Zwischen dem Sehen und dem Gesehenen ist keine Lücke, so dass man sagen kann, dass das Gesehene sich selbst sieht. Das Gesehene erscheint im Bewusstsein und ist aus Bewusstsein und da gibt es keinen Seher, sondern nur ein Sehen. Das Gesehene erscheint im Sehen und verschwindet wieder aus dem Sehen. Und es erscheinen keine Gedanken darüber, was das Gesehene sei, wie zum Beispiel: Hund, Baum, Auto. Da ist einfach eine Bewegung, ein Objekt und wenn es nicht benannt wird, dann vergeht es unerkannt.
Wenn zwischen dem Gesehenem und dem Sehen ein Identitätsgefühl auftaucht, das sich auf den Körper bezieht oder auf den Körper und die ihm angehängten Daten und Vorstellungen, die man „Ego“ nennt, dann sind immer auch Gedanken da, die alles Auftauchende etikettieren (Hund, Baum, Auto) und die Wahrnehmung okkupieren, so dass das Gefühl entsteht, dass da eine Person ist, die wahrnimmt. Die gleiche Person schreibt sich natürlich auch das Handeln zu, denn sie besitzt ja einen (eingebildeten) freien Willen und demnach Handlungsfreiheit.
Dieses Ego, dieser Seher, basiert aber nur auf dem Gefühl, existent zu sein, anwesend zu sein. Und dieses Gefühl ist so etwas, wie eine energetische Kontraktion im Bauch und/oder hinter den Augen. Dieses Gefühl produziert ein fühlbares Zentrum, durch das hindurch wahrgenommen und gehandelt wird. Das nennt man „ich“. Tatsächlich erscheint aber einfach alles im Bewusstsein und auch Wahrnehmung geschieht nur – siehe oben.
Wenn also jemand sagt, dass die Gedanken beherrscht werden, wer beherrscht sie? Das Leben, das Bewusstsein selbst. Gedanken können automatisch und mechanisch erscheinen – sie können aber auch schweigen. Es kann erforscht werden, wie es temporär gelingt, Gedanken erscheinen zu lassen oder nicht, zum Beispiel, indem man einen Muskel anspannt, ein Körpergefühl intensiv fühlt oder ein Zentrum im Bewusstsein verkörpert. Aber das ist alles nur temporär.
Automatisches Denken kann existieren oder verschwinden und das macht kein Ego, sondern es geschieht einfach. Ist automatisches Denken anwesend, dann kann es nicht durch das hypothetische Ich oder Denken beendet werden. Ist es abwesend, dann müssen Gedanken gemacht werden. Aber es ist kein Ich da, was das tut – allenfalls ist ein eingebildetes Ich da, das sich einbildet, das zu tun.
Befreiung vom Ich, Seher oder Denker kann nicht erreicht werden. Sie kann erst dann eintreten, wenn die Suche danach aufhört. Aber das wird erst dann geschehen, wenn die absolute Unmöglichkeit gesehen wird, dass etwas, das gar nicht existiert, überhaupt nichts erreichen kann. Suche geschieht, weil das Leben oder das Bewusstsein oder die Stille, die jeder ist, noch nicht erkannt hat, dass es genau das ist und nicht ein unabhängiges Ich.
Der gesamte Ablauf geschieht aus dem Urgrund heraus und kann niemals von einer darin erscheinenden Erscheinung oder Bewegung geändert werden, die nichts anderes als eine Reflexion des Bewusstseins-Lichtes ist. Aber solange der lokalisierte und abgegrenzte Lebensstrom, der Person genannt wird, nicht erkennt, dass die Abgrenzung nur eingebildet ist, wird das Leiden weiter gehen.
Es gibt Wege, die postulieren, dass dieses Ich tatsächlich etwas tun kann und das Bewusstsein soweit verfeinern könne, dass ein allmählicher Übergang in die Stille möglich wird. Aber ist da wirklich ein Ich, was das tut? Oder ist es nicht vielmehr das Leben selbst, aus dem heraus das einfach geschieht und es erscheint nur so, dass da ein handelndes Ich wäre.
Es ist interessant mit beiden Sichten zu spielen – aber der von selbst und aus sich selbst geschehende Ablauf fühlt sich entschieden echter an, als die Variante, in der ein Ich als scheinbarer Urheber dazwischen geschaltet ist, ob sich dieses ich nun auf den Körper, die Person oder das personalisierte Bewusstsein bezieht, ist dabei gleichgültig. Trennung ist nur solange da, wie sie gefühlt und an sie geglaubt wird. Aber kann ein Wassertropfen eines Flusses von diesem getrennt sein?
Das ändert natürlich nichts an der Faktizität von Problemen auf der physischen Ebene. Probleme tauchen immerzu auf im Leben eines Menschen und sie müssen gelöst werden. Sie sind aber nur so lange als Problem existent, wie jemand da ist, der den Zustand des betroffenen Objektes als „problemhaft“ betrachtet, zum Beispiel eine Autopanne.
Ohne diese Sicht auf eine Eigenschaft, die eindeutig ein Etikett aus dem Verstand ist, zeigt sich jeder Vorgang nur als neutrales Ablaufen des Lebensstromes. Das Auto ist kaputt und muss repariert werden, entweder selbst oder durch eine Werkstatt – oder es ist irreparabel, dann muss es verschrottet und ein Ersatz beschafft werden. Allerdings scheint es nur sehr wenige Menschen zu geben, die ihr Leben tatsächlich vollkommen aus dieser Perspektive erleben – also egolos leben. Ich kenne persönlich niemanden.
Bei mir gibt es definitiv noch Probleme – ich kann aber auch eine andere, unpersönliche Sicht einnehmen und da gibt es keine Probleme, nur Geschehnisse (offene Weite). Wenn diese Sicht da ist, dann kann gesehen werden, dass alles aus der Stille aufscheint und aus Stille besteht. Wobei ich Bewusstsein und Stille (Quelle) als identisch ansehe. Es gibt die Stille, das ist unbewegtes Bewusstsein, ohne Inhalt. Und es gibt Bewegung oder Bewusstseins-Inhalt und beides ist nicht getrennt oder unterschiedlich. Wie Ozean und Welle oder Stille/Unbewegtheit und Bewegung.
Das Ganze ist sehr einfach zu begreifen, wenn man einfach nur schaut. Der Verstand kann Stille nicht begreifen, denn er ist Bewegung. Daher kann er sie auch nicht erreichen, denn jedes Erreichen wollen vergrößert die Bewegung noch. Die Stille kann gar nicht erreicht werden, weil alles die Stille ist und alles aus ihr hervor geht. Nur hingebungsvolles und nicht-wollendes Loslassen führt zum Zurückfallen in die Stille. Der Tropfen fällt, Plopp – Stille.