Grenzenlose Freiheit

Gestern Abend fiel mir „zufällig“ ein kurzer Text aus dem Dzogchen in die Hände. Darin geht es primär darum, dass man das Bewusstsein nicht auf etwas ruhen lassen darf. Man soll alle paar Minuten prüfen, ob es noch frei fließt und wenn nicht, den Halt loslassen. Geprüft wird das damit, dass in die Essenz „des Erfahrenden“ bzw. der Wahrnehmungsfunktion geschaut wird. Fühlt sich die Essenz „leer“ an, zB wie „ein leerer Raum“ oder „Leerheit„, dann ist es gut. Wenn nicht, loslassen und erneut prüfen.

Als ich das dann machte, merkte ich unmittelbar, dass ich mich an der Stille festhielt – und sie damit wahrnehmbar machte, ver-dinglichte, ver-objektivierte. Als ich sie daraufhin einfach nur losließ, und das Bewusstsein, bzw. den Aufmerksamkeits-Fokus „millimeterweise“ in verschiedene Richtungen bewegte, löste sich die objekthafte Wahrnehmung der Stille auf und ich spürte eine nicht fixierte „Position„, die vollkommen leer war und wie „eine Lichtung im Wald“ oder „eine nach außen gewölbte Kuppel“ wirkte – vollkommen frei von Objekten. Dort ließ ich es sein.

Im nächsten Moment weitete sich das Bewusstsein von unendlich klein, auf unendlich groß. Es war, als wäre ein Schalter von „0“ auf „1“ umgelegt worden. Es gab keine Grenzen mehr, der Körper war praktisch nicht mehr zu spüren und er fühlte sich auch nicht mehr nach MIR an. Ich konnte den Mond spüren und ahnungsweise auch andere Himmelskörper, weiter traute ich mich nicht vor, denn dabei kam urplötzlich ein starkes Gefühl von Desorientiertheit und Schwindel auf.

Das testweise Aussprechen des Namens fühlte sich vollkommen fremd an, geradezu lächerlich, dass ICH einen Namen haben sollte. Sämtliche Wurzeln der angeblichen Person waren gekappt. Grenzenlose Freiheit in jede Richtung und ohne jede Einschränkung war da. Es gab nicht mehr den geringsten Unterschied zwischen „innen“ und „außen“ und keinerlei Zentrum. Die sofortige, und vollkommen eindeutige Erkenntnis war: ICH BIN GRENZENLOS – ICH BIN ALLES – ALLES IST IN MIR.

Es kamen auch Gedanken auf, die das Gesehene kommentierten – aber sie wurden nicht im Kopf gewahrt, sondern sie schwebten frei in der Unendlichkeit. Es war deutlich erkennbar, dass auch Gedanken in Bewusstseins-Blasen residieren – genauso wie alle anderen wahrnehmbaren Objekte.

Das Bewusstsein (ICH) war absolut das gleiche – es war einfach nur nicht mehr in sich selbst eingefaltet, sondern ausgefaltet. Es war ein gigantischer Unterschied zu vorher (0→1) – obwohl eigentlich alles gleich geblieben war – war doch alles anders. Der Unterschied zu vorher war nur durch eine winzige Bewegung des Bewusstseins selbst bewirkt worden: Loslassen des Haltes.

Das Fest-Halten an einem Objekt der Wahrnehmung er-hält den eingefalteten Zustand und damit die illusionäre Existenz als einzelner Punkt in einer gigantischen Punktewolke (sämtliche Universen und Wesen), die ICH tatsächlich BIN. Vor dem Erwachen war Körper-Person-Verstand der Halt – nach dem Erwachen, die Stille, die Transzendenz – was es ermöglichte, dauerhaft in der Stille zu verbleiben. Aber es war mir einfach nicht oder nicht mehr bewusst gewesen, dass ich mich an der Stille fest hielt – und dass das die illusorische Position als Mensch-Punkt stützt.

Ich hatte diese grenzenlose Weite schon länger gefühlt. Sie war wie ein Schatten hinter der Stille, halb verborgen und halb da, wie durch einen dünnen Schleier oder Vorhang verdeckt. Aber ich wusste nicht, was der Schleier ist und wie er zu beseitigen wäre. Der Schleier war das Festhalten an einem Wahrnehmungs-Objekt, der Stille, die eigentlich kein wahrnehmbares Objekt ist – aber durch Festhalten oder Greifen objektiviert (ver-dinglicht) wird. Vor etwa einem Jahr hat mir „jemand“ gesagt: „Du musst die Stille überschreiten“ – aber ich wusste nicht wie. Jetzt weiß ich es: Der Begriff „Loslassen“ trifft es besser.

Jetzt, wo ich beide Zustände kenne (0=eingefaltet und 1=ausgefaltet), ist auch klar, warum die meisten Menschen glauben, dieser Körper zu sein. Die Täuschung ist dermaßen gut gemacht, dass es absolut glaubwürdig wirkt, dass „ich dieser winzige Mensch-Punkt in der gigantischen Universums-Wolke bin“ – und nicht DAS, was das Universum bzw. die Punktewolke enthält.

Man muss als „eingebildeter Mensch-Punkt“ schon sehr ver-rückt sein, um ernsthaft anzunehmen, nicht dieser Mensch zu sein. Obwohl es unlogisch ist, weil er ja in der Wahrnehmung auftaucht. Aber die vorgetäuschte, sichtbare „Wahrheit„, „dieser Mensch zu sein„, ist weitaus wirkmächtiger, als jede noch so klare intuitive Einsicht oder auch logische Schlussfolgerung. Man muss diese ungeheure, grenzenlose, das Universum überschreitende Weite tatsächlich SEIN, um den Glauben an die wirkmächtige Illusion „ich bin ein Mensch“ endgültig zu durchbrechen.

Im ausgefalteten Zustand ist das genau umgekehrt: Es wird ohne jede Anstrengung sofort gesehen, (nicht intellektuell, sondern existentiell) WAS ICH BIN und es wirkt fremd und völlig lächerlich, ein winziger Punkt IN MIR sein zu sollen, der einen Namen hat. Im ausgefalteten Zustand gibt es nach kurzer Zeit nichts mehr, was an den eingefalteten Zustand erinnert.

Am Morgen war der Umfang des Bewusstseins kleiner, als in der Nacht, das bedeutet, es war nicht möglich, Himmelskörper zu spüren – dafür gab es aber auch keine Schwindel-Zustände. Auch der Körper war wieder deutlich wahrnehmbar. Aber es ist weiterhin völlig eindeutig, dass ICH nicht „etwas kleines, fixiertes, menschliches bin„, sondern absolut grenzenlose Unendlichkeit, die sich auf nichts eingrenzen oder festmachen lässt. Auch die unten aufgeführten Verse sind nur grobe Annäherungen, an DAS, was ICH WIRKLICH BIN.

Und noch etwas: es ist jetzt noch deutlicher sichtbar, als es gestern gesehen werden konnte: Vollkommen gleichgültig, in welchem Zustand sich der „menschliche Inhalt“ befindet – Bewusstsein kann sich in einem Mörder, einer Hure, einem Pfarrer oder auch einem Politiker jederzeit entfalten – völlig unabhängig, wie dessen „Ego“ oder „Charakter“ auch aussehen mag. Das sind nur belanglose „Verzierungen„.

Mit anderen Worten: „GOTT“ ist im Mörder genauso vorhanden, wie in der Hure, im Pfarrer und Politiker. Und es ist gleichgültig, „wie“ er ist, weil der Mensch-Punkt ein faktisches NICHTS ist, im Vergleich zur gigantischen Gesamtheit der universalen Punktewolke – und weil er immer genau so ist, wie er vom Bewusstsein/Lebensenergie projiziert wird.

Einschub: Allerdings sollte man nach dem Erwachen, alles das, was nicht schon im Vorgang des Erwachens bereinigt wurde, hochkommen lassen, passiv anschauen und damit erlösen. Wird das unterlassen, können sich diese Anteile nicht erlösen und treiben weiter ihr Unwesen in der Psyche.

Das Echte, das Wertvolle, das Ewige ist DAS, was den Mensch-Punkt ununterbrochen projiziert, animiert und gewahrt: Das Bewusstsein, das Gewahrsein, GOTT, die Ewigkeit, die Quelle – die ICH BIN. Das Bewusstsein IST ewig – die projizierten „Wesens-Punkte“ sind nur temporäre Er-Scheinungen und jederzeit problemlos austauschbar, wie verschlissene Kleidung.

Das Ewige, Allmächtige, Unbegrenzte, kann jederzeit tun und lassen, was ihm beliebt. Der projizierte Mensch-Punkt tut automatisch das, was die ihn steuernde Kraft tun lässt. Es gibt Willensfreiheit und Determiniertheit. Die Quelle hat vollkommene Willensfreiheit – und der Mensch ist vollkommen determiniert. Da der Mensch aber wesenhaft identisch ist mit der Quelle, ist er nicht fremd-bestimmt, sondern SELBST-bestimmt – er ist faktisch „Opfer seiner Selbst„.

DAS ist mein WAHRER Zustand:
Absolute, grenzenlose Unendlichkeit
Still, glücklich und frei.

ICH BIN GRENZENLOS.
ICH BIN ALLES.
ALLES IST IN MIR.
ICH BIN ALLES und NICHTS.

Gelernte Lektion:
Öffne die „Hände“,
lasse ALLES fallen,
lasse MICH fallen,
immer wieder,
immer weiter,
immer tiefer,
unendlich fallen,
in MIR SELBST.

DANKE!