Jeder lebt in seiner eigenen, subjektiven Welt

Heute Morgen, während der Meditation, machte es Klick. Ich konnte plötzlich sehen, warum es Unstimmigkeiten zwischen Menschen gibt. Das ist so, weil jeder in seiner eigenen, subjektiven Welt lebt. Damit meine ich nicht etwa, dass jeder die Welt auf seine eigene Weise erlebt, sondern, dass jeder buchstäblich in seiner eigenen Welt lebt und auch nur diese erfahren kann. Noch genauer ausgedrückt: Jeder ist seine eigene Welt, die das Bewusstsein umfasst und alle seine Inhalte, die immer subjektiv ausgeprägt sind.

Ich hatte das auch schon vorher beschrieben, hatte es aber noch nicht wirklich ganzheitlich gesehen und tief begriffen. Jeder Mensch ist, wie auch die außen herum erlebte Welt, eine Erscheinung in einem individuellen Bewusstsein. Ein Mensch, der direkt daneben steht, erlebt den gleichen Ausschnitt dieser Welt, aber aus seiner rein subjektiven Sicht.

Man kann das so sehen, wie zwei Film-Projektoren, die auf individuelle Weise aufgebaut sind. Im einen sind die Filterelemente so gestaltet, dass die Farbe der Pflanzenblätter intensiv hellgrün erscheint. Im anderen Projektor erscheinen sie vielleicht mehr grün-blau. Das gleiche gilt natürlich auch für alle anderen Sinneswahrnehmungen – es gilt für jegliches Empfinden der physischen Welt und aller darin befindlichen Dinge – die nichts anderes sind, als subjektiv interpretierte Objekte im individuellen Bewusstsein.

Soweit war ich auch vorher schon gewesen. Aber was das wirklich bedeutet, dass hatte ich noch nicht wirklich tief begriffen: Es gibt buchstäblich nicht nur eine Welt, sondern so viele, wie es Wesen gibt, welche die Welt wahrnehmen können. Und jeder Mensch ist ein gültiger Ausdruck des Seins, in jedem gegebenen Augenblick. Das ist auch dann so, wenn dieser Mensch gerade jemanden umbringt oder ein Kind gebiert. Und das bezieht sich auch auf die Selbst-Erkenntnis. Offenbar gibt es keine zwei gleichen Erkenntnis-Muster – das gilt auch für das Erlebnis der Leere. Es gibt zwar Übereinstimmungen im Inhalt dieser Erfahrungen aber die inneren Mechanismen jedes Menschen interpretieren diese Erfahrung immer subjektiv und daher sind dann auch die Resultate eines solchen Erlebnisses immer subjektiv und unterscheiden sich von allen anderen.

Es gibt keine objektive Welt, es gibt nur individuelle Bewusstseins-Einheiten, in denen eine ebenso individuelle und subjektive Welt erscheint. Das bedeutet auch, dass es keinen gültige Norm für einen Selbst-Ausdruck in der Selbst-Erkenntnis gibt, zum Beispiel, dass man unbedingt „meditieren“ oder „leben“ muss. Jeder Selbst-Ausdruck ist immer gültig und er kann in dem gegebenen Augenblick nicht anders sein, als genau so, wie er geschehen ist.

Das wiederum bedeutet, dass jegliche Kritik an einem anderen sinnlos ist und immer auf einer zu geringen Einsicht beruht. Jeder kann nur aus den Möglichkeiten wählen, die ihm in diesem Moment zur Verfügung stehen und jeder empfindet seine Welt in jedem Moment subjektiv und dieses Erleben kann niemals von einem anderen hundertprozentig nachvollzogen werden – außer er wäre in der Lage, zu diesem Menschen zu werden. Hinzu kommt, dass es in Wirklichkeit keine „anderen Menschen“ gibt! Jeder „andere Mensch“ ist immer nur ein Objekt in meinem Bewusstsein, genauso wie „mein Körper“ – was umgekehrt natürlich genauso gilt. Was es gibt, sind unzählige individuelle Bewusstseins-Einheiten, die jeweils eine eigene, subjektiv unterschiedliche Welt projizieren und erleben.

Es gibt keine zwei gleichen Menschen auf der Welt und damit gibt es auch keine zwei gleichen, gültigen Selbst-Ausdrücke auf dieser Welt. Das Problem ist aber, dass jeder seinen Selbst-Ausdruck als den allein gültigen ansieht, weil er gar nicht weiß, dass andere anders empfinden. Jeder nimmt automatisch an, dass andere alles ganz genauso sehen und empfinden, wie er selbst. Das ist aber eindeutig falsch – falscher geht es gar nicht. Leben ist nicht kollektiv – Leben ist immer individuell und einzigartig! Das führt dazu, dass der Eine Dinge tut, die ein anderer zum Kotzen findet und es nicht versteht, warum der das jetzt tut. Das muss er aber auch gar nicht – er muss nur verstehen, dass es nichts falsches und ungültiges gibt.

Damit endet jegliches Urteilen und Vergleichen.

Daher wird hier eine öffentliche Entschuldigung fällig, da die Vorwürfe ja ebenfalls öffentlich waren: Es tut mir leid, ich wusste es nicht besser!

Es gilt aber auch: wäre es nicht dazu gekommen, hätte ich auch nicht die dazu gehörige Einsicht bekommen.