Die nichtduale Ebene

Ken Wilber beschreibt hier die nichtduale Ebene, ähnlich, wie ich das erlebe.

In der vorhergehenden kausalen Ebene bist Du so sehr absorbiert in der nicht-manifesten Dimension, dass Du möglicherweise die manifeste Welt gar nicht bemerkst. Du entdeckst die Leere und ignorierst die Form. Doch auf der ultimativen oder nichtdualen Ebene integrierst Du die zwei.

Du erkennst dass Leere erscheint oder sich manifestiert als Form, und dass Form in seiner Essenz Leere ist. Konkret gesprochen bedeutet das: Was Du bist sind alle Dinge die erscheinen, alle Manifestationen erscheinen von Augenblick zu Augenblick als ein Spiel der Leere. Wenn das Kausale wie eine leuchtende vom Mond beschienene Nacht erscheint, erscheint dies jetzt wie ein leuchtender Herbsttag.

Was als solide und konkrete Objekte „dort draußen“ sich zeigt, sind in Wirklichkeit transparente leuchtende Manifestationen Deines eigenen Seins oder Deiner Soheit. Sie sind keine Hindernisse auf dem Weg zu Gott, sondern einfach Ausdruck des Göttlichen. Sie sind darum leer in dem Sinn dass sie kein Hindernis sind. Sie sind ein freier Ausdruck des Göttlichen. Die Mahamudra Tradition sagt es kurz und bündig: „Alles ist Gedanke, Gedanke ist leer, Leere manifestiert sich frei, freie Manifestation ist Selbstbefreiung„.

Die Freiheit die Du auf der kausalen Ebene gefunden hast – die Freiheit der Fülle und Leere – diese Freiheit wird jetzt auf alle Dinge ausgedehnt, sogar auf diese „gefallene Welt der Sünde oder Samsara„. Daher werden alle Dinge selbst-befreit. Diese außerordentliche Freiheit, bzw. die Abwesenheit von Beschränkungen oder die totale Befreiung – dieser klare helle Herbsttag – ist das was Du an diesem Punkt erfährst.

Doch „Erfahrung“ ist hier ein ganz falsches Wort. Diese Realisierung ist tatsächlich die nicht zu erfahrende Natur des Geistes. Erfahrungen kommen und gehen, sie alle haben einen Anfang in der Zeit  und ein Ende in der Zeit. Sogar subtile Erfahrungen kommen und gehen. Sie sind wundervoll, überwältigend, außerordentlich. Und sie kommen und sie gehen.

Doch dieser nicht-duale „Zustand“ ist selbst keine Erfahrung. Es ist einfach die Öffnung oder Lichtung in der alle Erfahrungen erscheinen und verschwinden. Es  ist der helle Herbsthimmel durch den die Wolken ziehen. Er ist keine Wolke für  sich, keine Erfahrung, kein Objekt, keine Manifestation. Diese Realisierung zeigt dir die absolute Fruchtlosigkeit von Erfahrungen, die Fruchtlosigkeit des Bemühens durch Erfahrungen Befreiung oder Freiheit zu finden.

Alle Erfahrungen – diese vorüberziehenden Wolken – verlieren vollständig an Geschmack. Du bist nicht derkenige der Befreiung erfährt; Du bist die Öffnung, die Lichtung, die Leere in der alle Erfahrungen kommen und gehen, wie die Spiegelung eines  Spiegels. Und Du bist der Spiegel, der spiegelnde Geist, und keine der erfahrenen Reflexionen. Du bist nicht getrennt von den Reflexionen, stehst nicht zurück und beobachtest.

Du bist alles was erscheint von Augenblick zu Augenblick. Du kannst das ganze Universum verschlucken, es ist so klein, und kannst den gesamten Himmel schmecken, ohne Dich auch nur einen Millimeter zu bewegen. Dies ist der Grund warum im Zen gesagt wird, dass Du in den Großen Samadhi nicht eintreten kannst: Er ist die Öffnung oder Lichtung dessen was immer  anwesend ist, und in dem alle Erfahrungen – und alle Manifestationen – von  Augenblick zu Augenblick erscheinen.

Es sieht so aus als ob Du in diesen Zustand  „eintrittst„. Doch einmal dort angekommen erkennst Du, dass es niemals eine Zeit gab in der dieser Zustand nicht voll präsent und erkannt worden wäre – „das  torlose Tor„. Und so verstehst Du zutiefst dass Du niemals in diesen Zustand eingetreten bist, und auch die Buddhas der Vergangenheit und der Zukunft niemals  eingetreten sind.

Im Dzogchen ist dies die Erkenntnis der wahren Natur des Geistes. Alle Dinge in allen Welten sind selbst-befreit so wie sie erscheinen. Alle Dinge sind wie Sonnenlicht auf dem Wasser eines Teiches. Alles leuchtet. Alles ist leer. Alles ist Licht. Alles ist Fülle, und alles ist erfüllt. Und die Welt geht ihren normalen Weg, und niemand ist da um dies zu bemerken. [Quelle]


Man kann über Wilber denken, was man will – gut und erkennbar beschreiben kann er. Hier wird auch vollkommen klar, warum ich auch schaue, was und wie andere beschreiben. Nicht, um dort abzuschreiben, das wäre ja vollkommen idiotisch – sondern um zu vergleichen und zu verstehen, „wo“ ich jeweils bin.

Die Wirklichkeit ist ja nicht das, was „ich“ erfahre, sondern sie drückt sich als „meine Erfahrung“ aus. Das bedeutet, es gibt nicht so etwas, wie „meine Wahrheit“ – sondern nur so etwas, wie „meine Erfahrung„, durch welche die Wahrheit als das sich Ausdrückende erkannt wird.

Das Unerkennbare wird indirekt erkannt, durch das Ausgedrückte – und direkt erkannt, durch die Leere, in der das Ausgedrückte erscheint. Es ist aber nicht so, dass das Unerkennbare sich auch ohne Inhalt nicht selbst erkennen könnte – es erkennt sich durch seine eigene Subjektivität – das ist Selbst-Wahrnehmung. Man kann alle drei Komponenten erfahren: die Leere, die Formen und die Subjektivität.