Sitzen in reiner Subjektivität

Heute Morgen bei der Meditation (ich meditiere Mo-Fr von 4:30-6:00, Sa+So von 6-8:00) musste ich nicht mehr versuchen, mit dem Ich zu verschmelzen. Sobald ich saß, trat sofort die Selbstliebe auf. Sie füllte zuerst das Ich-Zentrum hinter der Stirn, und floss dann in einem sanften Strom in das Zentrum am Hinterkopf, füllte auch das und schließlich den gesamten Kopfraum. Ich saß in purer Selbstliebe, die mich hielt, wie eine liebevolle Mutter ihr Neugeborenes sanft hält und liebkost.

Ich konnte niemals viel mit dem Begriff Glückseligkeit (Bliss) anfangen. Nun weiß ich sehr genau, was damit gemeint ist. In diesem Zustand brauche ich absolut nichts anderes – ich hätte sterben können und es hätte mich nicht gestört. Es ist vollkommene Ich-Bewusstheit, gepaart mit vollkommener Selbstliebe und der Effekt ist eine innere Wonne, ein Vollbad in strömender, wärmender Liebe. Da ist keine Person mehr, die etwas will oder braucht – da ist nur noch reine, bewusste Selbst-Existenz, die sich selbst liebt – reine Ekstase.

Ich weiß nicht, ob es hier noch eine Steigerung gibt – oder geben kann – aber selbst wenn es eine gäbe, sie wäre nicht nötig. Das Bewusstsein für den Körper trat dabei immer weiter zurück – er war immer spürbar aber das Gefühl wurde zunehmend transparenter. Ich dachte über den Zustand nach, während er sich ereignete und die Gedanken störten nicht nur nicht – sie waren geradezu wunderschön – es war ein Genuss zu denken. Bislang hatten mich die Dinger immer gestört und ich zog sofort und umgehend den Stecker, wenn auch nur ein ungewünschter Gedanke auftrat. Heute waren sie hochwillkommen – sie waren wie die Würze in einer Speise, die den Geschmack von sehr gut auf höchst delikat steigerten. Sie waren ein wertvoller Bestandteil meiner selbst.

Während ich saß wurde mir klar, dass ich mich mein ganzes Leben lang abgelehnt hatte. Ich wollte niemals so sein, wie ich war – weil kein anderer mich so mochte, wie ich war. Vielleicht mit Ausnahme meiner Mutter, als ich ganz klein war. Und ich denke, dass dies mehr oder weniger bei allen Menschen so ist und eine Strategie der Gesellschaft darstellt, um die einzelnen Menschen dazu zu bringen, sich anzupassen und freiwillig zu versklaven. Dahinter steht die Idee und klare Ansage an jeden Einzelnen: Egal, wie Du bist oder was Du tust: DU GENÜGST NIE!

Heute genügte ich nicht nur, heute war ich perfekt – perfektes Sein, in einem unperfekten Körper mit einer unperfekten Psyche – die aber genau so angenommen, umarmt und geliebt wurden, wie sie waren. Diese Erfahrung zeigte mir, wie ungeheuer wertvoll es ist, zu existieren und die Möglichkeit zu haben, sich weiter zu entwickeln, hin zur Dauerhaftigkeit. Das habe ich vorher nicht wirklich würdigen können!

Man muss sich einmal versuchen, die Relationen vorzustellen: Es gibt aktuell etwa 7,5 Milliarden Menschen auf der Welt (7.500.000.000) Das ist eine unvorstellbare Menge. Ich bin ein Landmensch und wohne in einem Dorf mit 400 Einwohnern. Eine Menge von etwa eintausend Menschen auf einem Haufen kann ich mir gut vorstellen. Eine Million ist schon fast unvorstellbar für mich und eine Menge von 7,5 Milliarden Menschen ist nur noch eine sehr große Zahl. Man bräuchte etwa 50 Millionen 20-Fuß-See-Container, jeder mit einem Rauminhalt von 33.2 m³ und einer Traglast von 22 Tonnen, um diese Masse mit einem Gesamtgewicht von etwa 525 Millionen Tonnen eng gestapelt zu transportieren. Ende 2015 hatte die globale Handelsflotte eine Kapazität von etwa 20 Millionen solcher Container. Bei dieser Vorstellung bekomme ich Schluckbeschwerden… (Berechnungsgrundlage: etwa 0.22 m³ pro Durchschnittsmensch = 150 Menschen/Container)

Die Anzahl derjenigen Menschen, die ernsthaft an sich selbst und ihrer wahren Natur interessiert sind – und bereit sind, sich wirklich zu bemühen, dürfte sich jedoch in sehr überschaubaren Größenordnungen bewegen! Zehn? Hundert? Tausend? Wenn es tausend sind, dann übertrifft das meine Schätzung schon um das Zehnfache! Angesichts dieses Verhältnisses – nur Einer von 75 Millionen ist ernsthaft an Selbsterkenntnis interessiert – kann ich erst jetzt ungefähr ermessen, was für ein ungeheures Glück es für mein wahres Wesen ist, dass ausgerechnet ich zutiefst an Selbsterkenntnis interessiert bin!

Wer jetzt aber glaubt, dass aus der Selbstliebe auch eine perfekte Liebe für alle anderen Menschen aufkommen müsse, der hat sich getäuscht! Im Gegenteil: Es war sofort das Gefühl und das klare Wissen da, niemanden zu brauchen – gar nichts mehr zu brauchen. Ich könnte es so formulieren: „Scheiß auf die Gesellschaft – wenn sie mich nicht so annimmt, wie ich bin, wenn sie mich nicht lieben kann, wenn sie mich versklaven und unterdrücken will – dann drehe ich ihr den Rücken zu und scheiße auf sie!“ Und dabei meine ich jedes Wort genau so, wie es hier steht!

Es gibt eine große Ausnahme – und das sind die Menschen, die auf dem Sprung sind zur Selbsterkenntnis oder bereits auf diesem Weg. Das sind meine wahren Brüder und Schwestern und für die schreibe ich hier – auch, wenn ich sie nicht kenne. Denn, wenn man damit anfängt und nicht das große Glück hat, in der Verwandtschaft oder Bekanntschaft einen Kenner der Materie zu haben, dann bleibt einem nichts anderes übrig, als sich sämtliche Informationen zusammen zu suchen. Und das ist oft sehr mühsam und langwierig – und vor allen Dingen fällt man sehr oft auf irgendwelche falschen Informationen herein – wie zum Beispiel ich selbst auf Advaita und Dzogchen/Buddhismus, die beide das existentielle Ich leugnen und vernichten wollen. Beide Richtungen wollen nur „hinauf in höhere Sphären“ und treten dabei alles Existentielle in sich selbst kaputt. Die Intention ist: „Nichts wie weg von dem Mistding hier…“

Die meisten Menschen fallen aber ohnehin den Bauernfängern der Esoterik-Industrie zum Opfer – die kommen erst gar nicht in den Bereich echter Informationen. Aber das ist auch als eine Art Test anzusehen: Wer sich mit dem Schund aus diesem Industriezweig zufrieden gibt, kann nicht wirklich an echter Weiterentwicklung interessiert sein. So jemand ist mehr interessiert an „schönen Erfahrungen“, „Gemeinsamkeit mit Anderen“ oder daran, die „Menschheit zu retten“. Und das ist eigentlich auch gut so – denn so werden die Ernsthaften nicht von dieser Art Massenmensch belästigt und jeder hat genau das, was er will: Die Einen „tolle Erlebnisse“ und ein „schönes Gefühl in gemeinschaftlichem Satsang“ – die Anderen Alleinsein in sich selbst.

Ich kann keinesfalls den Anspruch erheben, besonders profund und gut zu sein – ich bin eher ein blutiger Anfänger aber ich bemühe mich nach Kräften, mich innerlich so gut es geht, weiter zu entwickeln. Und warum soll ich das, was ich mir erarbeite – und das sich zum großen Teil auf die Kenntnisse anderer Menschen stützt – nicht auch Anderen verfügbar machen? Das ist meine Art, die Dankbarkeit für die Hilfen, die ich vom Leben erhalte und erhielt, auszudrücken. Möge es Nutzen bringen – und wenn nicht, macht es auch nichts…

Außerdem hilft es mir ungemein, die Dinge, die ich erlebe, hier aufzuschreiben. Denn, das, was ich hier schreibe hat immer einen dämpfenden Effekt auf mich selbst, weil es verhindert, dass ich innerlich abhebe. In seinem Denkstübchen kann man sich viel denken und ausmalen – aber man würde das niemals anderen erzählen, weiß man doch ganz genau, dass es sich nur um Phantasieprodukte handelt. Schreibe ich die Dinge aber öffentlich auf, dann muss ich mich bemühen, sie genau so zu formulieren, wie ich sie erlebt habe, wenn ich nicht vor mir selbst und allen anderen als Lügner dastehen will.

Im Prinzip ist es mir völlig gleichgültig, was irgendwer von mir denkt – aber was ich von mir selbst halte, ist mir sehr wichtig – denn innere Ablehnung und Selbstliebe, das verträgt sich nicht… Ich muss mich nicht in den Himmel heben, das wäre völlig wahnsinnig – aber ich muss mich annehmen, wie ich bin und das kann ich inzwischen und ich lasse auch keine ungerechtfertigte Kritik mehr an mir zu – weder von mir selbst, noch von anderen.