Wir waren gestern auf dem Geburtstag unseres jetzt zweijährigen Enkels. Das Erste, was mir äußerst negativ auffiel, waren die Massen an Spielzeug, die auf dem Boden herumlagen. Nach dem Auspacken der Geschenke, kamen noch neue Spielzeuge hinzu. Noch ein Bagger und noch ein Auto und noch… Das Kind lief durch die Spielzeuge hindurch und trampelte darauf herum – als wären sie der Sand in einem Sandkasten. Was dieses Kind im Alter von nur zwei Jahren bereits an Spielzeug besitzt, ist um den Faktor zehn oder gar hundert mehr, als ich selbst in meinem ganzen Leben besessen habe.
Aber ich habe meine Spielsachen geliebt und immer damit gespielt – weil es nur sehr wenige waren. Es gab zum Beispiel einen Eimer mit Legosteinen. Damit spielte ich sehr oft und lange, denn ich liebte es, Häuser und Zimmer zu bauen oder auch Fahrzeuge. Damals tat ich das mit Legosteinen – heute mit realen Baustoffen. Der Unterschied ist eindeutig: Gold ist nur deshalb wertvoll, weil es selten ist und jeder es haben will.
Was ich nicht verstehen kann ist, warum das nicht von allen Menschen so gesehen wird. Wie kann man ein Kind nur mit Unmengen an Spielzeug zuballern und dann erwarten, dass es schätzt, was es hat? Ein Kind kann eine Puppe oder ein Auto oder einen Bagger lieben und damit spielen – aber niemals größere Mengen davon. Selbst ein goldener, mit Brillianten besetzter Wasserhahn, der als Unikat wertvoll ist, würde banal erscheinen, wenn in einem größeren Gebäude hundert oder mehr davon verbaut sind.
Diese Unmengen an Spielzeug sollen wohl ausdrücken, dass die Eltern das Kind lieben. Tatsächlich drücken sie die Unfähigkeit aus, dem Kind das zu geben, was es wirklich braucht: Liebe und Aufmerksamkeit. Dabei geben die Eltern, oberflächlich betrachtet, ihren Kindern genug Liebe und Aufmerksamkeit. Aber sie geben sich selbst keine Liebe und Aufmerksamkeit und verdecken dieses Manko durch äußere Gratifikationen. Und ein Mensch, der sich selbst (sein Inneres) nicht liebt und keine Aufmerksamkeit schenkt, der kann auch keinen anderen Menschen und dessen Inneres lieben und ihm Aufmerksamkeit schenken. Daher müssen die Kinder und Enkel mit Geschenken überhäuft werden, weil keine wirkliche Liebe zum Anderen und dessen Inneren möglich ist.
Die junge Generation wächst in absolutem Überfluss auf – und wird, wenn ich das richtig sehe, als Ausgleich dafür im Alter bitterste Armut erleben. Ich kenne diesen Ausgleich aus der Schule. Vor einigen Jahren war ich auf einem Klassentreffen und stellte fest, dass, ohne Ausnahme, alle Menschen, die als Jugendlicher und junger Erwachsener viele Freunde und Freundinnen hatten und viele Sexualkontakte, in späteren Jahren vom Partner verlassen und/oder geschlagen wurden oder erkrankten und relativ jung starben. Diejenigen, die als junger Mensch kein Glück hatten und von den anderen geschnitten wurden, denen ging es im Alter oft besser, als den anderen.
Das kann man aber nur dann verstehen, wenn man weiß, was der Sinn dieses Traum-Lebens ist – nämlich sich selbst und seine wahre Natur zu erkennen und zu leben. Und ein Mensch, dem es als Kind und Jugendlicher sehr gut ging und der immer viele Freunde hatte, wird niemals auf die Idee kommen, sein Ego anzuzweifeln und seine wahre Natur zu erkunden. Warum denn? Es geht ihm doch äußerst gut! Das ist aber eine grausame Falle, denn das Leben lässt sich nicht bescheißen – es schlägt zurück. Dabei ist es ja das Leben selbst, aus dem heraus sich die jeweiligen Gegebenheiten eines Menschen entfalten.
Auch wenn es schwer ist und oft sehr weh tat, muss man das in der Kindheit und Jugend erlebte Leid schätzen lernen. Denn wenn es damals anders gewesen wäre, dann wäre das Leiden jetzt da und dann gäbe es vielleicht keine Zeit und keine Fähigkeit mehr für Selbsterkenntnis. Leiden gibt es immer – es fragt sich nur, ob da einer ist, der daraus lernen kann… Leiden ist der beste Lernbeschleuniger, den es gibt!