Glück ist unbedingt

Ich kenne das Glück, die Befriedigung, eine Anstrengung durchgezogen und etwas gemeistert zu haben. Das ist aber immer nur temporär und auf den entsprechenden Vorgang oder ein Ziel bezogen. Vergleichbar dem Glück, etwas zu besitzen, was man sich schon lange gewünscht hat. Das währt immer nur sehr kurz und dann muss erneut etwas angeschafft werden oder Selbstüberwindung vollzogen werden. Zum Beispiel währte die Freude nach dem erfolgreichen, berufsbegleitenden Studium, lediglich einige Sekunden – das Studium dauerte fünf Jahre. Ein krasses Missverhältnis.

Das Glück, von dem hier schon öfter gesprochen wurde, ist das Glück, der Existenz an sich. Es ist ein dauerhaftes Gefühl des Aufgehobenseins, des Behütetseins, des Urvertrauens und der Fülle, das dem ewigen, stillen Moment inhärent ist. Das bedeutet, es kann weder erzeugt, noch vernichtet werden. Alle anderen Arten von Glück sind temporär und haben eine Ursache.

Das bedeutet, ich kann einfach nur Da-Sein und mich weder innen noch außen auch nur einen Millimeter bewegen und bin ursachenlos glücklich. Das ist so, weil der Verursacher des Unglückes, der Verstand, still ist. Ohne Bewegung kann der Verstand keine Ängste, Sorgen, Zweifel und sonstige Übel erzeugen und darum ist der Blick frei, auf das, was sonst durch die chaotischen Bewegungen des Verstandes verdeckt wird.

Dieses natürliche Glück der Existenz ist also keineswegs unerreichbar, esoterisch oder überirdisch – sondern lediglich verdeckt, denn jedes Wesen hat ebenfalls Teil an der Existenz und ihrem inhärenten Glück. Es ist ununterbrochen da und wartet auf Dich – aber der normale Mensch merkt und weiß das nicht. Darum muss er alles mögliche anstellen, um ab und zu Glück zu erfahren, das doch eigentlich ununterbrochen da ist.

Nichts gegen das Laufen oder gemäßigten Sport – das ist gesund und schadet nicht. Aber um Glück zu erfahren, muss man nur in jedem Moment bewusst die Existenz sein. Mehr ist nicht nötig.

Laotse hat einmal gesagt, dass er die ganze Welt kennt, ohne das Haus zu verlassen. Warum? Weil er bewusst die Welt in sich erkannte. Ich gehe jeden Tag mit dem Hund spazieren und laufe immer den gleichen Weg. Aber ich entdecke jeden Tag etwas neues, neue Blumen, neue Gerüche, Kaulquappen, die plötzlich zu Fröschen werden und am Ufer des Baches herumhüpfen und so weiter. Selbst der Dreck auf dem Weg ist schön und interessant, weil er immer wieder anders aussieht.

Das alles bewusst zu sehen und aufzunehmen IST Glück und Fülle. Mir ist seit Jahren nicht mehr langweilig geworden – ich weiß nicht einmal mehr, wie das ist. Daher kann ich einfach da sein, ohne etwas zu tun und bin wunschlos glücklich. Manchmal schaue ich stundenlang einen Baum an oder auf den Gartenteich und erlebe dabei einfach nur das stille Glück des Da-Seins.

Wenn wir mit dem Wohnmobil wegfahren wollen, frage ich immer meine Frau, wohin sie will und da fahren wir dann hin. Wenn sie mich fragt, wo ich hin will, kann ich immer nur antworten: nirgendwo hin. Manchmal ist das Gefühl da, dass es schön wäre, das Meer wieder einmal zu sehen und zu riechen – aber das ist nur ein Gedanke und der muss nicht erfüllt werden – aber er kann erfüllt werden. Es geht hier aber keineswegs um einen bewussten Verzicht – das ist gar nicht nötig – es ist schlicht und einfach kein Wunsch da, der unbedingt erfüllt werden muss. Das sind eher nur leichte Kräusel auf einem ansonsten stillen, glatten See.

Wirkliches Glück ist unbedingt. Bedingtes Glück ist wertlos – denn was ist, wenn Du eines Tages nur noch im Bett liegen und kein Körperteil mehr bewegen kannst? Welche Bedingung gäbe es dann noch, um Glück zu erfahren? Dass das Essen rechtzeitig gebracht wurde und Du gefüttert wurdest? Oder dass die volle Windel rechtzeitig gewechselt wurde, bevor der Hintern brannte? Oder dass die Pflegerin das Fenster nach stundenlangem Rufen endlich geschlossen hat? Oder dass sich die Kinder nach Monaten wieder einmal mit aufgesetzt fröhlicher Miene im Altenheim blicken lassen?