss genau das: innerlich still ruhen, ohne irgendwo anzuhaften.

Das ist aber keine vollkommene Passivität, da ja das normale Leben wie gewohnt weiter geht. Mit Stille ist hier ein inneres Nicht-Greifen, Nicht-Anhaften und Nicht-Denken gemeint. Der Körper ist weiterhin aktiv. Ganz wichtig ist auch, sich nicht an die feinen Glücksgefühle und Zustände von Freude und Stille anzuheften. Sie treten auf, werden registriert aber nicht angefasst. Dann ziehen sie vorbei und zurück bleibt nur das leere Bewusstsein.

Sinnigerweise habe ich vor einiger Zeit in einem Artikel von Osho genau das gelesen. Im ersten Teil dominiert das Aufgewühltsein, die Gedanken sind kaum zu bändigen. Es können starke Angstgefühle auftreten, weil das Ich nicht loslassen will. Der Gesamtzustand gleicht einem tobenden Wasserfall und es besteht die Gefahr, dass jemand, der das extrem erlebt, einfach nur noch flüchten will. Daher hat Osho die Wichtigkeit eines Meisters betont, der einen hier zwingt, weiter zu machen. Bei mir ist so etwas nicht aufgetreten – möglicherweise deshalb, weil beim Lauschen auf den inneren Ton alles ganz sanft und leicht geht. Die Gedanken waren weg, kamen wieder, waren weg, kamen wieder – bis sie irgendwann nicht wieder kamen.

Die mittlere Phase ist geprägt von einem ruhigen Dahinziehen, wie die sanfte Strömung eines großen Flusses – das ist mein aktueller Status. Hier besteht die Gefahr, dass man sich anheftet, an die wundervollen Glückszustände. Man will einfach nur noch darin ruhen und nie wieder etwas anderes haben. Hier muss unbedingt radikal eingeschritten werden, denn diese Zustände bleiben nicht so, wenn man sie nicht loslässt! Sie trocknen dann aus und zurück bleibt eine geistige Wüste. Man muss hier unbedingt immer weiter gehen, still bleiben und nirgends anhaften. Leeres Bewusstsein ohne anzuhaften. Auch hier riet Osho noch zu einem Meister, der einen zwingt, weiter zu gehen, da offenbar viele im mittleren Teil anhaften und versacken. Glücklicherweise ist meine innere Führung stark genug, um das zu verhindern. Da findet sich dann plötzlich irgendein Text, in dem genau das Benötigte steht, um dem Verständnis auf die Sprünge zu helfen und dann geht es weiter…

Anschließend an die mittlere, kommt dann die letzte Phase, die darin besteht, dass der ruhige Fluss ins Meer mündet. Hier besteht die Gefahr darin, dass man plötzlich Angst bekommt vor der Auflösung und sich sehnsüchtig an die „schönen Zeiten als Ich“ zurück erinnert. Man will sich nicht im Meer auflösen und weigert sich innerlich, ins Meer zu stürzen. Auch hier muss vertrauensvoll losgelassen werden. Denn das ganze mündet nicht in einen völligen Tod – lediglich das Ich wird suspendiert und das Programm gelöscht. Das individuelle Bewusstsein verschmilzt mit der Quelle und das ist die ultimative Heimkehr. Danach kann es kein anhaftendes Ich mehr geben – allenfalls ein funktionales, um im täglichen Leben funktionieren zu können.

In allen Stadien gilt: die möglicherweise auftretenden Angst- und Glücksgefühle sind immer nur im eigenen Bewusstsein und nicht real. Nur leeres Bewusstsein ist Realität, alles andere ist lediglich Inhalt! Die noch vorhandenen Verkrustungen, Ambitionen und Tendenzen, das Angenehme zu bevorzugen und das Unangenehme zurückzuweisen, müssen aufgegeben werden – denn diese sind allesamt Merkmale des Ich-Prozesses. Und solange da noch irgendwo festgehalten wird, kann dieser nicht „heruntergefahren“ und aufgelöst werden. In der Informatik nennt man das „Einfrieren“ eines Prozesses aufgrund gegenläufiger Tendenzen: „Dead-Lock“. Dazu darf es niemals kommen – es muss immer wieder losgelassen werden!

Dieser Text ist einer der wichtigsten, die ich jemals geschrieben habe – die auftretenden Gefahren des Anhaftens sind in diesem relativen Prozess gewaltig. Und man täuscht sich ganz schnell, denkt: Prima, das Anhaften ist weg, alles gut – und wie schön die Stille und der Frieden heute wieder sind…“ Genau dieses Denken zeigt dann, dass da ein aktiver Ich-Prozess ist, der sich an diesen Status angeheftet hat. Leeres Bewusstsein kann nicht denken! Leeres Bewusstsein genießt weder Stille, noch Frieden oder Freude. Leeres Bewusstsein ist einfach!

Loslassen, still werden, mitfließen, wo auch immer es hin will…