Spirituelle Entwicklung muss man sich verdienen

Dieser Beitrag stammt vom 9.4.2018 – und da er aktuell sehr passt, bringe ich ihn noch einmal.

Ich glaube nicht, dass dauerhafte, non-duale Zustände einfach so aus dem Nichts kommen. Das muss man sich mit Tränen, Schweiß und Blut verdienen. Das kostet den Einsatz des ganzen Menschen. DAS wird niemandem einfach so „vor die Füße geworfen“ – denn dann wäre es auch nur genau soviel wert, nämlich nichts.

Diejenigen, die höhere dauerhafte Zustände „durch Gnade“ erreichten, haben sehr wahrscheinlich in vorangegangenen Lebensphasen dafür geblutet. Und diejenigen, die ein einmaliges Erleuchtungs-Erlebnis hatten, das anschließend wieder verblasste, sollten das als Aufforderung verstehen, solange weiterzumachen, bis das Ego stirbt und ein dauerhafter Zustand von Frieden und Stille jenseits der Dualität erreicht ist.

Der Spruch, dass man in Wirklichkeit „ja gar nichts neues erreicht„, ist zwar richtig – aber bis man zu diesem „gar nichts neues erreicht“ kommt, muss man erst einmal den ganzen Müll wegräumen, der über diesem aufgetürmt ist. Und genau das ist es, was in einem spirituellen Weg geleistet wird.

Manche reisen dafür jahrzehntelang in der Welt umher und leiden furchtbar, weil sie nicht finden können, was zum Beispiel ein Castaneda beschrieben hat. Das ist ebenfalls ein spiritueller Weg – also ein langer Leidensweg, in dem sehr viel Müll durch Leiden verbrannt wird.

Wie das im Einzelnen aussieht, ist völlig irrelevant – aber eines ist all diesen Wegen gemein: ein langes und intensives Leiden. Manche müssen ein ganzes oder sogar viele Leben lang hindurch leiden und darben, bis „es“ ihnen passiert. Warum wohl?

Jede Reise beginnt mit dem ersten Schritt – wer aber glaubt, „er müsse nichts tun, weil er ja schon lange dort ist, weil ja ohnehin alles Bewusstsein ist“ – der wird höchstwahrscheinlich in diesem Glauben sterben – und im gleichen Bewusstseins-Zustand. Ohne Fleiß kein Preis.

Diejenigen, denen „es“ letztlich passierte, dürfen sich auch nicht ausruhen – sie müssen anschließend lehren und/oder schreiben. Es mag auch viele geben, die nicht öffentlich auftreten – aber die arbeiten dann im Stillen und unerkannt alleine durch ihre Ausstrahlung und ihr reines Sein. Es gibt da letztlich kein Ausruhen, denn Leben ist ständige Bewegung und wenn diese bei einem Menschen endgültig zur Ruhe kommt, dann nennt man das „Tod„.

Letztlich zeigt die lebendige Erfahrung ja ganz klar, dass es immer nur relativ wenige Menschen gibt, die bis zur reinen nondualen Erfahrung kommen. Das kann nicht nur mit Unwissenheit zu tun haben. Ramana Maharshi und Nisargadatta Maharaj haben versucht, in tausenden, wenn nicht zehntausenden von Menschen ein korrektes Verständnis zu entfachen. Hat sich damit deren Zustand signifikant verändert?

Wenn ja, dann müssten sich heute mehrere tausend echte „Erleuchtete“ oder „Befreite“ finden lassen, deren Zustandsänderung auf diese beiden zurück ging. Es wurden ein paar Typen bekannt, die das von sich behaupteten – aber das waren doch eher billige Attrappen – von solchen Leuten stammt das „Neo-Advaita„. Wo sind die „großen Kaliber“ wie es zB. Tilopa, Nagarjuna oder Abhinavagupta waren?

Im Tantra, Zen-Buddhismus und Hinduismus werden seit tausenden von Jahren Menschen darin geschult, was der Geist ist und was der Mensch und wie der Mensch den Geist in sich entdeckt. Auch hier müssten zehntausende von „Befreiten“ produziert worden sein. Wo sind die schriftlichen Nachweise? Es müssten zumindest in den Klöstern Aufzeichnungen geben, wer wann, was erreicht hat. Tatsächlich gab es in diesen Jahrtausenden nur ein paar einsame Leuchttürme, die nur einen winzigen Bruchteil all der Menschen ausmachen, denen die Lehren zuteil wurden.

Ich sehe deutlich, an Menschen, die schon ein wenig begreifen, dass nicht alles so ist, wie es erscheint – wie ungeheuer groß das Beharrungsvermögen des programmierten Verstandes ist. Solange da kein wirklich veritabler Schock aufkommt, bewegt sich da überhaupt nichts. Da hilft auch kein noch so intelligentes Argumentieren und Zureden. Die beharren stur wie ein Vierzigtonner-LKW mit Motorschaden auf dem, was man ihnen über die Realität der Welt erzählt hat.

Das, was heutzutage als „Erwachen“ beschrieben wird, ist mehr oder weniger nichts anderes, als menschliche Authentizität und das Durchschauen der Gesellschaft als Massen-Programmierung. Mit echter Spiritualität hat das meiner Ansicht nach aber nichts zu tun, die kommt erst danach.

So, wie ich es sehen kann, ist die absolute Mehrheit (~99,9%) immer unwissend und ignorant, weil es offenbar so sein soll – andernfalls wäre es anders. Und nur wenige, in denen es extrem bohrt und leidet, dürfen dahin kommen, einen kleinen Zipfel der Wahrheit zu erhaschen und davon erreichen nur Einzelne die Nondualität. Der Rest bleibt auf der Strecke oder versucht es gar nicht erst.

Und trotz alle dem kann man nicht aufhören zu schreiben – denn es kann ja doch den Einen oder Anderen geben, dem ein einziger Satz ausreicht, um zu erkennen. Auch, wenn diese Wahrscheinlichkeit verschwindend gering ist. Letztlich ist es ja wirklich nur Unwissenheit, die zu einem Leben im dualen Gedankengefängnis führt – aber es reicht eben nicht, darauf hinzuweisen – da muss auch noch von innen etwas hinzu kommen und wenn das fehlt, dann tut sich nichts.