Der Aufbau eines Ich-Prozesses bedeutet zwingend zu leiden. Gestern Morgen erlebte ich das hautnah. Es war nach dem Aufwachen sehr still gewesen, wie immer – aber plötzlich kamen Gedanken auf, die sich mit der Lage in Deutschland beschäftigten und ob es nicht doch nötig wäre, sich zu äußern. Diese Gedankentätigkeit tat regelrecht weh, im starken Kontrast zu der Stille, direkt nach dem Aufwachen.
Das wurde dann einige Zeit lang gesehen, bis es „Klick“ machte. Bereits schon die gedankliche Beschäftigung mit etwas, das völlig außerhalb der eigenen Handlungsmöglichkeiten liegt, ist gleichbedeutend mit Leiden. Aber das was noch zu kurz gegriffen, denn es wurde dann auch noch klar, dass bereits der Aufbau des Ich-Prozesses Leiden bedeutet, da dieser Prozess immer irgend etwas greift. Er kann gar nicht existieren, ohne Daten zu verarbeiten – weil er ein rein datenverarbeitender Prozess ist.
Der klammernde und sich identifizierende Ich-Prozess hat die unschöne Eigenschaft, alles persönlich zu nehmen und da er sich mit dem Körper identifiziert, löst er bei seiner Aktivität immer auch Veränderungen im Körper aus. Das können wohltuende Veränderungen sein, wie bei freudigen Ereignissen, bis hin zu Verspannungen, bei schmerzhaften Ereignissen. Aber immer gilt: diese Veränderungen im Körper sind ZUSÄTZLICH zu den schon aufgetretenen Ereignissen, auf die der Ich-Prozess ja nur reagiert. Das bedeutet, dass dieser Prozess nicht nur überflüssig ist, sondern schädlich und Leid auslösend. Daher: Ich=Leiden
Im Normalzustand herrscht im Bewusstsein eine tiefe Stille und es hält automatisch an sich selbst fest. Alles, was darin erscheint sind nur vorbei ziehende Erscheinungen, wie Bilder auf einem Spiegel, die unbeeindruckt beobachtet werden. Sobald aber ein Ich-Prozess startet, ist es mit der Ruhe vorbei, dann entstehen Veränderungen im Körper und starke Gedankentätigkeit, die sich beide auf den Inhalt des Bewusstseins auswirken und oft dazu führen, dass der Halt des Bewusstseins an sich selbst verloren geht. Das Bewusstsein beginnt dann, sich mit den in ihm vorhandenen Inhalten zu identifizieren, statt sie einfach nur zu gewahren. Das ist Leiden.
Es gibt nur ein einziges Mittel, um das zu verhindern, wie gestern schon gesagt wurde: der Ich-Prozess darf nicht starten oder aufgeweckt werden. Und wenn er das doch tut, dann muss er sofort wieder schlafen geschickt werden. Man muss ihn sofort fallen lassen – wie wenn man einen Schluck kochenden Tee in den Mund bekommt, den muss man auch sofort wieder ausspucken, sonst verbrüht man sich den Mund und die Kehle.
Der Ich-Prozess startet, wenn Gefühle auftreten. Gefühle treten nur dann auf, wenn ein Informationsobjekt der Sinnesorgane von der Aufmerksamkeit fokussiert wird und damit ein bewusster Kontakt hergestellt wird. Also ist das beste Mittel, um Ich-aufweckende Gefühle zu vermeiden, die Aufmerksamkeit immer auf den gesamten Inhalt des Bewusstseins gleichzeitig zu richten – das nennt man „Raumbewusstsein“.
Alternativ kann man auch die Aufmerksamkeit auf den inneren Ton richten und alle Sinnesobjekte „durch“ diesen Ton betrachten. Aber egal, wie man es macht, wichtig ist einzig und allein, die innere Ruhe beizubehalten und wenn das einmal nicht gelingt, sie so schnell, wie möglich wieder herzustellen. Es nutzt niemandem, sich mit Dingen herumzuschlagen, die er ohnehin nicht lösen kann und selbst wenn er sie lösen könnte – kann er das niemals mit dem virtuellen Ich, sondern nur durch sofortiges, zupackendes Handeln des Körpers.
Ein konzeptionelles Herumspielen mit dem Verstand ist immer nur eine reine Luftnummer! Es ist ein Herumjonglieren mit leeren Gedanken, die völlig sinnlos sind, weil sie in diesem Moment keine Lösung herbeiführen können. Eine Lösung kann immer nur JETZT sein. „Morgen“ oder „nächstes Jahr“ – so etwas gibt es nicht! Und wenn es JETZT keine Lösung gibt, dann braucht man auch nichts zu tun, und schon gar nicht braucht man darüber nachzudenken und sein Ich damit zu füttern. Das ist Selbst-Mord!
Wenn es JETZT keine Lösung für ein Problem gibt, dann tut man das, was gerade anliegt. Und wenn nichts anliegt, dann tut man ganz einfach das: nichts. Und sollte sich irgendwann einmal eine Lösung für ein Langfrist-Problem abzeichnen – und man selbst soll dabei eine Rolle spielen – dann wird man das ganz sicher bemerken – denn der Körper wird dann plötzlich von selbst anfangen zu handeln.
Wer das nicht einsehen kann, der hängt ganz eindeutig in seinem Ich-Prozess und hat so starke Verspannungen, die er nicht anders loswerden kann, dass er zwanghaft handeln muss, was sich dann in einem wohltuendem Gefühl ausdrückt, das aber nur anzeigt, dass sich gerade irgendwelche selbst-induzierte Spannungen gelöst haben.
Es ist ganz einfach: es gibt nur Bewusstsein und dieses Bewusstsein baut sich das Universum selbst auf. Wenn das so ist, wieso muss dieses Bewusstsein, an dem Universum, das es selbst aufgebaut hat, auch noch leiden? Das ist doch völlig verrückt! Oder etwa nicht?
Es reicht, das zu sehen und zu wissen, dass das absolute Bewusstsein niemals einen Fehler machen kann, sondern alles, was ist, in jedem Moment auch genau so sein soll, wie es ist. Also gibt es nichts Falsches – das denkt sich nur der Verstand. Und wenn es doch Probleme gibt, die JETZT von einem selbst gelöst werden können, dann werden sie auch unmittelbar JETZT gelöst. Alles andere sind JETZT keine Probleme, sondern Fakten.
Mit dem Blick auf die sich in Deutschland zuspitzende Situation gilt also: es kann dafür JETZT keine Lösung geben, weil JETZT noch nicht der richtige Zeitpunkt ist. Denn wäre JETZT der richtige Zeitpunkt, dann wäre die Lösung ja schon da. Der richtige Zeitpunkt ist genau dann, wenn das Problem sich von selbst löst – dann wird etwas eintreten, das eine Änderung herbeiführen wird – falls es überhaupt eine Änderung geben soll! Da aber niemand wissen kann, was das sein wird und wann das passieren wird, hört man besser auf, sein vom Geist erzeugtes Gehirn – das ja auch nur ein Teil dieses Spieles ist – mit selbst gestrickten Pseudo-Lösungen zu malträtieren und konzentriert sich auf sein eigenes Leben – im HIER und JETZT.
Dieses Leben muss gelebt werden, so wie es ist, wie es sich zeigt. Eine Flucht daraus ist nicht möglich und wer sich innerlich abkapselt und meint, nun gar nichts mehr tun zu müssen, ist im Grunde in der gleichen Lage, wie jemand, der sich äußerlich mit jedem Problem identifiziert und sinnlos leidet. Die Lösung besteht darin, mit dem, was sich zeigt, ganz natürlich mitzufließen und sich dort einzubringen, wo man gerade ist und wo das Einbringen notwendig und sinnvoll ist.
Man kann der Welt am besten dienen, wenn man in sich selbst anfängt und Stille und Nichtanhaften schafft. Wer glaubt, er müsse „dort draußen etwas tun, etwas verbessern“, sollte erst einmal bei sich selbst anfangen und dort alles in Ordnung bringen. Ist das getan, wird sich das „nach draußen wenden und dort wirken“ ganz von selbst ergeben, ohne dass „jemand“ eingreifen muss. Das ist die Antwort, auf die Fragen, die mir heute Morgen durch den Kopf gegangen sind.
Wer das nicht kann oder will, muss weiterhin den Verstand und das Ich päppeln und sein selbst induziertes Leiden austragen – solange, bis er dessen überdrüssig wird. Jeder kann sich in jedem Moment immer wieder neu entscheiden, ob er an dem leiden will, was er sieht oder ob er es nur sehen will. Genau das ist das Spiel, das in jedem Menschen (=Individual-Bewusstsein) ununterbrochen abläuft und jeder hat die Wahl, wie er damit umgeht.