Das Bewusstsein füllt mittlerweile den hinteren Teil des Kopfraumes aus. Bei geöffneten Augen erstreckt es sich bis hinter den Kopf. Damit ist auch der Sinn von „Ich“ überall vorhanden, nicht nur hinter der Stirn oder am Hinterkopf, sondern im gesamten Kopfraum. Denn Bewusstsein ist nichts anderes als der bewusste Sinn von Existenz, verknüpft mit dem bewussten Sinn von Subjektivität, von Ich.
Mir ist vollkommen schleierhaft, wie ich das habe übersehen können. In sämtlichen Erfahrungen ist immer ein Ich zugegen, denn wäre das nicht da, dann gäbe es schlicht und einfach niemanden, der erfährt. Ich bin da voll auf die Aussagen des Advaita hereingefallen, das behauptet, dass der Sinn eines Beobachters oder Ich’s verschwinden muss, um ganz zu werden.
Was tatsächlich aber passieren muss, ist, dass man diesen Sinn von „Ich“ mit dem Sinn von Sein verknüpfen muss, um zu erkennen, dass man es selbst ist, der sich da im Kopfraum tummelt. Es gibt da nichts, das nicht „Ich“ ist. Wer sich als den unbewusst und impulsiv denkenden Verstand erlebt, kann da niemals heraus kommen, auch nicht dadurch, dass er versucht, den Verstand in zwei zu teilen, wobei der eine Teil den anderen beobachtet – denn das bleibt alles auf der gleichen Ebene.
Aus den Materialien, die sich auf Anadis Seite finden und aus eigenen Beobachtungen weiß ich, dass der unbewusste Verstand nichts anderes ist, als der denkende Beobachter, der sich hinter der Stirn, etwa 5-7 Zentimeter über den Augen befindet. Dieser Beobachter ist sich seiner selbst völlig unbewusst und definiert sich ausschließlich über das Vorhandensein von Objekten.
Daher schlafen die meisten Menschen auch ein, wenn sich kein zu beobachtendes Objekt findet. Ich dachte immer, dass die Menschen, die so leben irgendwie unterentwickelt sind – aber das ist nicht ganz richtig. Sie haben die gleichen Anlagen – aber noch kein bewusstes Zentrum entwickelt, das es ihnen ermöglicht, jenseits des objektverhafteten Beobachters zu existieren und damit jenseits des Verstandes.
Tatsächlich erfahren alle Menschen immer wieder Momente der Stille – nämlich in den Lücken zwischen den Gedanken und beobachteten Objekten. Allerdings ist sich praktisch niemand dieser Lücken bewusst, was wiederum damit zusammenhängt, dass sie leer sind – ohne Objekt – und der Beobachter Nicht-Objekte nicht erkennen kann, solange er sich selbst nicht als pures Subjekt erkennt. Das Drama der Unbewusstheit hängt also damit zusammen, dass sich die Menschen nicht ihrer eigenen Subjektivität und Bewusstheit bewusst sind.
Wenn man aber ein oder mehrere Zentren aktiviert hat, die es ermöglichen, still und andauernd jenseits des abgetrennten Verstandes zu existieren, und man sich dabei vollkommen als das eigene Subjekt bewusst ist, als bewusstes Ich, dann ist es nicht mehr notwendig, den Verstand zu beobachten, weil dann der Verstand nicht mehr unbewusst und impulsiv denken kann.
Das ist so, weil es grundsätzlich zwei Ebenen im Menschen gibt: Die unbewusste Ebene, die bei den meisten Menschen als einzige ausgebildet ist und die bewusste Ebene, die bei den meisten Menschen gar nicht vorhanden ist. Und wenn keine bewusste Ebene da ist, dann gibt es auch keine Möglichkeit, den Verstand zu beherrschen. Wer versucht, ihn zu beobachten, stärkt nur den unbewussten Beobachter und die Präsenz hinter der Stirn.
Die einzige Möglichkeit, den fragmentierten Verstand zu befrieden, ist, ein oder mehrere bewusste Zentren zu etablieren und den Verstand in das Bewusstsein zu integrieren. Wenn sich dieser Zustand weiter entwickelt, kann man beobachten, dass es kein bestimmtes Zentrum mehr gibt, in dem Gedanken gedacht werden. Sie erscheinen im ganzen Kopfraum, als bewusster Ausdruck des Ich und der Bewusstheit. Das ist dann Denken aus dem Nicht-Denken heraus und kann als die Kunst des Denkens bezeichnet werden.
Unbewusstes Denken ist dagegen eine Geißel des Menschen und die Beobachtung der Gedanken ändert daran rein gar nichts. Denn das Beobachten der Gedanken mit dem Verstand, bzw. dem Beobachter, verhindert ja die Ausbildung von bewussten Ich-Zentren jenseits des Verstandes und das bewusste Ruhen darin, was es erst ermöglichen, die zerrissenen und fragmentierten mentalen Energien zusammen zu fassen und im Bewusstsein zu integrieren.
Damit sehe ich auch die Techniken, an einen Ort, jenseits des Verstandes zu kommen, in einem völlig anderen Licht. Sie sind eine Art Türöffner, der benutzt werden kann aber an dem man sich nicht festhalten darf. Sobald es gelingt, hinter den Verstand zu kommen, muss man sich unmittelbar bewusst werden, wer das ist, der jenseits des Verstandes gelangt ist. Dieser Jemand – das ist das Ich – also ich selbst – und dieses Ich muss umarmt und geliebt werden, nicht indem man schmalzige Gefühle absondert, sondern indem man sich direkt in das Zentrum des Ich-Gefühles hinein hingibt. Das nennt man verkörpern.
Solange man das durchhält, ist es beinahe unmöglich, dass noch Gedanken auftreten. Selbst dann, wenn man bewusst versucht zu denken, muss man erst eine Art Widerstand überwinden. Díe Bewusstheit vollständig zu bewahren, so dass sie absolut still steht, nicht schwankt oder fluktuiert – und dabei gleichzeitig vollkommen bewusst zu denken, sich jedes einzelnen Gedankens bewusst zu sein und den Gedankenfluss nach Belieben zu steuern, zu intensivieren oder zu stoppen – das ist die Kunst des Denkens.
Wer das erlebt, denkt nicht mehr im Traum daran, den Verstand steuern zu wollen – das geschieht einfach dadruch, dass derjenige, von dem der Verstand ein Teil ist, sich seiner selbst vollkommen bewusst ist. Der Verstand ist nämlich nichts anderes, als bewusst oder unbewusst aktivierte Bewusstseinsenergie, die in diesem Moment von einem unstrukturierten Zustand in einen durch Informationen strukturierten Zustand wechselt. Mit anderen Worten: der Verstand ist strukturiertes Bewusstsein.
Das mag sich für viele vollkommen abgehoben und verrückt anhören – tatsächlich ist das aber ein Grund-Zustand, über den jeder Mensch verfügen sollte. Erst ab diesem Stadium ist es möglich, bewusst zu denken und ebenso zu agieren. Vorher gibt es diese Möglichkeit schlicht und einfach nicht und damit ist es auch völlig sinnfrei, von einem freien Willen zu sprechen. Es gibt so etwas, wie einen freien Willen erst dann, wenn es andauernde Bewusstheit gibt – vorher nicht.
Und auch dann ist das kein freier Wille, der sich auf alles erstreckt, was ein Mensch zu tun und zu lassen hat. Dieser freie Wille ist hauptsächlich dafür da, dass sich ein Mensch bewusst dafür entscheidet, sich selbst an sich selbst hinzugeben, um seinem innersten Wesen eine reale Entwicklungsbasis zu bieten.
Unterbleibt diese Entscheidung und wendet sich ein Mensch, der an dieser Stelle war, wieder der Welt zu, statt der inneren Entwicklung, dann geht er rückwärts – auch, wenn es für ihn so aussehen mag, als ginge er vorwärts, hätte Kraftschübe und wäre der King. Tatsächlich ist er nur auf seinen unbewussten Verstand hereingefallen. Wäre er nämlich bewusst, dann würde er das sehr genau sehen können – es wäre ohne jeden Gedanken vollkommen offensichtlich.
Etwas völlig anderes ist es, wenn ein vollkommen selbstverwirklichter Mensch, der aus der Tiefe seiner selbst lebt – also von jenseits seines Körpers – wenn sich solch ein Mensch der Welt zuwendet und dort wirkt. Dann ist das kein eigener, bewusster Entschluss, sondern ein Auftrag, den er auszuführen hat – und dann ist er sich dieses Auftrages und dessen Herkunft vollkommen bewusst. Nur, wer ist schon vollkommen selbstverwirklicht? Ich bin es jedenfalls (noch) nicht.
Um das nochmal völlig klar zu machen: eine Erleuchtungserfahrung, wie sie herkömmlich verstanden wird, ist nur ein Türöffner – und wer nicht den Fuß in die Tür stellt und sie aus seinem eigenen freien Willen heraus immer weiter öffnet, indem er sich an sich selbst hin gibt, der wird erleben, dass sich diese Tür wieder schließt. Das Ergebnis daraus wird ein Gefühl der Leere und Unausgefülltheit sein, was einen möglicherweise sogar in Richtung Depression treibt.
Ich erlebte Anfang November 2014 so etwas, wie eine spontane, „zweite Geburt“, bei der ich in einer Art „Gebärmutter“ eine „Initiation“ des Absoluten empfing. Danach war der hellwache und bewusste Zustand jenseits des Verstandes, den ich vorher immer nur zeitweise erlebte, so sehr stabilisiert, dass es unmöglich ist, in einen unbewussten Zustand zurück zu fallen. Allerdings spürte ich nach einer Weile, dass ich in diesem Zustand fest hing, dass es nicht weiter ging und das führte dazu, dass ich mich zunehmend unzufrieden fühlte, weil ich nicht wusste, wie ich da heraus kommen konnte um mich weiter zu entwickeln.
Daher begann ich zu diesem Thema zu lesen, was ich in die Finger bekam, um herauszufinden, wie ich das anstellen könnte. Aber tatsächlich fand ich nur heraus, dass sämtliche bekannte Selbsterkenntnis-Richtungen nicht weiter zeigen, als bis jenseits des Verstandes – also dahin, wo ich schon war. Das befriedigte mich überhaupt nicht und ich suchte solange weiter, bis ich die Seite von Anadi fand und damit die benötigten Informationen. Dann wurde klar, dass das fehlende Element die Anerkennung meiner selbst war – des Ich – das natürlich die ganze Zeit da war, aber von mir nicht als wichtig angesehen wurde. Das ist so ziemlich die größte Dummheit, die einer begehen kann! Aber glücklicherweise konnte das korrigiert werden! Man kann Fehler begehen, auch schlimme Fehler – aber es ist essentiell, dass man diese Fehler einsieht und rechtzeitig berichtigt!
Bleibt die Erkenntnis der Unvollständigkeit des eigenen Zustandes aus und tut man einfach gar nichts, dann können diese Gefühle als mögliche Entscheidungsgrundlage dienen, um sich wieder der Welt zuzuwenden – weil es scheinbar keinen anderen Weg mehr gibt. Im Nachhinein wird so ein Mensch dann möglicherweise behaupten, dass diese Unausgefülltheit daher kam, dass er sich nicht gleich der Welt zuwandte. Und wenn er dann noch scheinbar Erfolg damit hat, sich wieder der Welt zuzuwenden, dann geht er sich zum zweiten Mal in die eigene Falle und besiegelt seinen Fehler endgültig.
Um das Ausmaß dieser Tragödie zu erkennen, muss man wissen, was der Mensch wirklich ist: Ein Inkubator für das höhere Wesen, das er werden könnte. Ein Brutkasten, mit dem Potential, das individuelle Subjekt (Ich) mit dem unpersönlichen Sein (Bin) zu einem voll bewussten „Ich-Bin“ auf allen Ebenen zu verbinden – um damit ein bewusstes, unsterbliches Wesen (eine Seele) zu werden. Das, was da geboren wird, ist sich selbst kennende pure Subjektivität, die Einheit von Individualität und universellem Bewusst-Sein – und diese Geburt und ihre Weiterentwicklung ist der eigentliche Sinn der menschlichen Existenz.
Wirkliches Bewusst-Sein ist andauernde, bewusste Individualität (Ich), die mit bewusstem, universellem Sein (Bin) verbunden ist – und sich selbst ununterbrochen als Ich, als pure Subjektivität erkennt und dazu keinerlei Objekt oder Stütze benötigt. Damit bildet Bewusstsein die nötige Operations-Basis jenseits des fluktuierenden, impulsiven Verstandes, um diesen zu beherrschen und zu befrieden. Und ohne einen stillen Verstand kann man diesen Weg nicht gehen – denn die geistigen Energien sind so fein und subtil, dass man sie in dem Gebrüll und der Unruhe eines nicht befriedeten Verstandes niemals wird fühlen können.
Somit sollte klar sein, dass dies absolut nichts mit dem zu tun, was ein normaler Mensch erlebt. Da Bewusst-Sein die bewusste Verbindung zwischen bewusstem Ich/Individualität und unpersönlichem Sein ist und bei einem normalen Menschen beides unbewusst und nicht verbunden ist, hat ein normaler Mensch kein Bewusstsein. Solch ein Mensch erlebt im Wachzustand lediglich einen andauernden Strom von Wahrnehmungs-Objekten durch den unbewussten Beobachter und identifiziert sich damit. Das zeigt klar, dass es sich beim Ego des normalen Menschen um eine unbewusste Schein-Individualität handelt, die nicht mit dem universellen Sein verbunden ist. Das Ego ist eine leere Hülse, wie ein grinsender Totenschädel.
Das Ziel eines jeden Menschen sollte sein, diese Schein-Wirklichkeit zu durchbrechen, um sein inneres Wesen zu erwecken. Die Welt ist nichts anderes, als der dazu notwendige Hintergrund, der das Erwachen der Seele erst ermöglicht, denn diese Entwicklung beginnt mit einem bewussten Akt der Hingabe nach innen, mit der bewussten Intention, sich hinzugeben, um damit das eigene, innere Potential zu zünden und zur Perfektion zu entwickeln. Die Hinwendung nach innen ist dabei nicht mit einer Abwendung von der Welt gleichzusetzen, denn die Zuwendung zur Welt wird nicht beendet, sondern auf ein notwendiges Minimum reduziert. Es ist eine klare und konsequente Neuausrichtung der eigenen Präferenz – dessen, was einer wirklich will.
Die Selbst-Realisierung ist der eigentliche Sinn und Zweck der Investition der Existenz in eine Spezies, die das ungeheure Potential hat, geistig unsterblich zu werden. Es gibt aber immer nur sehr wenige, die das erkennen, noch viel weniger, die das dann auch wollen und noch einmal sehr viel weniger, die das dann auch konsequent tun und durchhalten. Wir reden hier von einer maximal zwei- bis dreistelligen Anzahl von Menschen weltweit – also weniger als der Dreck unter den Fingernägeln der Menschheit. Ich gehe davon aus, dass nicht mehr als eine einstellige Anzahl von Menschen, die dieses Ziel tatsächlich erreicht haben, jeweils gleichzeitig leben.
Die sogenannten „Esoteriker“, also Menschen, die nur auf irgendwelche Sensationen oder veränderte Bewusstseins-Zustände aus sind oder auf sogenannte „Meister“ oder „Gurus“ herein fallen, die selbst nicht viel weiter sind, als andere Menschen, das aber vorgeben – haben mit einem ernsthaften Sucher soviel zu tun, wie eine Ameise mit einem Elefanten. Esoterik ist so etwas wie der „letzte Prüfstein“ für Ernsthaftigkeit und Willen eines Suchers. Es handelt sich dabei um Showbusiness ersten Ranges – und wer darauf herein fällt, ist verloren! Ein echter Sucher muss erkennen, was „Esoterik“ wirklich ist – ansonsten hat er nicht genug Intelligenz und Unterscheidungsfähigkeit, um diesen Weg zu gehen, der direkt hinein in die Ursache unserer Existenz führt.