Vor einigen Jahren musste ich auf bittere Art lernen, dass es nicht dauerhaft möglich ist, das Denken anzuhalten. Trotzdem eine sehr potente Methode verwendet wurde (Hören auf den inneren Ton), gelang es nicht. Aber das Scheitern und das Eingeständnis, dass „ich“ es selbst unter Aufbietung aller Kräfte nicht schaffte, das Denken dauerhaft anzuhalten, führte einige Tage später zu einer Reihe von tiefen Erfahrungen, die das Denken dauerhaft ausschalteten.
Es mag sein, dass es fähigere Menschen gibt – ich schaffte es jedenfalls nicht – nur temporär, für maximal einige Stunden – immer nur solange, wie die Konzentration aufrecht erhalten werden konnte.
Es gibt aber einen Ort, an dem es kein Denken gibt und das ist der Raum zwischen zwei Gedanken, Gefühlen, Emotionen oder anderen Objekten. Heute kam ein Mail, in dem ich gefragt wurde, wie man das zu verstehen hat. Ich antwortete wie folgt:
Stelle Dir einen leeren Raum vor, als Symbol für das leere Bewusstsein. In diesem leeren Raum befinden sich Unmengen an Objekten, Vögel, Tiere, Insekten (=Gedanken)… Diese krabbeln und fliegen wild durcheinander und sind sich so nahe, dass von dem leeren Raum nur noch die Lücken zwischen diesen Objekten übrig ist. Wenn jetzt jemand von innerhalb schaut, dann erkennt er nur ein unheimliches Gewirre von vielen Objekten (zB Gedanken) und sieht nicht mehr den leeren Raum, in dem diese Objekte sind.
Wenn sich derjenige aber auf eine Lücke zwischen zwei Objekten konzentriert, sich daran festhält und damit die Lücke vergrößert, dann erfährt er unmittelbar den leeren Raum – das leere Bewusstsein. Da dieses von Natur aus vollkommen leer von Inhalt ist, gibt es in den Lücken, also im leeren Bewusstsein selbst, keine Objekte und daher auch keine Gedanken.
Das, was mir im November 2014 passiert ist, bewirkte, dass ich ununterbrochen in genau diesem leeren Raum bin – genauer: ich bin dieser leere Raum, das leere Bewusstsein – und daher stören mich auch keine Gedanken mehr. Das heißt nicht, dass es keine Gedanken mehr gibt – aber sie können die Natur des leeren Raumes nicht stören – sie durchqueren den Raum nur und verschwinden wieder.
Oft ist es auch so, dass sie auftauchen und sich sofort wieder auflösen. Es ist auch möglich sie durch einen Blick gezielt aufzulösen oder einfach fallen zu lassen – oder auch rückwärts laufen zu lassen und an jeder beliebigen Stelle anzuhalten und fortzufahren. Aber nochmal: Das ist nicht das Ergebnis einer eigenen Leistung – das geschah mir.
Das war das Eine – jetzt kommen wir dazu, wie man die Gedanken vorbei ziehen lassen kann, ohne sich daran festzubeißen und mitgezerrt zu werden. Dazu benötigt man einen Halt, einen Ankerpunkt. Dieser wird zB gefunden, wenn man sich fragt: „Was bin ich?“ und dabei fragend nach innen lauscht und forscht – allerdings ohne eine Antwort zu erwarten.
Statt einer Antwort wird man erleben, dass sich eine Lücke zwischen den Gedanken öffnet. Wenn man sich dort hinein fallen lässt und daran fest hält, indem man das fragende Gefühl aufrecht erhält, und das Gefühl des leeren Raums in der Lücke erforscht, erschafft man sich einen temporären Anker. Diese Lücke ist genau der benötigte Anker, von dem aus es möglich ist, die Gedanken vorbei ziehen zu lassen.
Statt sich zu fragen: „Was bin ich?“ Kann man auch einfach absichtlich denken – sehr langsam denken – und sich damit beliebig große Lücken schaffen, die man dann in aller Ruhe untersuchen kann. Die „Gedanken“ müssen nicht einmal sinnvoll sein: „Aaaaaa„, Pause, „Beeeee„, Pause, „Ceeeee“ Pause usw. reicht vollkommen aus.
Diese temporären Lücken sind genau der gleiche Raum, in dem auch ich bin – er kann nur zu Beginn normalerweise nicht beliebig lange oder gar für immer gehalten werden. Um das zu erreichen, muss man das torlose Tor durchschreiten, wie es im Zen heißt, ich nannte das heute den distanzlosen Schritt. Bei mir war das die Verschmelzung mit dem Urlicht – und ab diesem Moment kann man nicht mehr aus diesem Raum herausfallen und die Gedanken haben ihre Macht für immer verloren. Schließlich entdeckt man, dass man dieser Raum ist und schon immer war – nur hatte man das einfach vergessen.
Also: nicht gegen die Gedanken kämpfen, sondern einen festen Anker suchen, beobachten und vorbei ziehen lassen. Dieser Anker ist bereits der Zielort, das leere Bewusstsein. Grabe Dich so tief wie möglich in diesen Anker-Grund ein und versuche nie wieder loszulassen. Und wenn Du doch losgelassen hast, erschaffe Dir sofort wieder einen Anker und halte Dich daran fest.
Sich dort aufzuhalten ist nicht das Endziel – das Endziel ist, dass niemand mehr da ist, der „ich“ sagen könnte – was bedeutet, dass das Bewusstsein selbst diesen Körper übernimmt und so etwas wie ein „Ego“ (Vorstellung eines getrennten Eigenlebens) dann nicht mehr existiert.